Personal- und Organisationsentwicklung in wachsenden Unternehmen: Wie sich wach­sen­de Un­ter­neh­men neu organisieren

Viele mittel­ständische Firmen haben sich in den ver­gan­ge­nen Jahren zu High­tech-Unter­neh­men und Welt­markt­führern entwickelt. Doch hinkt ihre Per­so­nal- und Or­ga­ni­sa­tions­ent­wick­lung oft dem ra­san­ten Fort­schritt des Ge­samt­un­ter­neh­mens hin­ter­her. Dieser Punkt muss drin­gend auf die Tagesordnung.

Gut aufgestellte Firmen finden ihre Fachkräfte

Von Dr. Christoph Kuth, Machwürth Team International

In den zurückliegenden 20 Jahren haben sich viele mittelständische Betriebe von handwerklich geprägten (Produktions-)Firmen zu weltweit tätigen Hightech-Unternehmen entwickelt. Entsprechend stiegen die Qualifikationsanforderungen an ihre Mitarbeiter, und entsprechend wuchs ihre Mitarbeiterzahl – oft weltweit. Mit dieser Entwicklung hat ihre Personal- und Organisationsentwicklung aber meist nicht Schritt gehalten – mit der Folge, dass viele Mittelständler heute mit Problemen kämpfen: Es fällt ihnen schwer, die Mitarbeiter mit der benötigten Qualifikation zu finden und an sich zu binden, und sie haben Mühe, die Qualifikation ihrer Mitarbeiter und ihre Organisationsstruktur so zu entwickeln, dass sie der wirtschaftlichen Entwicklung des Gesamtunternehmens entspricht.

Eine zentrale Ursache hierfür ist: Obwohl sie inzwischen faktisch Großunternehmen sind, stehen ihnen oft Schwierigkeiten im Weg, die für kleine und mittlere Unternehmen typisch sind: Ihnen fehlt eine systematische Organisation. Sie haben wenig Kompetenz in den Bereichen Organisations- und Personalentwicklung. Und ihre Entwicklungsplanung erfolgt meist kurzfristig und gerät, im Daily Business oft in Vergessenheit – sofern sie existiert.

Mehr strategische Denke im Personalbereich

Eine Ursache hierfür ist oft, dass die Personalfunktion gewachsener Mittelständler nicht wie das Gesamtunternehmen gewachsen ist. Deshalb sind die wenigen Personal- und Organisationsentwicklungsexperten meist primär mit Troubleshooting beschäftigt – also mit dem Reagieren auf akute Betriebsprobleme. Für ein konzeptionelles, strategisches Arbeiten haben sie kaum Zeit. Und dabei kämpfen sie vielfach noch mit einem weiteren Problem: Den Top-Entscheidern im Unternehmen ist nicht ausreichend bewusst, dass sich hinter den meisten Betriebsproblemen – wie zum Beispiel mangelnder Qualität – ein Manko bei der Personal- oder Organisationsentwicklung verbirgt. Entsprechend viel Überzeugungsarbeit müssen die Personaler leisten.

Doch diese Situation ändert sich allmählich. Zunehmend findet bei den Entscheidern in den mittelständischen Unternehmen ein Umdenken statt – auch weil sie registrieren, dass ihre Belegschaft heute oft viel heterogener ist als noch zur Jahrtausendwende. Zudem haben die Mitarbeiter häufiger einen akademischen Abschluss, zum Beispiel als Ingenieur oder Betriebswirt. Und diese Mitarbeiter stellen außer an ihren Arbeitgeber auch an ihre Arbeit und Führung andere Anforderungen als die Mitarbeiter in der Vergangenheit.

Deshalb stellen zurzeit viele Mittelständler ihre Personalführungs- und -entwicklungskonzepte auf den Prüfstand. Dabei lautet die zentrale Frage: „Wie können wir unsere Personalarbeit, unsere Unternehmens- und Führungskultur so modernisieren, dass sie einerseits den (Arbeits-)Marktanforderungen entspricht und wir andererseits nicht die Stärken eines mittelständischen Unternehmens verlieren?“

Den Prozess Veränderung angehen

Solche Lösungen zu entwickeln und im Betriebsalltag zu realisieren, erfordert Zeit. In der Regel bildet der Startschuss ein Change-Projekt, das sich in folgenden Schritten vollzieht:

Schritt 1: Ist-Situation erfassen

Zu Beginn der Veränderungsinitiative wird in einer Art Check-up die aktuelle Situation erhoben. Dabei gilt es, unter anderem Antworten auf diese Fragen zu finden:

  • Wie haben sich unsere Personalanforderungen – aufgrund der veränderten Marktanforderungen, unseres Wachstums usw. – verändert?
  • Wie hat sich unsere Mitarbeiterstruktur verändert, und inwiefern haben sich die Bedürfnisse unserer Mitarbeiter gewandelt?
  • Welche Tools, Verfahren etc. setzen wir aktuell unter anderem zur Personalsuche, -auswahl und -entwicklung ein? Sind sie noch angemessen?
  • Wie führen und kommunizieren wir heute in unserem Unternehmen, wie sollten wir künftig führen und kommunizieren?
  • Wie arbeiten wir heute zusammen, wie müssen wir künftig voraussichtlich zusammenarbeiten, um für den Markt gerüstet zu sein?

Das Ziel hierbei: die aktuelle Situation und den Change-Bedarf in der Organisation zu erfassen.

Schritt 2: Zielbild entwerfen

Nach dieser Erhebung gilt es, ein Zielbild zu erarbeiten, das beispielsweise folgende Dimensionen umfasst:

  • Wohin wollen wir uns entwickeln?
  • Wie soll unser Unternehmen in fünf oder zehn Jahren „ticken“ – welche Kultur soll in ihm existieren?
  • Über welche Kompetenzen verfügt unsere Organisation dann? Was sind ihre Stärken?
  • Wie sorgen wir dann dafür, dass wir über die benötigten Mitarbeiter mit der erforderlichen Qualifikation, Kompetenz verfügen?

Schritt 3: Projekt-/Maßnahmenplan erstellen

Aus dem Zielbild und der Analyse der Ist-Situation können (Teil-)Projekte und hieraus wiederum Maßnahmenpläne abgeleitet werden. Dabei gilt es zu beachten:

  • Der Aufbau einer strategischen Personalarbeit und -entwicklung sowie der damit verbundene Kulturwandel ist ein längerfristiger Prozess.
  • Die Change-Kapazitäten jedes Unternehmens sind begrenzt. Denn neben den Entwicklungsarbeiten gilt es, das Alltagsgeschäft zu erledigen.

Entsprechend wichtig ist eine Priorisierung, um die Organisation nicht zu überfordern.

Schritt 4: Veränderungen erfassen und controllen

Kulturelle Veränderungen vollziehen sich langsam. Deshalb ist es wichtig, die (partiellen) Veränderungen systematisch zu erfassen und zu kommunizieren – damit nicht das Gefühl entsteht „Es bewegt sich nichts“ und die Energie erlahmt. Dieses systematische Erfassen ist auch nötig, um zu kontrollieren, ob man (noch) auf dem richtigen Weg ist oder ob Kurskorrekturen nötig sind.

Schritt 5: Teilergebnisse sichern

Das Aufgeben gewohnter Denk- und Verhaltensmuster fällt fast allen Menschen schwer. Entsprechend schnell verfallen sie wieder in ihre alten Gewohnheiten. Deshalb ist es wichtig, sich zu überlegen, sich sicherstellen lässt (mit welchen Tools, Verfahren etc.), dass die Ergebnisse keine Eintagsfliegen bleiben, sondern nachhaltig sind.

Die Führungsmannschaft ins Boot holen

Ein entscheidender, wenn nicht der entscheidende Erfolgsfaktor bei solchen Change-Projekten ist, dass sich im Projektverlauf die Einstellung und das Verhalten der Führungskräfte ändern. Diese sind von Haus aus häufig Techniker und Ingenieure. Und in diesem Bereich liegt auch ihre Passion. Entsprechend ungern befassen sie sich dagegen mit solchen Themen wie Personal- und Organisationsentwicklung. Und der Führungsarbeit messen sie eine eher geringe Bedeutung bei – auch weil es dort so stark menschelt.

Deshalb muss bei solchen Projekten in mittelständischen Unternehmen sichergestellt werden, dass die Entscheider mit im Boot sitzen – und nicht (unbewusst) das Gesamtprojekt torpedieren. Entsprechend wichtig ist es zudem, dass sie regelmäßig ein Feedback zu ihrem (Führungs-)Verhalten und dessen (unbeabsichtigten) Wirkungen erhalten – und zwar von einer neutralen Person, deren Kompetenz sie vertrauen. Denn die Mitarbeiter sind aufgrund der mächtigen Stellung der Eigentümer-Unternehmer in ihren Unternehmen und ihrer existenziellen Abhängigkeit von ihnen meist – zu Recht – sehr vorsichtig mit ihrer Rückmeldung. Sie sagen, was sie stört, dem Chef bestenfalls durch die Blume.

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Dr. Christoph Kuth arbeitet als Senior Consultant für das Machwürth Team International. Vor seiner Beratertätigkeit war er für mehr als 20 Jahre in verschiedenen Branchen und Unternehmen als Führungskraft für die Personal- und Organisationsentwicklung sowie das Inhouse Consulting verantwortlich.


Machwürth Team GmbH, Dohrmanns Horst 19, 27374 Visselhövede, 04262-9312-0, Fax: 04262-3812, info@mwteam.com, www.mticonsultancy.com

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