LWL-Messung: Wie OTDR-Geräte für saubere Messungen sorgen

Für die professionelle Er­stellung und Ab­nahme von High­speed-LWL-Back­bones sind hoch­wertige Werk­zeuge zur Mes­sung der LWL-Steck­verbinder un­erläss­lich. Denn ohne exakte Strecken­charakteri­sierung wird die Migration auf höhere Über­tragungs­raten auf WAN-Strecken und im Rechen­zentrum schnell zum Albtraum.

Transparente Glasfaserstrecken

Von Thomas Friedrich, Viavi Solutions

Die Genauigkeitsanforderungen bei der Dämpfungsmessung von Lichtwellenleitern nehmen aufgrund der höheren Bitraten immer weiter zu. So werden bei Installationen ab 10 GBit oder 16 GBit fast zwingend Stichproben und Dokumentationen der Steckerstirnflächen gemäß IEC-61300-3-35 erforderlich. Sie verlangen Dämpfungsmessungen nach Tier 1, die sich mit remote kommunizierenden Messgeräten durchführen lassen. Die zusätzlich geforderten Tier-2-Messungen mit fortschrittlichen OTDRs (Optical Time Domain Reflectometer) ermöglichen auch klare Messprozesse für Mehrfaserverbindungen (MPO), da dank Breakout-Box ein Umstecken auf die zwölf Einzelfasern des MPO-Steckers überflüssig wird. Das OTDR schaltet automatisch über einen USB-Port sequenziell auf alle zwölf Fasern um und legt die Einzelergebnisse strukturiert ab. Damit entfällt die Gefahr der zunehmenden Steckerverschmutzung durch Umstecken.

Technische OTDR-Details

Das Grundprinzip der OTDR-Messung beruht darauf, dass auch an ideal gefertigten Glasfasern an jeder Stelle im Kristallgitter des SiO2-Materials über den gesamten Streckenverlauf immer ein kleiner Teil der vorwärts laufenden transversalen Lichtwelle des OTDR-Pulses reflektiert wird (Raleigh-Streuung). Dieser rückgestreute Puls wird wieder eingefangen und am OTDR-Messport über einen Richtkoppler auf eine Empfangsdiode geleitet. Durch die Kenntnis des Lichtausbreitungskoeffizienten lässt sich so jeweils der genaue Ort errechnen, an dem der Puls reflektiert wurde. Da das Licht auf dem Hin- und Rückweg mit zunehmender Entfernung stärker gedämpft wird, bildet sich bei einer idealen Faser mit logarithmischer Leistungsdarstellung auf dem OTDR-Display eine abfallende Gerade. Die Schräglage ist ein Maß für die Dämpfung pro Kilometer (dB/km).

Zur Ermittlung der Steckerdämpfung bildet sich im OTDR-Diagramm eine Rückstreunadel mit der Länge des Pulses plus der Totzone sowie einer kleinen Stufe nach unten (der Dämpfung des Steckers). Anders als bei Kupfer-TDR gibt es bei OTDR nur Ausschläge nach oben. Je höher der Ausschlag an einer Inhomogenität, desto stärker die Rückstreuung und desto schlechter (kleiner) der ORL-Wert an der Stelle. Bei der Totzone ist dabei zwischen der Ereignis- und der Dämpfungstotzone zu unterscheiden. Erstere beschreibt den minimalen Abstand zweier reflektiver Ereignisse, um diese einzeln sehen zu können. Zweitere beschreibt die Entfernung hinter einem reflektiven Ereignis, nach der ein Dämpfungsereignis (Spleiß) frühestens erkannt werden kann.

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OTDR-Kurve: Dämpfung zeigt den Verlust zwischen zwei Orten auf der Faser. (Bild: Viavi Solutions Deutschland)

Nicht selten wird auf dem OTDR Streckentrace eine scheinbare Verstärkung ausgewiesen. Dabei handelt es sich um einen Sprung der abfallenden Raleigh-Geraden nach oben. Ursachen dafür können beispielsweise schlechte Spleiße oder das Aufeinandertreffen von 50-µm- und 62,5-µm-Fasern oder OM2- gegen OM4-Faser sein.

Da heutige Singlemode-Schrägschliffstecker weit über 60 dB Reflexionsdämpfung aufweisen, ist klar, dass im OTDR-Trace keine Nadelausschläge, sondern maximal Dämpfungsstufen zu sehen sind. Ein APC-Stecker mit 65 dB ORL und 0,05 dB Dämpfung ist dann kaum von einem Spleiß zu unterscheiden. Zudem zeigt das Streckenende einer APC-Installation keinen Ausschlag nach oben, sondern eine Treppenstufe ins Rauschen. Der PC-Glas-Luftübergang hat ORL = 14 dB. Wenn ein solcher Wert im Verlauf der Strecke ausgewiesen wird, handelt es sich um einen Luftspalt.

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Schwarz auf Weiß
Dieser Beitrag erschien zuerst in unserer Magazin­reihe „Rechenzentren und Infrastruktur“. Einen Über­blick mit freien Down­load-Links zu sämtlichen Einzel­heften bekommen Sie online im Presse­zentrum des MittelstandsWiki.

Herausforderungen der Messung

Das Messen mit dem OTDR-Gerät stellt einige spezifische Anforderungen. So sollte etwa der erste Patchfeldübergang deutlich vom Messgeräteanschluss separiert werden. Dies lässt sich über den Einsatz einer Vorlauffaser erreichen, die deutlich länger ist als die maximal verwendete Pulslänge. Bei Multimode dient die Vorlauffaser auch dazu, den Puls EF-konform (Encircled Flux) in die Faser zu bekommen.

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Moderne Lösungen wie der OLTS-85P erlauben Tier-1-Messungen zusammen mit IEC-61300-35-Nachweis. (Bild: Viavi Solutions Deutschland)

Darüber hinaus sollte nicht nur von einer Seite gemessen werden. Denn der Patchfeldübergang am offenen Ende, insbesondere bei einer Geradschliffausführung, kann nicht quantifiziert werden, ohne dass man dort eine Nachlauffaser anschließt. Ohne Nachlauffaser kann die Dämpfung des Übergangs nicht angegeben werden, da die Messkurve am Übergang stark ansteigt (Reflexion) und nach Pulslänge und Totzone nur das Grundrauschen des Messgerätes anzeigt. Will man einen gültigen Leistungscursor hinter das letzte Patchfeld setzen, benötigt man eine Nachlauffaser. Wer auf eine Nachlauffaser verzichtet, muss folglich die Strecke von beiden Seiten messen. Bei der umgekehrten Messung wird das zuvor nicht quantifizierte Ende zum Anfang der Strecke mit vorgeschalteter Vorlauffaser. Mit dieser Zweiseitenmessung wird die exakte Spleißdämpfung ermittelt, die richtungsabhängig fast immer unterschiedlich ist.

Lückenlose Dokumentation

Durch die zunehmenden Genauigkeitsanforderungen muss zur vollständigen Beschreibung von Glasfaserstrecken das Streckenprofil mit OTDRs aufgenommen werden (Tier-2-Messung), die genügend kleine Totzonen ausweisen und professionelle Dokumentationsmöglichkeiten bieten. Bei der Messung gilt: Sind die Signalrichtungen nicht vordefiniert, sollte gleich bidirektional gemessen werden. Bei Mehrfaserverbindungen ist zudem eine strukturierte Dokumentation mit automatischem MPO-Messumschalter zu empfehlen. Im besten Fall bringen klar definierte Prozesse wie Viavi-CertiFi die Messergebnisse dann in die Cloud und lassen sich bequem in das Kabelinfrastrukturmanagement einbetten.

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Dipl. Ing. Thomas Friedrich ist Consultant und Focal Account Manager bei VIAVI Solutions mit einem nebenberuflichen Lehrauftrag für Kommunikationstechnik an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg. VIAVI ist ein weltweit führender Anbieter sowohl für die Bereitstellung von Netzwerkdiensten als auch von Produkten und Lösungen für optische Sicherheit und Performance. VIAVI bedient damit eine breites Kundenspektrum, von den weltweit größten Betreibern von Mobilfunknetzen über Behörden und Anbieter von Enterprise-Netzen und Anwendungen bis zu den Installateuren, die die Glasfasern verlegen und Funkmasten errichten.


VIAVI Solutions Deutschland GmbH, Arbachtalstraße 5, 72800 Eningen u.A., Tel.: 07121-86-0, sales.germany@viavisolutions.com, www.viavisolutions.de

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