Turbinentechnologie zur Energierückgewinnung

Prozessgas-Restenergie dezentral verwerten

Von Trixy Schmidt, freie Fachjournalistin für die Deprag Schulz GmbH u. Co.

Hochwasserkatastrophen 2013, ein milder Winter wie schon lange nicht mehr, Temperaturen im Januar wie im Frühling – das Klima ändert sich. Die Häufung von extremen Wettersituationen ist mehr als deutlich, Klimaschutz und effiziente Energienutzung sind wichtiger denn je. Es ist höchste Zeit! In der Europäischen Union gab und gibt es Bestrebungen, die Emission des Klimakillers CO₂ bis 2020 nicht nur um 20 %, sondern um 30 % zu reduzieren und dieses Ziel verbindlich festzuschreiben. Forschung und Industrie sind aufgerufen, innovative Projekte zum Klimaschutz aufzulegen.

Die Möglichkeiten sind vielfältig. Ungenutzte Potenziale warten auf ihre Verwertung. Bereits 2010 stand ein ehrgeiziges Forschungsprojekt auf dem Gebiet der Energierückgewinnung, das aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages vom Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie gefördert wurde, bei der DEPRAG SCHULZ GMBH u. CO. kurz vor der Serienreife. Die zugrunde liegende Idee: „In vielen industriellen Prozessen entweicht Prozessgas ungenutzt in die Atmosphäre. Der Ausgangspunkt war, diese Gase energetisch nutzbar zu machen.“

Dabei war die Rückgewinnung von Energie aus Prozessgasen nicht neu. Dr.-Ing. Rolf Pfeiffer erklärte dazu: „Neu ist aber, dass mit unserer Entwicklung in einer kleinen, kompakten, dezentralen Energierückgewinnungsanlage auch geringe Mengen von Restenergie im Leistungsbereich von 5 bis 20 kW in Strom umgewandelt werden können.“

Prof. Dr. Ing. A. P. Weiß von der Ostbayerischen Technischen Hochschule Amberg-Weiden sieht für dieses System in der Zukunft großes Potenzial: „Druckluftsysteme könnten zukünftig verstärkt Anwendung bei der dezentralen Speicherung überschüssiger erneuerbarer Energie finden. Mit dem innovativen GET-Turbinengenerator der DEPRAG könnte die CAES (Compressed Air Energy Storage) benannte Kurzzeitspeicherung von Wind- oder Sonnenenergie auch im kleinen kW-Bereich ein neues Anwendungsgebiet der Drucklufttechnik darstellen.“

Rückgewinnung mit Turbinengenerator

Jetzt hat die DEPRAG SCHULZ GMBH u. CO. ihren damaligen Prototypen des GET-Turbinengenerators für den Leistungsbereich von 3 bis 50 kW elektrisch in den Baugrößen 5 kW, 20 kW und 50 kW fertig entwickelt. Diese Baugrößen werden auf den jeweiligen Prozess individuell konfiguriert.

Zur strömungsmechanischen Auslegung und Konstruktion des Turbinengenerators ist es notwendig, die spezifischen Prozessparameter zu definieren: Art des Mediums, Eingangsdruck, Ausgangsdruck, Massenstrom, Eingangstemperatur und Ausgangstemperatur. Zudem benötigen die DEPRAG-Fachleute eine Anwendungs- und Prozessbeschreibung zur Integration des GET-Turbinengenerators in den Prozess.

Der Turbinengenerator ist sowohl in einem offenen als auch in einem geschlossenen Prozess einsetzbar. Er kann für verschiedene Medien wie z.B. Druckluft, Erdgas, CO₂, Wasserdampf, R245fa, SES36 oder Cyclopentan ausgelegt werden.

Noch einmal Dr.-Ing. Rolf Pfeiffer: „Unser Rückgewinnungssystem lässt sich für eine Vielzahl von Anwendungen einsetzen, um direkt Prozessgase zu verstromen oder bei Integration unserer GET-Einheit in einen ORC-Prozess (Organic Rankine Cycle) indirekt ungenutzte Abwärme zu verwerten.“

DEPRAG.jpg

Die DEPRAG SCHULZ GMBH u. CO. gehört zu den marktführenden Herstellern von Druckluftmotoren. Aus der Entwicklung und Produktion unterschiedlichster Druckluftantriebe hat sich im Laufe der letzten zehn Jahre die Turbinentechnologie als neuer Schwerpunkt entwickelt. Mit diesen innovativen Lösungen können vollkommen neue Anwendungen realisiert werden. Das inhabergeführte Familienunternehmen aus dem oberpfälzischen Amberg ist mit rund 600 Mitarbeitern in über 50 Ländern vertreten. Innovation und fortlaufende Verbesserung bestehender Produktlinien galten bei der DEPRAG schon immer als die beste Antwort auf die Herausforderungen der Zeit.


DEPRAG SCHULZ GMBH u. CO., Carl-Schulz-Platz 1, 92224 Amberg i.d. Opf., Tel. 09621-371-0, Fax: 09621-371-120, info@deprag.de, www.deprag.com

Herausforderung: die Drehzahl

Bereits zu Beginn der ersten Studien legte sich das DEPRAG-Team um Entwicklungsleiter Gerd Zinn fest: Das neue Energierückgewinnungssystem sollte ein kleines, einfaches und robustes System für den Bereich zwischen 5 und 20 kW sein. Auf den Einsatz eines Getriebes wollte man aus Kosten- und Wartungsgründen verzichten. Genau dies sollte sich für die Entwickler als die größte Herausforderung erweisen.

Denn durch die physikalischen Gegebenheiten und den kleinen Durchmesser der Turbinenräder ergibt sich eine relativ hohe Drehzahl der Turbine und damit auch des Generators. Die Festigkeitseigenschaften der geeigneten Werkstoffe setzten hier deutliche Grenzen. Kein handelsüblicher Generator war klein genug und erfüllte dabei die Ansprüche an die Dauerfestigkeit, um der berechneten Drehzahl von ca. 40.000 U/min. Stand zu halten.

In der Folge war es notwendig, einen passenden elektrischen Generator selbst zu entwickeln. Die Dauerfestigkeit des Rotors stand dabei im Blickpunkt der Ingenieure. Intensive Forschungsarbeit mündete schließlich in ein kompaktes Gesamtsystem, basierend auf einer permanenterregten Synchronmaschine für die Stromerzeugung.

Kompakter Druck-zu-Strom-Wandler

Der DEPRAG-Turbinengenerator sieht so aus: Eine kompakte Einheit aus einer Mikroexpansionsturbine mit einem elektrischen Generator erzeugt Strom aus Gas. Ohne den dazugehörigen elektrischen Schaltschrank ist der Turbinengenerator nicht viel größer als eine Schuhschachtel und kann dezentral dort eingesetzt werden, wo Gas von einem höheren Druckniveau auf ein niedrigeres gebracht wird.

Die dabei frei werdende Druckenergie wird bisher in nur wenigen Fällen zur Gewinnung von Strom verwendet – ökologisch wertvolles Energiepotenzial wird also sinnlos verschwendet. Der neue GET-Turbinengenerator dagegen wandelt die im Arbeitsfluid enthaltene Energie in Strom um: Gas strömt in die Turbine ein, wird durch Düsen „gepresst“ und beschleunigt. Wenn es auf die Beschaufelung der Turbine trifft und umgelenkt wird, gibt es seine Energie ab. Die kinetische Energie wird im Generator in elektrische Energie umgewandelt.

In diesem innovativen System stellen Turbine und elektrischer Generator eine kompakte Einheit dar, sie besitzen eine gemeinsame Welle. Die Folge: Dreht sich die Turbine, dreht sich gleichermaßen auch der Rotor des Generators.

Szenarien für den Einsatz

Die Energierückgewinnung mit dem DEPRAG-Turbinengenerator ist in vielen Anwendungsbereichen denkbar: Bei der Schmelze von Metallen – z.B. Aluminium oder Kupfer – werden die Schmelzwannen durch Druckluft gekühlt. Die Druckluft strömt durch Kühlkanäle und nimmt dabei Wärme auf. Anschließend wird sie normalerweise ungenutzt in die Atmosphäre entlassen. Mit der Mikroexpansionsturbine und dem integrierten Generator wird diese in elektrischen Strom umgewandelt und ins Stromnetz eingespeist.

Ein Berechnungsbeispiel für Druckluft veranschaulicht dies: Mit einem Eingangsdruck von 20 bar (abs.), einem Ausgangsdruck von 5 bar (abs.) und einer Eingangstemperatur von 180° C lässt sich mit einem entsprechenden Massenstrom per GET-Turbinengenerator eine elektrische Leistung von ca. 20 kW zurückgewinnen.

Auch in Biogasanlagen und Blockheizkraftwerken ist auf Basis des ORC-Prozesses der Einsatz des GET-Turbinengenerators zur Verstromung von Restenergie denkbar. Der elektrische Wirkungsgrad der Anlagen lässt sich mit dem neuen Turbinengenerator wirkungsvoll optimieren, indem auch kleinere Mengen Abwärme in einem ORC-Rückgewinnungsprozess effizient genutzt werden können.

Zur weiteren Effizienzsteigerung von Biogasanlagen kann Methan in das Erdgasnetz eingespeist und damit Energie auch gespeichert bzw. transportiert werden. Biogas besteht zum großen Teil aus Methan und Kohlendioxid. Voraussetzung für die Einspeisung ist daher, dass der Kohlendioxidanteil aus dem Biogas entfernt wird. In der Regel geschieht das in verfahrenstechnischen Anlagen, bei denen das Kohlendioxid am Ende mit relativ hohem Druck- und Temperaturniveau vorliegt. Auch die darin enthaltene Energie kann mithilfe des Turbinengenerators zum großen Teil zurückgewonnen werden.

Fazit: Einsatzbereit, mit Zubehör

Darüber hinaus hat die DEPRAG auch ein umfassendes Programm an Zubehör aufgebaut: Die Rückspeiseeinheiten bis 15 kW vereinen die Komponenten Gleichrichter, Wechselrichter und Ballastschaltung in einem kompakten Gehäuse. Ein externer Lastwiderstand wird durch diesen Aufbau direkt angesteuert. Liefert die Turbine keine Leistung, schaltet sich der Einspeiseumrichter ab und verbraucht keinen Strom aus dem Versorgungsnetz. Sobald der Turbinengenerator wieder Leistung liefert, schaltet sich die Rückspeiseeinheit wieder selbstständig ein.

Die Einspeisesysteme für 25 bis 50 kW sind speziell für Hochgeschwindigkeitsgeneratoren entwickelte Leistungselektroniken. Neben spezifischen Abmessungen und Kühlungskonzepten können zusätzliche Zusatzfunktionen und Sicherheitsfunktionen wie Netzüberwachung oder Bremswiderstände berücksichtigt werden.

Zur Verlängerung der Wartungsintervalle haben die Ingenieure außerdem eine automatische Nachschmiereinheit entwickelt. Die kompakte Schmierpumpe ist mit einer Batterie für den Einzelbetrieb konzipiert und benötigt keine externe Stromversorgung; sie kann jedoch an einen Leitstand mit 24 V angeschlossen werden.

Nützliche Links