Freelancer: Was Free­lancer vom Auf­trag­geber er­warten dürfen

Freelancer haben es nicht immer leicht. Die un­sichere Auf­trags­lage, nahende Ab­gabe­termine und oft mehrere Jobs gleich­zeitig sorgen für Stress. Umso wichtiger, dass die Zu­sam­men­arbeit mit den Auf­trag­gebern funk­tio­niert. Was dürfen freie Mit­arbeiter vom Auf­trag­geber er­warten, damit die Ko­operation klappt?

Faire Partnerschaften

Von Mehmet Toprak

David R. aus Überlingen liebt sein Freelancer-Dasein. Er kann sich die Zeit frei einteilen und bei schönem Wetter eine Runde an die frische Luft gehen, während die fest angestellten Kollegen im Büro schwitzen. Er hat viele verschiedene Aufträge und jede Menge Abwechslung. Er lernt interessante Leute kennen. Er kann sich seine Aufträge selbst aussuchen und nimmt sich die Freiheit, auch mal nein zu sagen. Und das Einkommen stimmt auch. „Naja, meistens jedenfalls“, schmunzelt R.

Bis der WordPress-Experte es so weit gebracht hat, sind allerdings einige Jahre vergangen. „Ich habe auch einige böse Überraschungen erlebt. Da musste ich daraus lernen“. Trotz aller – unternehmerischer – Risiken, stehen die Chancen für eine erfolgreiche Zusammenarbeit mit den Auftraggebern gut, wenn man einige Punkte beachtet.

Vertrag genau lesen

Grundlage jeder fairen Zusammenarbeit ist ein fairer Vertrag. Also Augen auf bei der Vertragsgestaltung. Im Prinzip gibt es drei Vertragstypen: Dienstvertrag, Werkvertrag oder Honorarvertrag.

  • Beim Dienstvertrag erbringt der freie Mitarbeiter zumeist Dienstleistungen im Rahmen eines größeren Projekts.
  • Beim Werkvertrag hingegen geht es darum, ein bestimmtes Produkt oder Ergebnis abzuliefern.
  • Beim Honorarvertrag gibt es Geld für erbrachte Leistungen, die entweder nach Stunden oder als Pauschale abgerechnet werden.

In vielen Fällen hat man es als Freiberufler auch mit Mischformen zu tun.

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Schwarz auf Weiß
Dieser Beitrag ist zuerst in unserer Magazin­reihe „IT & Karriere“ erschienen. Einen Über­blick mit freien Down­load-Links zu sämt­lichen Einzel­heften be­kommen Sie online im Presse­zentrum des MittelstandsWiki.

Manche Auftraggeber neigen dazu, das Projekt mit dem Freelancer telefonisch zu vereinbaren, und dann beiläufig hinzuzufügen: „Ich lasse Ihnen von der Personalabteilung dann noch schnell einen Vertrag zuschicken.“ Die richtige Antwort darauf lautet nicht: „Super, den schicke ich Ihnen gleich unterschrieben zurück“, sondern eher: „Danke, den lese ich mir durch.“ Es ist in jedem Fall sinnvoll, den Vertrag zunächst sorgfältig durchzulesen und bei Bedarf auch mal Korrekturwünsche anzumelden.

So sollte der Vertrag auch steuerrechtlich korrekt ausgeführt sein, also beispielsweise die vom Auftragnehmer festgesetzte Umsatzsteuer berücksichtigen. Bei vielen Projekte können außerdem Spesen und Reisekosten anfallen. Berücksichtigt der Vertrag diesen Umstand oder geht der Auftragnehmer stillschweigend davon aus, dass alle Zusatzkosten mit dem Gesamthonorar abgedeckt sind? Was nicht im Vertrag steht, lässt sich später kaum oder nur umständlich abrechnen.

Leistungen definieren

Achten sollte man auch darauf, ob das Arbeitspaket oder die Leistung, über die man vielleicht am Telefon gesprochen hat, im Vertrag klar und eindeutig definiert ist. Auch die Laufzeit des Projekts und etwaige Abgabetermine sollten hier fixiert sein. Dieser Punkt kann dann relevant werden, wenn am Projektende zahlreiche Verbesserungswünsche nachgereicht werden.

Ein weiterer Aspekt, der gerade für Freelancer aus dem Kreativbereich wichtig ist, betrifft das Thema geistiges Eigentum und Urheberrechte. Man sollte beim Lesen des Vertrags prüfen, dass sich der Auftraggeber nicht etwa sämtliche Nutzungsrechte für alle Zeiten exklusiv sichert. In den meisten Fällen ist dies für den Freiberufler ungünstig. Er kann dann beispielsweise bestimmte Elemente des Webdesigns nicht mehr für andere Jobs nutzen. Und der erste Auftraggeber setzt die Design-Idee vielleicht auch für andere Websites ein, ohne dafür zu zahlen. Jeder Freiberufler, der Inhalte oder geistiges Eigentum produziert, sollte auf diesen Punkt sein Augenmerk richten und gegebenenfalls auf eine für ihn zumutbare Regelung dringen.

Freiberufler haben durchaus Grund, selbstbewusst aufzutreten. Das meint zumindest Hartmut Lüerßen, Partner des Marktforschungsunternehmens Lünendonk & Hossenfelder (ehemals Lünendonk). „Es ist dringend an der Zeit, dass die Öffentlichkeit die IT-Freelancer als ein Vorbild für die Arbeit in der digitalen Zukunft erkennt. Diese Experten gestalten die digitale Zukunft, verdienen gutes Geld mit ihrer Selbstständigkeit und machen die Wirtschaft flexibler“, sagt Lüerßen.

Scheinselbstständigkeit und Haftung

In den letzten Jahren immer mehr an Bedeutung gewonnen hat das Problem der Scheinselbstständigkeit. Hier ist ein externer Mitarbeiter nur scheinbar frei, in Wirklichkeit arbeitet er wie ein abhängig Beschäftigter, ohne dass der Auftraggeber seine Sozialabgaben bezahlt. Es ist ein Irrtum zu glauben, das sei allein das Problem der Unternehmen. Wenn nämlich die Deutsche Rentenversicherung ein sogenanntes Statusfeststellungsverfahren beim Auftraggeber startet, drohen auch dem externen Mitarbeiter Unannehmlichkeiten. Er muss Formulare ausfüllen, Fragen zum Arbeitsverhältnis beantworten sowie Belege, Verträge und Rechnungen vorzeigen. (Wie sich das Problem umgehen lässt, erklären wir im Kasten.)

Risiko Scheinselbstständigkeit

So vermeiden Freelancer Ärger mit Behörden
Unternehmen, die über einen längeren Zeitraum freie Mitarbeiter beschäftigen, geraten leicht ins Visier der Deutschen Rentenversicherung. Diese leitet dann eine Prüfung zur Scheinselbstständigkeit der externen Mitarbeiter in die Wege. Auch für die betroffenen Freelancer kann diese Prüfung Unannehmlichkeiten zur Folge haben. So sind mehrseitige Formulare auszufüllen, detaillierte Fragen zum Arbeitsverhältnis zu beantworten, Nachweise zu beschaffen und einiges mehr. Wenn die Hausjuristen des Unternehmens nervös werden, kann es auch passieren, dass der betreffende Freiberufler keinen Auftrag mehr bekommt.

Das Risiko der Scheinselbstständigkeit steigt, wenn folgende Kriterien gegeben sind:

  • Der Freelancer ist regelmäßig im Betrieb anwesend, hat einen eigenen Arbeitsplatz und vorgegebene Arbeitszeiten.
  • Das Unternehmen stellt dem Externen alle Arbeitsmittel und Werkzeuge zur Verfügung.
  • Der Freelancer bekommt eine eigene Telefonnummer und eine E-Mail-Adresse. Außerdem taucht er im Telefonverzeichnis auf.
  • Ein Mitarbeiter des Unternehmens, beispielsweise der Abteilungsleiter, erteilt dem Freelancer Anweisungen (Weisungsbefugnis).
  • Der Freiberufler darf nicht selbst entscheiden, wann und wo er seine Aufgaben erfüllt.
  • Der Freelancer nimmt regelmäßig an Meetings teil, die seine Tätigkeit gar nicht betreffen.
  • Er bekommt Einblick in die Ordner im IT-Netzwerk und hat deshalb Zugriff auf interne Unternehmensinformationen.
  • Der Hauptanteil des Einkommens stammt von einem einzigen Auftraggeber.

Keine Sorge, es handelt sich nicht gleich um Scheinselbstständigkeit, wenn man eine Mail-Adresse des Unternehmens hat oder im Rahmen des Projekts an einem Meeting teilnimmt. Wenn jedoch mehrere der oben aufgeführten Kriterien zutreffen, sollte man die Art und Weise der Zusammenarbeit schnell korrigieren.

Und schließlich sollten Sie checken, was der Vertrag zum Thema Haftung sagt. Auch wenn es sehr unwahrscheinlich ist: Wenn ein Projekt schief läuft, der Auftraggeber dadurch Geld verliert und den Freelancer dafür verantwortlich macht, könnte dies teuer werden. Eine Berufshaftpflicht- und eine Vermögensschaden-Versicherung federn etwaige Ansprüche ab.

Davor und danach

Die Arbeit am Projekt beginnt meistens, wenn die Tinte unter dem Vertrag noch nicht trocken ist. Überflüssig zu sagen, dass ein faires Miteinander bei der täglichen Zusammenarbeit nicht nur mehr Spaß, sondern auch bessere Ergebnisse bringt. Die Zeichen für eine erfolgreiche Kooperation setzt bereits das erste Briefing. Als Freelancer darf man erwarten, dass dieses ausführlich, detailliert und klar ausfällt. Dazu gehört übrigens, dass sich auch der Auftraggeber an das vereinbarte Konzept hält.

Pluspunkte sammelt der Auftraggeber, wenn er den externen Mitarbeiter zwischendurch unterstützt, beispielsweise, indem er weiterführende Kontakte zur Verfügung stellt oder hilfreiche Weblinks schickt. Und manche Auftraggeber, die es besonders gut mit ihrem freien Mitarbeiter meinen, geben nach Projektende konstruktives Feedback oder spenden sogar ein Lob. Das freut dann umso mehr, wenn es ehrlich gemeint ist.

Extrawünsche und Eilaufträge

Manchmal meldet der Auftraggeber zum Schluss noch Zusatzwünsche an, die anfangs gar nicht vereinbart worden waren. David R. kennt das: „Am Telefon heißt es dann: Könnten Sie vielleicht noch schnell …“ In solchen Fällen sollte man sich nicht scheuen, einen Zuschlag auf das Honorar zu erbitten. Wer dies in einem ruhigen, freundlichen und sachlichen Ton tut, muss auch nicht fürchten, dass einen das Gegenüber am Telefon für einen geldgierigen Halsabschneider hält.

Ganz ähnlich gilt das auch für Einzelaufträge über das Wochenende. Da klingelt Freitagnachmittag um 14 Uhr das Telefon und der Projektleiter aus dem Unternehmen berichtet, dass ein Mitarbeiter krank geworden sei, man aber einen bestimmten Meilenstein bis Montagnachmittag beim Kunden präsentieren müsse. Wer als Freelancer für den Feuerwehreinsatz übers Wochenende einspringt, darf dafür auch einen angemessenen Zuschlag auf das Honorar verlangen. Natürlich sind hier Fingerspitzengefühl und Diplomatie gefragt. Und sicherlich gibt es Fälle, in denen langjährige und faire Zusammenarbeit mit einem Unternehmen den Freiberufler dazu bewegen, solche Aufgaben auch mal ohne finanziellen Zuschlag zu erledigen. Hier muss jeder selbst entscheiden und abwägen, was die beste Strategie ist.

Arbeitsproben

Eine eher unangenehme Erfahrung, die schon viele Freelancer machen mussten, ist die Forderung nach einer Arbeitsprobe. Da soll dann beispielsweise der Web-Entwickler einen bestimmten Code für den Webshop schreiben, um zu zeigen, dass er sein Handwerk beherrscht. Solchen Forderungen ist mit Vorsicht zu begegnen. Es wird von Fällen berichtet, in denen Unternehmen diesen Code in ihre Seite einbauen – und nie wieder etwas von sich hören lassen. Kostenlos sollte man diese Probearbeit also nur im Ausnahmefall oder nach sorgfältiger Überlegung abliefern. Wer zum ersten Mal für einen großen Auftraggeber arbeitet und ein besonders lukratives Projekt am Haken hat, der mag sich darauf einlassen. „In den meisten Situationen ist ein Mindesthonorar für die Arbeitsprobe angemessen“, meint dazu aber David R., bei diesem Thema selbst ein gebranntes Kind.

Ich bin so frei

Die Bringschuld in Sachen gute Zusammenarbeit liegt aber nicht allein beim Auftraggeber. Auch der Freiberufler kann eine Menge beitragen. Er sollte bei jedem Projekt sein Bestes geben, immer sachlich und professionell kommunizieren, sein Gegenüber im Unternehmen nicht durch ständige unnötige Anfragen nerven, und vor allem pünktlich und zuverlässig sein. Dann stehen die Chancen gut, dass die Zusammenarbeit für beide Seiten angenehm verläuft – und der Job obendrein Spaß macht.

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