Multisensorik und Optik: Wann kaufwillige Kunden große Augen machen

Unser Gehirn ist besessen von Ästhetik und Schönheit. Gut aussehende Personen erhalten höhere Gehälter. Sie genießen mehr Ansehen und mehr Vertrauen. Und sie werden schneller befördert. Wer solche Spiel­regeln kennt, kann auch in der Welt der Produkte, der Marken und des Designs ordentlich punkten.

Anschauen macht scharf aufs Kaufen

Von Anne M. Schüller, Anne M. Schüller Management Consulting

Hässlichkeit verkauft sich schlecht. Wohlgeformte Produkte und optische Schönheit hingegen erzeugen Verlangen. Beides sorgt auch für mehr Preistoleranz. Verbunden mit einer wegweisenden Technologie ist ein ansprechendes Design dann unschlagbar. In der Industrie 4.0 wird es dazu ein reiches Betätigungsfeld geben.

Erkennen aktiviert mentale Konzepte

So wie wir vom Schriftbild einer Speisekarte auf die Kochkünste des Maîtres schließen, so schließen wir aufgrund von Farbe, Schriftzug und Machart einer Broschüre auf die Leistungsfeatures einer Maschine. Ist die Typo grob, erwarten wir eine bodenständische Küche. Feine, elegante Schriften deuten auf Sterne-Niveau. Auch in Online-Shops schließen wir vom Look & Feel auf die Qualität und den Preis.

Farben sorgen für einen Wettbewerbsvorteil. So haben einige Unternehmen eine Farbe derart in Besitz genommen, dass man sie sofort mit ihnen verbindet. Denn Farben kommunizieren. Sie symbolisieren Stimmungen und lassen auf Eigenschaften schließen. So sprechen wir von kalten und von warmen Farben. Rot ist warm, aber auch aggressiv. Es ist die Farbe des Handelns. Blau wirkt seriös und steht für Kühle und Distanz. Grün ist beruhigend, die Farbe der Natur, der Harmonie, der Gesundheit.

Kräftiges Gelb und grelles Orange sind Signalfarben, sie vitalisieren und stehen für Optimismus, aber auch für Schnäppchen und Sonderpreise. Silber steht für Technologie und Effizienz. Schwarz und Gold sind die Farben der Macht und des Luxuslebens. Farben wirken übrigens noch emotionaler, wenn man ihnen bildhafte Namen gibt, also zum Beispiel Pechschwarz, Kornblumenblau, Kirschrot oder Pfefferminzgrün.

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Anne M. Schüller ist Managementdenker, Keynote-Speaker, mehrfach preisgekrönte Bestsellerautorin und Businesscoach. Die Diplom-Betriebswirtin gilt als führende Expertin für das Touchpoint Management und eine kundenfokussierte Unternehmensführung. Zu diesen Themen hält sie Impulsvorträge auf Veranstaltungen und Fachkongressen. 2015 wurde sie für ihr Lebenswerk in die Hall of Fame der German Speakers Association aufgenommen. Vom Business-Netzwerk LinkedIn wurde sie zur Top-Voice 2017/2018 und vom Business-Netzwerk Xing zum Xing-Spitzenwriter 2018 gekürt. Ihr Touchpoint Institut bildet zertifizierte Touchpoint Manager sowie zertifizierte Orbit-Organisationsentwickler aus.


Anne M. Schüller Marketing Consulting, Harthauser Str. 54, 81545 München, 089-6423208, info@anneschueller.de, www.anneschueller.de, www.touchpoint-management.de

Jeder Erfolg hat seine Lieblingsfarbe

Farbpräferenzen sind geschlechterspezifisch. Und, nein, die Lieblingsfarbe der Frauen ist nicht Pink. Bei Männern steht Pink sogar am Ende der Beliebtheitsskala. Darum nennt die Telekom ihre Markenfarbe wohl nicht Pink, sondern Magenta. Klarer Favorit bei beiden Geschlechtern ist übrigens Blau, gefolgt von Rot und Grün.

Blau ist deshalb auch die Farbe der Weblinks. Professionelle Online-Anbieter haben sogar intensiv ausgetestet, welcher Blauton am besten performt. Und ein Experiment der Marketing-Plattform Hubspot hat ergeben, die beste Farbe für Call-to-Action-Schaltflächen sei Rot. Diese erzielten über 21 % mehr Aufmerksamkeit als grüne Schaltflächen.

Entspricht eine Farbe nicht den Erfahrungen und Erwartungen, ist man verwirrt. So darf ein Vanilleeis nicht schokobraun sein. Und ein Himbeereis braucht ein entsprechendes Rot. Rot signalisiert Reife und Süße. Gelb verbinden wir mit Zitronenaroma, Grün mit einem säuerlichen oder herben Geschmack. Das erklärt zum Beispiel, weshalb in der Gummibärchentüte doppelt so viele rote wie grüne Exemplare stecken.

Serie: Multisensorik
Die Einführung gibt einen ersten Überblick und erklärt, warum Unternehmen möglichst viele Sinne ansprechen sollten. Im zweiten Teil geht es ums Anfassen, also darum, welch starke Beziehung die Berührung von Produkten mit der Hand stiftet. Danach gibt es was auf die Ohren: Sounddesigner entwerfen den Klang von Autotüren und Knusperkeksen – und sorgen dadurch für Umsatz. Als Nächstes sind die Augen an der Reihe: Farben, Formen und Gesichter prägen unser gesamtes Erleben. Der letzte Beitrag widmet sich dem Duftmarketing und führt die Kunden an der Nase zur Kasse.

Menschen schauen zuerst auf Menschen

Wenn unser Hirn sich Bilder anschaut, sucht es darin immer zuerst nach Menschen. Das wurde mit Augenkameras ausgetestet. Menschen haben Vorrang vor Dingen. Ein Gesicht zieht jeden Betrachter wie magisch an, und im Gesicht sind es besonders die Augen. Also gilt es, dafür zu sorgen, dass das Gesicht dorthin schaut, wo ein wichtiger Inhalt ist. Warum das funktioniert? Vollautomatisch folgen wir der Blickrichtung eines anderen Menschen, denn vielleicht sieht der etwas, was wir nicht sehen können.

Solches Wissen kann auch den Produkten helfen, die Sie verkaufen wollen. Blättern wir beispielhaft durch das Prospektmaterial für einen Kran. Da steht er in seiner Herrlichkeit. Von unten fotografiert, schön und nagelneu ragt er beeindruckend hoch in den stahlblauen Himmel. Zahlen über Zahlen zeugen von der Ingenieurskunst des Herstellers und messen eitel seine Dimensionen.

Doch das Führerhaus: leer! Niemand da, der dieses Prachtstück beherrscht. Dem frischgebackenen Kranführer mag es mulmig werden, das Ding ist ihm (noch) eine Nummer zu groß. Und was wird er sagen? „Zu teuer, das Teil. Der alte tut’s noch ’ne Weile.“

Wie sich der Kran emotionalisieren lässt? Man bringt den Kranführer groß raus! Man zeigt also, wie er das Gerät souverän meistert und wie er sich dabei fühlt. In die Computersimulation wird das Gesicht des potenziellen Kunden hineinmontiert. Wie wichtig uns das eigene Foto ist, zeigt schon die nicht enden wollende Selfie-Manie.

Der Sehsinn in der digitalen Welt

Auch im Internet funktionieren Bilder mit Menschen am besten. Selbst grafische Stellvertreter (Avatare) und menschenähnliche interaktive Helfer werden, wie WhiteMatter Labs bei Forschungsarbeiten herausgefunden hat, auf der Website als Erstes betrachtet. Auf deren Mimik reagierten die Versuchspersonen mit einer Steigerung der emotionalen Aktivierung.

Und sie folgen den Handbewegungen des virtuellen Beraters. Solches Wissen erschließt den Anbietern die Möglichkeit, die Blicke der Internet-User gezielt zu steuern und das Kauf-Ja zu fördern. Besonders viel Wohlwollen entsteht, wenn der digitale Einkaufsbegleiter nach dem Klick auf einen Aktionsbutton lächelt. Ein deutliches Umsatzplus ist dann die Folge.

Solche Mechanismen werden zum Beispiel via Eye-Tracking ermittelt. Dabei folgt eine Kamera dem Blickverlauf der Probanden und erstellt eine sogenannte Heatmap mit den Punkten, die besonders intensiv betrachtet wurden. So können im Internet verschiedene Motive auf ihre Wirkung hin live getestet und zügig optimiert werden.

VR-Brillen blicken in die Zukunft

Jede Art von Bewegung erreicht unsere Neuronen schneller als statische Informationen. Denn Bewegungen signalisieren dem archaischen Hirn eine potenzielle Gefahr. Andererseits sind Bewegungen sehr faszinierend, weil mehrere Sinne daran beteiligt sind.

Der erwartete Hype von Virtual-Reality-Brillen ist geradezu logisch, wenn man Multisensorik versteht. Denn mehrfach sinnliche Erfahrungen und Mittendrin-Erlebnisse sind nun mal stärker als Texte und statische Fotos. Deshalb wird dieser neue Touchpoint ganz sicher eine Erfolgsstory werden. Denn seine Einsatzmöglichkeiten sind überaus faszinierend.

Doch egal, was damit alles möglich sein wird: Unser Verlangen wird niemals erlöschen, solchen Zauber, soweit machbar, leibhaftig zu erleben, magische Momente einzufangen, den Emotionen freien Lauf zu geben und neue Eindrücke mit eigenen Augen einzufangen. Denn wir Menschen sind Gefühlswesen – durch und durch. Und wir sind Augentiere.

Im letzten Teil dieser Multisensorik-Serie geht es immer der Nase nach: Wie beeinflussen Düfte und Gerüche unser Kaufverhalten?

Nützliche Links

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Das Buch zum Thema ist Anne M. Schüller: Touch.Point.Sieg. Kommunikation in Zeiten der digitalen Transformation. Offenbach: GABAL 2016. 380 S., ISBN 978-3-86936-694-4, € 29,90 (D), € 30,80 (A). – Von ihr gibt es außerdem: Das Touchpoint-Unternehmen. Mitarbeiterführung in unserer neuen Businesswelt. Offenbach: Gabal 2014. 368 S., 29,90 Euro, ISBN: 978-3-86936-550-3, das auf der Frankfurter Buchmesse 2014 zum Managementbuch des Jahres gekürt wurde.