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Preisschwankungen am Energiemarkt: Warum der Mittelstand planbare Energiekosten braucht

Der Energiemarkt kennt keine Ruhe: Die Strompreise schwanken heftig und Anbieter wechseln ständig ihre Tarife. Doch Mittelständler benötigen planbare Energiekosten, sonst stimmt ihre Kalkulation nicht. Dieser Gastbeitrag analysiert vier Wege der Strombeschaffung.

Die Energiepreise unterliegen starken Schwankungen, was an geopolitischen Krisen, regulatorischen Eingriffen und Veränderungen der weltweiten Nachfrage liegt. Energieintensive Betriebe spüren die Preisausschläge direkt in der Gewinn- und Verlustrechnung. Höhere Stromkosten als die Konkurrenz bedeuten weniger Marge – oder höhere Verkaufspreise.

Mittelständler mit einem durchschnittlichen Stromverbrauch haben ähnliche Sorgen: Sie müssen mehr bezahlen, während die Tarife immer verwirrender werden. Selbst das örtliche Stadtwerk dreht an der Preisschraube. Auch langfristige Verträge helfen nicht mehr gegen saftige Nachzahlungen.

Preisschwankungen: Stromkosten beeinflussen strategische Entscheidungen

Im Gegensatz zu Konzernen mit eigener Beschaffungsabteilung sind KMU meist auf Standardtarife oder vorgefertigte Rahmenverträge angewiesen. Individuelle Verhandlungsmacht und Analysekapazitäten fehlen. Gleichzeitig wirkt sich jede Schwankung im Einkauf direkt auf Margen und Budgets aus.

Diese strukturelle Schwäche führt dazu, dass mittelständische Unternehmen oft höhere Preise zahlen als Großabnehmer. Risikoaufschläge in Standard-Gewerbestromtarifen spiegeln diese ungleichen Machtverhältnisse wider.

Beschaffungsmodelle: Vier Optionen für Mittelständler im Überblick

Mittelständler haben beim Stromeinkauf trotzdem mehrere Möglichkeiten. Entscheidend: Was lässt sich im eigenen Betrieb praktisch umsetzen?

  • Grundversorgung: Einfach, aber teuer
    Wer nichts unternimmt, landet automatisch hier. Keine Preisverhandlungen möglich, keine Flexibilität bei Marktveränderungen. Experten bewerten sie als teuerste Form der Stromversorgung. Marktentwicklungen kommen nur verzögert an, bei wachsendem Energiebedarf wird es richtig teuer.
  • Direktverträge: Aufwand trifft Bindung
    Günstiger als die Grundversorgung, dafür mit festen Laufzeiten. Preisverhandlungen sind möglich, brauchen aber Zeit und Marktkenntnis. Der Vergleich von Anbietern gestaltet sich mühsam, ein vorzeitiges Aussteigen aus dem Vertrag kommt teuer. Bei veränderten Geschäftsbedingungen sitzt man fest.
  • Dynamische Tarife: Risiko bei Preisspitzen
    Der Preis hängt von der Strombörse ab – mal geht er hoch, mal runter. Der Haken an der Sache: Man muss den Stromverbrauch nach den Preisen richten können. Nachts und am Wochenende kostet Strom weniger, doch die wenigsten Betriebe produzieren dann.
  • Einkaufsgemeinschaften: Bündelung schafft Vorteile
    Viele Unternehmen kaufen gemeinsam zu Großhandelspreisen ein. Planbare Kosten treffen auf Einsparungen durch Mengenbündelung. Ein Dienstleister übernimmt die Ausschreibungen und Vertragsverhandlungen – weniger Aufwand für die Mitglieder.

Was am besten funktioniert, hängt vom eigenen Verbrauch ab – und davon, wie viel Risiko man eingehen will. Konjunktur hat die gemeinsame Beschaffung: Sie verspricht niedrigere Preise ohne Bauchschmerzen.

Kollektivbeschaffung: Großhandelskonditionen beim Gemeinschaftseinkauf nutzen

Energie-Einkaufsgemeinschaften bündeln die Stromnachfrage mehrerer Unternehmen. Dadurch erhalten sie Zugang zu strukturierter Beschaffung am Großhandelsmarkt. Diese Form der kollektiven Beschaffung führt zu Preisvorteilen gegenüber Einzelverträgen.

Der aktuelle Marktvergleichsreport der wattline GmbH zeigt: Einkaufsgemeinschaften schneiden oft günstiger ab als herkömmliche Stromverträge. Je nach Marktlage sparen die Mitglieder deutlich gegenüber Einzelverträgen, insbesondere bei standardisierten Abnahmemengen und vergleichbaren Verbrauchsprofilen.

Der zweite Vorteil: weniger Arbeit. Dienstleister schreiben aus, prüfen Angebote und verwalten Verträge. Sinken die Preise, greifen sie zu. Für die Mitglieder heißt das: Strom fließt, Rechnung passt, Stress reduziert.

Die Vorteile einer gemeinschaftlichen Energiebeschaffung (Quelle: © wattline GmbH).Die Vorteile einer gemeinschaftlichen Energiebeschaffung (Quelle: © wattline GmbH).

Viele mittelständische Unternehmen zögern bei der Wahl alternativer Beschaffungsmodelle, da sie diese als erklärungsbedürftig oder aufwendig wahrnehmen. Deshalb bleiben sie oft bei bestehenden Verträgen, selbst wenn diese in wirtschaftlicher Hinsicht Nachteile haben.

In der Tat unterscheiden sich die alternativen Modelle zum Teil sehr deutlich – manche bieten viel Service, andere nur das Nötigste. Auch Verträge und Betreuung variieren stark. Wer vorher gründlich prüft, erlebt später keine bösen Überraschungen und findet das passende Modell für seinen Betrieb.

Umsetzung: Passende Beschaffungsmodelle reduzieren den Aufwand

Unternehmen, die den Schritt wagen, bereuen ihn selten. Meist stellt sich heraus, dass die befürchtete Komplexität überschätzt wurde, während die Kostenvorteile real und messbar sind. Entscheidend ist eine systematische Herangehensweise: Die Verantwortlichen sollten zunächst den eigenen Energiebedarf analysieren, dann passende Anbieter identifizieren und schließlich die Konditionen vergleichen.

Schwankende Energiepreise wirken sich längst nicht mehr nur auf die Betriebskosten aus, sondern beeinflussen auch strategische Entscheidungen. Für mittelständische Unternehmen stellt sich daher die Frage, wie sich Energiekosten stabilisieren lassen, um Planungssicherheit zu schaffen. Die Wahl des passenden Beschaffungsmodells gewinnt dabei an Bedeutung – besonders dann, wenn Investitionen bevorstehen.

Planungssicherheit: Stabile Preise als Investitionsgrundlage für KMUs

Stabile Strompreise sind für viele Betriebe zur Voraussetzung für Investitionen geworden. Ob Maschinenpark, Digitalisierung oder Personal – planbare Energiekosten entlasten Budgets und schaffen Spielräume. Preisschwankungen führen hingegen zu Unsicherheiten, die Investitionen verzögern oder verhindern können.

Das betrifft nicht nur die Industrie, sondern auch Dienstleister oder Logistikbetriebe, etwa bei der IT-Ausstattung oder beim Umstieg auf Elektromobilität. Je verlässlicher die Stromkosten kalkulierbar sind, desto sicherer lassen sich neue Technologien und Prozesse umsetzen.

Investitionen: Kalkulierbare Stromkosten schaffen Spielräume

Auch strategisch gewinnt Energie an Bedeutung: Als Teil der integrierten Unternehmensplanung sollte die Strombeschaffung heute nicht isoliert betrachtet werden, sondern im Zusammenhang mit Budget- und Nachhaltigkeitszielen.

Strukturierte Energiebeschaffung kann auch zur Erreichung ökologischer Ziele beitragen. Selbst ohne eigene Photovoltaik-Anlage oder PPA (Power Purchase Agreement) gelingt es, CO₂-Emissionen zu reduzieren, etwa durch zertifizierte Ökostromtarife innerhalb einer Einkaufsgemeinschaft.

Nachhaltigkeit: Einkaufsgemeinschaften ermöglichen Ökostrom

Abgestimmte, branchenübergreifende Beschaffungslösungen gewinnen auch im Kontext der Energiewende im Mittelstand zunehmend an Bedeutung. Viele Firmen entdecken, dass Nachhaltigkeit und Wirtschaftlichkeit sich nicht ausschließen, sondern ergänzen.

Wer seine Energiekosten im Griff hat, steht stabiler da. In Zeiten schwankender Märkte entscheidet Strom zunehmend über die Wettbewerbsfähigkeit – nicht nur wegen der Kosten, sondern weil verlässliche Preise Investitionen planbar machen.

Fazit: Vergleiche schaffen Klarheit und sichern die Wettbewerbsfähigkeit

Energiepreise bleiben unvorhersagbar. Mittelständler sollten ihre Beschaffung deshalb selbst steuern – sonst wird es teuer. Wer seine Strategie regelmäßig überprüft, erkennt Kostenrisiken früh und kann Sparpotenziale gezielt ausschöpfen. Ein Vergleich lohnt sich deshalb immer: Welches Modell passt am besten zum Betrieb? Wo liegen die Fallstricke? Möchten wir feste Preise oder Flexibilität? Diese Fragen bringen Klarheit. Wer sie beantwortet, findet seinen Weg durch den Tarifdschungel und macht seine Kosten planbar.

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Philip Gutschke ist stellvertretender Geschäftsführer sowie Bereichsleiter Energiebeschaffung und Unternehmensentwicklung bei der wattline GmbH. Er ist seit über 15 Jahren in der Energiewirtschaft tätig. Nach dem Einstieg als Unternehmensberater war er bei einem Energieversorger tätig, bevor er 2011 zu wattline wechselte. Dort verantwortet er die strategische Ausrichtung und operative Umsetzung der Einkaufsprozesse für die Mitglieder der Energieeinkaufsgemeinschaft. Zudem vertritt er das Unternehmen im Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW). Sein berufliches Interesse gilt insbesondere den strukturellen Entwicklungen und Herausforderungen des Energiemarkts.

Dieser Artikel wurde mit technischer Unterstützung redigiert und vor der Veröffentlichung redaktionell überprüft.
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