Neupositionierung für Filialisten

Innovation aus Tradition

Von Kuno Kurtz

Derzeit vollzieht sich ein Wertewandel im Konsumverhalten. Ihn kennzeichnet geringeres Streben nach sozialem Aufstieg und nach hohem Einkommen bei gleichzeitig steigendem Familiensinn, bei Gesundheits- und Umweltbewusstsein. Es zieht eine neue Biederkeit ein. Der Konsument zieht sich zurück ins Überschaubare, Familiäre, Kleinräumige, weil u.a. auch die steigenden Energiekosten bei knapper werdenden Kassen zusätzlich die Sorge nähren, den angestammten Lebensstandard nicht mehr halten zu können.

Zwar ist die Sehnsucht nach Nachhaltigkeit Teil eines längerfristigen Wandels in den Verbrauchereinstellungen, doch haben ihn bislang nur wenige Filialisten erkannt und sich darauf eingestellt.

Was Kunden wichtig wird

Seit Jahresbeginn 2009 vollzieht sich im Markt ein grundlegender Wandel der Konsumenteneinstellungen, dessen Folgen für den Konsum beispielsweise an Merkmalen wie Individualismus, Selbstverwirklichung oder Abkoppelung von traditionellen Bindungen festzumachen ist. Aktuell ist ein auffälliger Trend zu traditionellen Einstellungen, Lebensweisen und Konsumwünschen festzustellen. Verlässlichkeit und Sicherheit, Familie, Gesundheit, Heimat sind wieder wichtiger.

Materieller Wohlstand bleibt zwar erstrebenswert, er definiert sich aber stärker über die Solidität und Qualität von Artikel und Service. Luxus wird nur noch nachgefragt, wenn er nicht übertrieben und auffallend daher kommt, sondern sich mit der Verlässlichkeit paart. Wer diese neue Befindlichkeit bedient, kann auch in der Krise gute Umsätze machen.

Auf Sorge und Sicherheit zielen

Was das Filialgeschäft derzeit besonders herausfordernd macht, sind Artikel, Services und Lösungen im Sortiment, die das ganz besondere Lebensgefühl, das die Verbraucher derzeit umtreibt, treffen und haben.

Beispiel a)

Neue Zielgruppenkreation für einkommensschwache Neuwageninteressierte, die sich bislang nur einen Gebrauchtwagen leisten konnten: Mittelklassewagen der Billigmarke Dacia von Renault für 7500 Euro mit Dreijahresgarantie, die die Fahrzeugfolgekosten stark senken und trotzdem die Kfz-Sicherheit gewährleisten.

Beispiel b)

Deutschland-Tourismus statt in die Ferne, wo die meisten Deutschen schon einmal waren.

Beispiel c)

Der Wegfall der Fertigpackungsverordnung (zum 9. April 2011) erlaubt fast alle Verpackungsgrößen – ausgenommen sind Wein und Spirituosen. Es liegt an den Filialisten, ob die Schokolade jetzt 100 g wiegt, 20 g oder 1 kg. Damit gibt es mehr Möglichkeiten, Einpersonenhaushalten innerstädtisch auch kleine Packungen zu verkaufen. Zudem kann man als Filialist jetzt auf bestimmte Zielgruppenwünsche individueller, gegenüber dem Wettbewerb differenzierter und weniger preisorientiert reagieren. Auch lässt sich damit auf neue Kaufverhaltensweisen reagieren – etwa auf einen anhaltenden Sparwillen der Konsumenten – und man kann mit treffenden Angeboten Marktanteile gewinnen respektive Kunden binden (z.B. mit ganz neuen, kleinflächigen Verkaufsformaten).

Die Problematik besteht darin, nicht nur die eigene Finanzierung im Blick zu behalten, sondern auch die der Kunden und Lieferanten. Denn nur dadurch kann man sicherstellen, dass die ganze Lieferkette weiter floriert.

Beispiel d)

Nach einem Verbot des Arzneimittelverkaufs im Einzelhandel etablieren sich Fachhändler, die für Pillen, Tabletten und Pasten das Automatengeschäft anstreben und damit dem Apotheker neue Erlös- und Ertragsquellen versprechen. Deutschlands größter Arzneimittelhändler expandiert mit Beratungs- und Behandlungsangeboten für chronisch Kranke, die den Krankenkassen mit die höchsten Kosten verursachen.

Notwendige Handlungsfelder

Im Kerngeschäft des Filialunternehmens muss man sich jetzt so aufzustellen, dass es auch unter neuen Rahmenbedingungen profitabel wächst. Dies gelingt, wenn im betrieblichen Filialalltag folgende vier Notwendigkeiten stärker als bisher beachtet werden:

  1. Zeitgemäßes Verändern: Nur wer rechtzeitig umschwenkt, hat noch genug Cash, den Umbau zu finanzieren.
  2. Eigenmarken bei Artikel und Service: Von den Mühen des Anfangs darf sich nicht schrecken lassen, wer die Ernte einfahren will.
  3. Anpassungsfähig sein und bleiben: Eine offene Unternehmenskultur und ein furchtloses Management sind notwendige Bedingungen für Innovationen.
  4. Detaillierte Marktkenntnisse: Je enger ein Filialist beim Anpassen des Geschäftsmodells am Kerngeschäft dran bleibt, desto eher gelingt die Revitalisierung. Am erfolgreichsten agieren Filialisten, die Konkurrenten aus benachbarten Branchen angreifen.

Fazit: Aufstellen, wo gekauft wird

Die bisherigen Ausführungen verdeutlichen einmal mehr, dass es mit kleineren Korrekturen an bekannten Stellschrauben nicht mehr getan ist, um ein rentables Filialunternehmenswachstum zu sichern. Zu gravierend sind die Veränderungen, denen man sich als Filialist stellen muss. Da reicht das Kopieren bekannter Verkaufsformate ebenso wenig wie jene Maßnahmen, die vielfach mit heißer Nadel gestrickt, aus Finanzsicht definiert sind und nicht selten verlustreich im Markt enden.

Man muss sich noch stärker als bisher bewusst machen, dass der Konsument die Musik spielt, der anbietende Filialist aber nur den Taktstock schlagen kann. Ignoriert er das und entscheidet sich weiterhin für von außen aufgedrückte Finanz- statt praxisbewährte Absatzkonzepte, bleiben die Ergebnisse unbefriedigend. Es bedarf jener nachhaltigen Retail-Innovationen, die – so wie bei McDonald’s, Albrecht oder Ikea seit mehr als 30 Jahren tragbar und weltweit multiplizierbar sind. Denn On- und Offline-Verkaufspunkte sind für den Konsumenten bei seiner Bedarfsdeckung inzwischen zu einem festen Bestandteil geworden.

Konzentrieren auf das, was man aus Kundensicht besonders gut kann, muss die Filialistenkernleistung bestimmen. So etwas kann dann wie bei Amazon zu einem maßgeblichen Online- oder wie bei Albrecht zu einem der preis-/leistungsfähigsten Offline-Filialunternehmen führen. Ein Mix aus beidem ist zwar verführerisch, jedoch in gesättigten Märkten äußerst komplex. Viel mehr und stark wettbewerbsvorteilsfördend sind da Investitionen in eine ganz neue Art der Sortimentsgestaltung und -führung, verbunden mit einem anderen Ansatz des die Marktchancen intensiver nutzenden und motivierenden Mitarbeitereinsatzes.

Nützliche Links

Weitere Informationen zum Thema sowie einen Quick-Check für die Filialunternehmensführung finden Sie online bei Kuhn Spezialisten für Filialisten.