Interne Kommunikation: Wie Interne Kommunikation zum Betriebssystem wird

Seit Xing, Wikipedia und YouTube müssen sich Unternehmen mehr einfallen lassen. Mit Social Intranets, Unternehmensblogs und selbstorganisierenden Wissensplattformen halten 2.0-Technologien Einzug, die einer stiefmütterlich behandelten Disziplin zu neuem Glanz verhelfen: der Internen Kommunikation.

Firmen öffnen sich nach innen

Von Carsten Rossi, Kuhn, Kammann & Kuhn

Die Interne Kommunikation (IK) war lange das uncoole kleine Aschenputtel der Unter­nehmens­kommunikation. Sie war oder ist teilweise immer noch so unbeliebt, dass sie oft nicht einmal organisatorisch Teil der Kommunikations­familie sein darf, sondern mal von Human Resources, mal vom Marketing oder als Beigabe zu unter­schiedlichsten Job Descriptions durchgeführt wird.

Vom Herold zum Moderator

Die Mitarbeiterzeitschrift (Werkszeitung) ist Anfang des 20. Jh. eines der ersten Instrumente der Mitarbeiterkommunikation. Sie hat oft schon diverse Relaunches und Neuausrichtungen hinter sich. Was sich aber nie verändert, ist ihre grundsätzliche Form: der Monolog.

Damit steht sie mit weiteren Klassikern wie Schwarzen Brettern, Firmenrundschreiben etc. für das klassische IK-Grundverständnis: Top-down-Kommunikation in patriarchalisch-pädagogischem Stil. Vorrangige Ziele waren die Bildung eines Wir-Gefühls im Unternehmen und Agenda-Setting als Steuerungsmechanismus.

Anfang dieses Jahrhunderts wurde dann deutlich, dass die Bedürfnisse der Mitarbeiter inzwischen weit über Existenzsicherung und materielle Belohnung hinausgehen. Gleichzeitig wuchs die Bedeutung des einzelnen Mitarbeiters und seines Wissens: Mündige und involvierte Mitarbeiter, die sich mit dem Unternehmen identifizieren, sind motivierter, leistungsfähiger und haben eine positive Außenwirkung.

Prinzip offener Austausch

Interne Kommunikation steht vor der Herausforderung, sich von der vertikalen Informationsvermittlerin zur Moderatorin vernetzter, dialogischer Kommunikationsprozesse zu entwickeln. Damit kommen neue Aufgaben auf die IK zu, die zwar keine originären Kommunikationsaufgaben sind, deren erfolgreiche Durchführung allerdings immer öfter Kommunikation als Katalysator bzw. Kommunikationsinfrastruktur als Ökosystem voraussetzt: Als eine Art globaler Community Managerin ermöglicht IK z.B. die reibungslose Prozesskommunikation und trägt Wesentliches zur Unternehmensentwicklung bei. Weitere (Teil-)Aufgaben betreffen das Wissens- und das Innovationsmanagement, hinzu kommen die Auswahl, Pflege und kontinuierliche Weiterentwicklung der technologischen Infrastruktur. Die Königsdisziplin des neuen Selbstverständnisses ist schließlich die aktive Teilhabe am Change Management.

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Carsten Rossi ist als Geschäftsführer der Kuhn, Kammann & Kuhn GmbH (kkundk.de) Spezialist für Unternehmenskommunikation. Sein besonderes Interesse liegt auf der Integration von Social Media in die Unternehmens- und Change-Kommunikation. Als Dozent für Wirtschaftskommunikation und Social Media lehrt er außerdem an der Fresenius Hochschule in Köln. Dieser Beitrag ist die gekürzte und überarbeitete Fassung seines Positionspapiers Kommunikation 2.0.


Carsten Rossi, Kuhn, Kammann & Kuhn GmbH, Maria-Hilf-Straße 15–17, 50677 Köln, Tel.: 0221-976541-0, Fax: 0221-976541-52, info@kkundk.de, www.kkundk.de

Vom Alleskönner zum Betriebssystem

Diese und weitere Herausforderungen zu meistern, wird der IK in Deutschland mit ihrer jetzigen Ausrichtung nicht gelingen. Eine radikale Strukturveränderung und eine Veränderung des Selbstverständnisses sind dringend nötig. Ihre Aufgabe ist nun der Aufbau eines Betriebssystems, das es den Mitarbeitern ermöglicht, offen, transparent und vernetzt zu kommunizieren. Erst auf dieser Basis wird die Idee von Enterprise 2.0 ihre Versprechen realisieren können: Steigerung der Innovationsfähigkeit, Hebung von Effizienzreserven und gesteigerte Wettbewerbsfähigkeit.

Das zu entwickelnde Betriebssystem und die wesentlichen Eigenschaften der zukünftigen Unternehmenskultur lassen sich durch fünf wesentliche Cluster von Attributen beschreiben:

  • Vertrauen im Fokus: Die IK muss das Vertrauen zur Basis des gemeinsamen Arbeitens machen. Wo Mitarbeiter autonom entscheiden, wie, mit wem und worüber kommuniziert wird, setzt das Vertrauen in den Menschen und die Abkehr von überreglementierter, prozessgesteuerter Kommunikation voraus.
  • Flexibilität und Entgrenzung: Die IK muss den Rahmen für neue, bewegliche Organisationsformen setzen. Durchlässige Kommunikationshierarchien, Community Building und Crowdsourcing von Ideen, Arbeit und Innovation sind die bestimmenden Arten der Zusammenarbeit im Unternehmen 2.0.
  • Transparenz und Offenheit: Die IK wird zum institutionalisierten Whistleblower – zum Vorteil des gesamten Unternehmens. Sie muss Offenheit schaffen und Vorgänge zugänglich und nachvollziehbar machen. Die Möglichkeit, dezentral und über enge Prozessgrenzen hinaus voneinander und miteinander zu lernen und sich proaktiv Wissen anzueignen, steigert die Effizienz und reduziert die Fehlerquote.
  • Dynamik und Agilität: Vernetzte und deregulierte Kommunikation erhöht die Kommunikationsgeschwindigkeit. Die IK muss dieses Tempo zugleich ermöglichen und fassbar machen. Das erleichtert es auch, Ideen zu Sprache zu bringen, außerdem steigt die Wahrscheinlichkeit eines Serendipity-Effekts (indem sich die besten Ideen „wie zufällig“ ergeben).

Software funktioniert mit Anwendern

Die Technologieberater von Gartner sind sich sicher, dass bis 2015 ganze 80 % der Social-Software-Projekte in Unternehmen scheitern werden. Dies liegt sicher nicht zuletzt daran, dass zu häufig die Technologie als einzige Maßnahme bei der Transformation zum Enterprise 2.0 gesehen wird. Da es sich bei 2.0-Technologien grundsätzlich um Kommunikationstools handelt, ist es bei (Interner) Kommunikation 2.0 besonders verlockend (aber nicht weniger falsch), das Kürzel „2.0“ mit Internet-Technologie gleichzusetzen. In manchen Fällen können neue Technologien sicherlich Verhaltensänderungen anstoßen. So wie schicke neue Laufschuhe die Motivation zum Joggen erhöhen können. Dieser Effekt unterliegt aber Einschränkungen, z.B. setzt er voraus, dass die Technologie angenommen und genutzt wird (Adoption, Alternativlosigkeit etc.).

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Schwarz auf Weiß
Dieser Beitrag erschien zuerst in unserem Magazin zum Open Up Camp 2014. Einen Überblick mit Download-Links zu sämtlichen Einzelheften bekommen Sie online im Pressezentrum des MittelstandsWiki.

Dennoch bleibt festzuhalten, dass eine fachgerechte Auswahl und Einführung neuer Technologien mehr ist als ein Katalyseprozess. Der Auswahl der richtigen Software, die zum Unternehmen, zur Kultur und zum gewünschten Ergebnis passt, kommt eine erhebliche Bedeutung zu. Die Technologie der Internen Kommunikation – Social Intranet, Social Software, Enterprise Social Network – ist die Oberfläche des Betriebssystems; seine Usability und Leistungsfähigkeit sind genauso entscheidend für den Erfolg des Change-Prozesses wie das geistige Konstrukt „Unternehmenskultur“.

Dann leben sie noch heute

Gelingt es der IK, beide Herausforderungen – die kulturell-psychologische und die technologische – zu meistern und diese Aufgabe in eine offiziell akzeptierte neue Job Description zu überführen, kann ihr eine große Zukunft bevorstehen. Als (Mit-)Verantwortliche für die Wertschöpfungsversprechen von Enterprise 2.0 gewinnt sie auch aus dem Blick des Top-Managements eindeutig an (wirtschaftlicher) Relevanz. Und das Aschenputtel bekommt vielleicht eines Tages den Prinzen zum Gemahl, sprich: den CEO zum Sponsor.

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