Ende der WLAN-Störerhaftung: Was Freiheit für Public Hotspots bedeutet

Es klingt wie ein Befreiungsschlag und wird fast überall gefeiert: die Abschaffung der Störerhaftung in öffentlichen WLAN-Netzen. Etliche Kritiker warnen davor, dass es immer noch Haftungsrisiken gibt. Kaum einer warnt davor, dass freies WLAN nur scheinbar für Freiheit sorgt. Freiheit kann es nur mit Datenschutz und Sicherheit geben.

Wireless-Sicherheit ist mehr als Rechtssicherheit

Von Oliver Schonschek

„Durch die zunehmende Digitalisierung von Wirtschaft und Alltag erwarten wir heute schnellen mobilen Internet-Zugang immer und überall. Hierfür benötigen wir ausreichende öffentliche WLAN-Hotspots“, so das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie. Als Ursache für den geringen Ausbau mit öffentlichen WLAN-Hotspots nennt das Ministerium, den Umstand, dass potenzielle Anbieter von WLAN-Internet-Zugängen von den Haftungsrisiken einer unklaren Rechtslage verunsichert seien. Sie befürchten, als sogenannte „Störer“ für Rechtsverletzungen der Nutzer ihres WLANs auf Unterlassung in Anspruch genommen bzw. abgemahnt zu werden. Seit Kurzem soll nun damit Schluss sein.

Der Beschluss: WLAN-Anbieter sind Diensteanbieter nach Absatz 1

Der Deutsche Bundestag hat beschlossen, dass die Störerhaftung für WLAN entfällt. Die Resonanz bei den Verbänden und in den Medien ist groß. Den Beschluss des Bundestages zum Ende der Störerhaftung sieht der Bundesverband IT-Mittelstand e.V. (BITMi) positiv. „Wir haben sehr gehofft, dass die digitale Vernetzung durch WLAN in Deutschland endlich in Bewegung kommt. Der heutige Bundestagsbeschluss geht einen Schritt in diese Richtung“, erklärte Dr. Oliver Grün, Präsident des BITMi.

„Die Abschaffung der Störerhaftung wird zu spürbaren Erleichterungen für die Betreiber und Nutzer öffentlicher WLAN-Netze führen“, sagte auch Bitkom-Hauptgeschäftsführer Dr. Bernhard Rohleder, und IfKom – Ingenieure für Kommunikation e.V. erklärt: „Mit der Abschaffung der Störerhaftung sorgt der Gesetzgeber nun für Rechtssicherheit, indem er die bisher nur in Deutschland geltende Vorschrift zurücknimmt, die einen Betreiber von WLAN-Infrastruktur für das Surfverhalten der Nutzer haften lässt.“ Auch der Verband Deutsches Reisemanagement (VDR) begrüßt ausdrücklich, dass nun jeder ein WLAN als Hotspot zur Verfügung stellen könne, ohne zum Beispiel für Inhalte haften zu müssen, die über den Zugang heruntergeladen werden.

Die Hoffnung: Mehr öffentliches WLAN für Smartphones und Tablets

Die Mehrheit der Deutschen freut sich über das Ende der Störerhaftung, so das Ergebnis einer aktuellen repräsentativen Umfrage, die ein Meinungsforschungsinstitut im Auftrag des eco-Verbands der Internetwirtschaft e.V. durchgeführt hat. Demnach finden es 74 % der Befragten gut, dass die öffentliche WLAN-Nutzung voraussichtlich einfacher und unkomplizierter wird. Die Ergebnisse einer Umfrage, die das Marktforschungsinstitut GfK im Auftrag von Lancom Systems durchgeführt hat, sind ähnlich: 85 % der Befragten begrüßen die Abschaffung der WLAN-Störerhaftung. Für einen Großteil endet damit eine lange Wartezeit: „Dieser Schritt war längst überfällig“, betont die Hälfte der Teilnehmer (51 %).

Nur 3,5 % sehen den Wegfall der WLAN-Störerhaftung eher negativ oder sind komplett dagegen (2,5 %). 70 % der „Skeptiker“, wie sie in der entsprechenden Pressemeldung genannt werden, sind der Meinung, dass ohne WLAN-Störerhaftung Kriminelle unerkannt ins Internet gelangen würden, 65 % befürchten mehr illegales Filesharing.

Ungewisse WLAN-Zukunft
Es bleibt zu hoffen, dass die Rechtsprechung bald klarstellen wird, womit WLAN-Betreiber praktisch zu rechnen haben. Die ursprüngliche Freude ist bereits deutlich gedämpft. Der Antrag der Koalition vom 31. Mai 2016 nämlich, mit dem der §8 TMG (Telemediengesetz) entsprechend geändert werden soll, beschränkt sich auf die Ausdehnung des Providerprivilegs: Cafés, Friseursalons, Hotels, Arztpraxen und alle anderen, „die Nutzern einen Internetzugang über ein drahtloses lokales Netzwerk zur Verfügung stellen“ (Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Telemediengesetzes), sind damit als Diensteanbieter für Rechtsverstöße Dritter in ihrem WLAN prinzipiell nicht verantwortlich. Damit zeichnet sich aber auch ab, dass sie nicht vor Unterlassungsansprüchen sicher wären – und genau diese sind die Grundlage der grassierenden WLAN-Abmahnungen. Das haben netzpolitik.org und heise online ebenso rasch erkannt wie die Abmahnkanzleien. (red)

Die Realität: Offenes WLAN ist weiterhin ein großes Risiko

Erstaunlich wenige Stimmen melden sich, die darauf hinweisen, dass freies WLAN für die Anwender nicht ohne Risiken ist. „Offene WLANs sind sehr, sehr leicht abzuhören“, so Dr. Thomas Lapp, Vorsitzender der NIFIS (Nationale Initiative für Informations- und Internet-Sicherheit e.V.). Seine Empfehlung bei der Nutzung von offenen WLANs lautet: „Keine E-Mails abrufen, keine Passworte und Zugangsinformationen senden und daher auch keine Seiten aufrufen, die diese Daten benötigen.“

Realität ist jedoch vielmehr, dass die meisten Nutzer im mobilen Internet massenhaft E-Mails abrufen und zum Beispiel soziale Netzwerke verwenden, für die sie eine Passworteingabe vornehmen. Es reicht daher definitiv nicht aus, die Haftungsrisiken für WLAN-Anbieter zu verringern. Vielmehr gilt es, die WLAN-Nutzer besser aufzuklären und die WLAN-Nutzung besser abzusichern. Andernfalls kann von mehr Freiheit keine Rede sein, denn Freiheit braucht den Schutz und die Sicherheit der Daten. Dies ist die eigentliche Legitimation von Datenschutz, der in Deutschland einen so hohen Stellenwert genießt.

Freies WLAN erfordert also mehr als die Abschaffung der Störerhaftung. Nötig ist eine mobile Datensicherheit, die deutlich höher ist als die, die wir jetzt haben. Wie unsicher die mobile Internet-Nutzung noch ist, zeigt auch die aktuelle Fraunhofer-Untersuchung, die massive Schwachstellen bei mobilen Sicherheitsanwendungen aufgedeckt hat, von denen sich die WLAN-Nutzer eigentlich Schutz versprechen.

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Oliver Schonschek bewertet als News Analyst auf MittelstandsWiki.de aktuelle Vorfälle und Entwicklungen. Der Fokus liegt auf den wirtschaftlichen Aspekten von Datenschutz und IT-Sicherheit aus dem Blickwinkel des Mittelstands. Er ist Herausgeber und Fachautor zahlreicher Fachpublikationen, insbesondere in seinem Spezialgebiet Datenschutz und Datensicherheit.


Oliver Schonschek, Tel.: 02603-936116, www.schonschek.de

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