Markenaufbau im industriellen Mittelstand

Geschäftsleute vertrauen Taten

Von Jan Welke, Welke Consulting

Markenführung ist für alle Geschäftsführer und Marketing-Leiter von Konsumgüterherstellern ein fester Bestandteil der Strategie. Das ist logisch, richten sich deren Produkte doch direkt an den Endverbraucher – und der greift eher zum Markenprodukt. Seit einigen Jahren betreiben aber auch immer mehr Unternehmen aus dem B2B-Sektor konsequente Markenführung, darunter auch viele Industrieunternehmen.

Der Trend zum Markenmanagement in B2B-Unternehmen ist seit mehreren Jahren zu beobachten. Die Hauptursache hierfür liegt in der Tatsache begründet, dass der globale Wettbewerb es Industrieunternehmen kaum noch ermöglicht, sich über die alten Werte von der Konkurrenz abzuheben: Mit Qualität, Flexibilität und Zuverlässigkeit sticht man nicht mehr hervor. Wer das nicht leistet, hat auf den Weltmärkten ohnehin keine Daseinsberechtigung.

Wo wir stehen, ist die Marke

Auch über die Produkte selbst ist es in der Regel kaum noch möglich, sich vom Wettbewerb abzugrenzen. Gründe dafür sind global vernetzte Märkte, weltweit verfügbares Know-how dank Internet und allgemein gültige Normen. Daher sind immer mehr Industrieunternehmen auf der Suche nach einer eigenen Identität, die sie nach Möglichkeit von Wettbewerbern abgrenzt, wenn nicht sogar einzigartig macht.

Aber, und hier liegt die Krux, eine Unternehmensmarke kann man nicht „machen“. Sie ist entweder vorhanden, dann kann man sie profilieren und ihre Eckpfeiler stärker kommunizieren – oder eben nicht.

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Jan Welke ist Experte für Markenführung und Inhaber der Welke-Consulting-Gruppe mit Sitz in Siegen. Diese betreut viele namhafte mittelständische B2B-Unternehmen in den Bereichen Branding, Strategie, Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, Werbung, Digital- und Telemarketing.


Welke Consulting GmbH & Co. KG, Garnisonsring 33, 57072 Siegen, Telefon 0271-3135-0, Fax 0271-3135-199, info@welke-consulting.de, www.welke-consulting.de

Eine Marke wird immer nur von Innen heraus entstehen können. Denn das Markenimage – und das ist es ja, was ein Unternehmen eigentlich zur Markenbildung treibt – ist nicht allein der perfekte Auftritt oder das ansprechende Corporate Design. Es ist die Summe aller Erlebnisse, die Kunden, Mitarbeiter, Lieferanten und alle anderen Personen bei irgendeinem Kontakt mit dem Unternehmen haben. Daher müssen sich Unternehmen immer zuerst fragen, wofür sie eigentlich stehen und wie konsequent sich diese „Werte“ im täglichen Denken und Handeln – und zwar auf allen Ebenen – wiederfinden. Wer seine Marke nicht lebt, wird nie eine sein.

Emotionen gehen vor Fakten

Untersuchungen zufolge machen Emotionen über 75 % der Erstkaufanreize aus. Dazu ein Beispiel aus dem B2C-Bereich: Der Phaeton war seinerzeit einem 7er-BMW, einer S-Klasse oder einem Audi A8 ebenbürtig, wenn nicht gar überlegen. Da aber niemand VW die Premiummarke abnahm, war das Auto ein Flop. Bentley gehört zwar auch zu VW, wird aber unter der ursprünglichen Markenpositionierung geführt – und das macht den Unterschied.

Im B2B-Sektor spielen die Emotionen eine ebenso große Rolle: Nur die wenigsten Einkäufer werden dauerhaft das technisch beste und dabei preisgünstige Produkt abnehmen, wenn es häufig zu Lieferverzögerungen kommt oder sie ihre Kontaktpersonen beim Zulieferer als unfreundlich bis arrogant empfinden, diese stets schlecht zu erreichen sind oder auf deren Aussagen kein Verlass ist.

Anders als im Konsumgüterbereich

Hinter B2B-Produkten stehen Unternehmen. Sie kaufen als Kunde bei einem Unternehmen, weil Sie zu dem Unternehmen Vertrauen aufbauen. Und sei es nur zu einem bestimmten Repräsentanten. Im B2B-Sektor erfolgen die meisten neuen Kontakte immer noch persönlich, sprich: durch den Vertrieb respektive Außendienst. Daher wird auch die Wahrnehmung der Marke stark durch die Mitarbeiter bestimmt.

B2C-Marken hingegen sind reine Verkaufshüllen: Nike produziert genauso wenig seine Schuhe selbst wie C&A seine Pullover. Hier werden tatsächlich virtuelle Markenwelten aufgebaut. Die Konsumenten interessiert das Unternehmen dahinter kaum. Sie kaufen Ihre Creme nämlich gar nicht bei Nivea – pardon, bei Beiersdorf – sondern bei dm, Rossmann oder Edeka. Ihre Druckmaschine kaufen Sie aber direkt bei HeidelDruck oder Koenig & Bauer.

Internal Branding und Identität

Gerade weil der persönliche Kontakt bei der Markenwahrnehmung eines B2B-Unternehmens eine so große Rolle spielt, ist ein konsequentes internes Markenmanagement (neudeutsch: Internal Branding) ein wichtiger Bestandteil der Markenführung in B2B-Unternehmen. Hier ist es nicht nachvollziehbar, wenn Unternehmen viel investieren, damit die Marke – oberflächlich – nach außen wirkt, dabei aber versäumen, den eigenen Mitarbeitern zu vermitteln, was ihre Marke eigentlich ausmacht.

Sicher gehören zu einem einheitlichen Marktauftritt ein ansprechendes Corporate Design, ein einprägsames Logo mit treffendem Claim, eine unternehmenseigene Farbwelt, ein entsprechend lackierter Fuhrpark, aufeinander abgestimmte Werbemaßnahmen und viele andere operative Aspekte der Markenführung. Aber das, was die Identität einer Marke wirklich ausmacht, wofür das Unternehmen eigentlich steht, darf nicht unklar bleiben – nicht dem Kunden und schon gar nicht den eigenen Mitarbeitern. Im besten Fall wissen die Mitarbeiter, was von ihnen aus Markensicht erwartet wird, und fühlen sich zudem verpflichtet, in diesem Sinne zu handeln.

Markenmanagement im B2B-Bereich

Für ein erfolgreiches Markenmanagement im B2B-Sektor gibt es keine konkreten Handlungsanweisungen, Checklisten oder Maßnahmenkataloge. Eine allgemein gültige Definition dessen, was Markenmanagement konkret bedeutet und welche Maßnahmen zu berücksichtigen sind, findet man selbst in den vielen Fachpublikationen zum Thema nicht. Die meisten Unternehmen wenden sich daher hilfesuchend an Agenturen, die in den letzten Jahren zahlreich das Thema besetzen. Leider machen die meisten Agenturen aber trotzdem keine Markenführung, sondern einfach Marketing und Werbung.

Umfassende Strategie

Unabhängig davon, ob man das Thema selbst besetzt oder sich einer externen Agentur bedient, steht am Anfang einer konsequenten Markenführung die ganzheitliche Betrachtung des Unternehmens und seines Umfeldes. Der Ausgangspunkt ist die ureigene Unternehmenskultur. Diese basiert in der Regel auf einem oft unbewusst entwickelten oder aus der Historie mitgeführten Wertesystem. Dies ist noch nicht die Marke, aber ihre Keimzelle. Im Zuge der Markenführung geht es dann darum, diese Keimzelle ans Tageslicht zu führen, zum Leben zu erwecken und nachhaltig wachsen zu lassen.

Dabei ist die Bandbreite der Faktoren, die einen erheblichen Einfluss auf den Erfolg einer Markenstrategie haben, enorm. Unzählige Themenfelder, von personalpolitischen Entscheidungen und Expansionsplänen über Markterschließungsstrategien oder Produktpolitik bis hin zu finanz- und betriebswirtschaftlichen Überlegungen zur Unternehmensausrichtung, müssen bei einer ganzheitlichen Markenstrategie berücksichtigt werden. Eine Marke ist wie ein sensibles Ökosystem. Die Veränderung eines einzigen Parameters hat unter Umständen Einfluss auf das gesamte Markengebilde. Wer dies nicht im Blick hat, riskiert empfindliche Fehlinvestitionen und im schlimmsten Fall erhebliche Schäden bei der Kundenzufriedenheit oder der eigenen Reputation und somit auch in der Wertschöpfung.

Wichtige Voraussetzungen

Im Rahmen der Implementierung von Markenführung in einem Unternehmen sollten einige wichtige Punkte erfüllt sein. Dazu gehört zu allererst, dass der Kopf des Unternehmens – also der Vorstand, Inhaber oder Geschäftsführer – „Marke“ wollen muss. Marke muss gelebt und vorgelebt werden, von oben nach unten. Eine Führungsebene nach der anderen muss überzeugt werden und überzeugt sein, bevor die nächste Ebene es sein kann.

Des Weiteren muss das vorhandene Wertesystem des Unternehmens und nicht die Wunschvorstellung des Managements die Keimzelle der Marke sein. Wichtig ist zudem, dass die Markenidentität glasklar und möglichst konkret formuliert wird.

Fazit: Agentur am Wertesystem ausrichten

Wenn es um Markenführung geht, kann eine Agentur maximal als eine Art „Markenarchitekt“ fungieren. Es wäre vermessen, das gesamte Gebäude auch noch selbst bauen zu wollen. Oder noch schlimmer: den Bauherrn mit den schönen Bauplänen allein zu lassen und ihn später dafür verantwortlich zu machen, dass das Gebäude nicht so geworden ist wie geplant. Der Generalunternehmer, der heute mit diesem und morgen mit jenem Subunternehmer zusammenarbeitet, ist für den Bau eines komplexen Markengebäudes sicher ebenso unangebracht.

Wenn eine Agentur die Rolle des Markenarchitekten einnimmt, ist es unabdingbar, dass sie auch die Bauleitung übernimmt, d.h. sämtliche Gewerke im Blick behält und diese koordiniert. Hauptaufgabe der Agentur ist, das vorhandene Wertesystem zu identifizieren und es von der Geschäftsführung bis zum geringstqualifizierten Mitarbeiter zu kommunizieren und konkret lebbar zu machen. Dafür bietet sich eine Vielzahl von Kommunikations-, Führungs-, Personal- und strukturellen Instrumenten an.

Markenführung ist kein Projekt, sondern ein Prozess, der aktiv betrieben werden muss. Eine Marke verändert sich, wie sich auch ihr Umfeld ändert. Ähnlich wie sich ein Mensch in seinem Leben verändert. Was bei einer Marke genau wie beim Menschen bleibt, ist der ureigene Charakter, respektive Markenkern. Eine Marke, die ihrem Kern treu bleibt, ist authentisch und wird Erfolg haben.

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