Alexander Bredereck/2. Interview

Mitarbeiter abwerben ist erlaubt

Vielleicht ist man sich über die Unternehmensstrategie nicht einig, vielleicht lockt ein besseres Angebot: Die Führungskraft wechselt den Arbeitgeber und geht ausgerechnet zur Konkurrenz. Doch nicht nur das: Plötzlich kündigen auch einige seiner bisherigen Mitarbeiter und folgen dem bisherigen Chef in das andere Unternehmen. Für die betroffene Firma kann es zu einem ernsten Problem werden, wenn die Fachkräfte auf diese Weise abwandern. Dagegen vorzugehen, dürfte aber schwierig sein, wie der Berliner Rechtsanwalt Alexander Bredereck erklärt. Denn: „Zunächst einmal gilt grundsätzlich der freie Wettbewerb.“

MittelstandsWiki: Ist das Abwerben von Mitarbeitern durch Dritte grundsätzlich erlaubt?

Alexander Bredereck: Grundsätzlich ja. Es gehört zum freien Wettbewerb, dass man sich auch bei Wettbewerbern Arbeitskräfte „besorgen“ darf. Nur die Art und Weise der Abwerbung ist reglementiert.

MittelstandsWiki: Der Abteilungsleiter eines Unternehmens wechselt zur Konkurrenz. Er würde gerne einige Leute aus seinem alten Team mitnehmen. Darf er sie direkt ansprechen?

Alexander Bredereck: Solange er sich noch in einem laufenden Arbeitsverhältnis befindet, riskiert er die fristlose Kündigung durch den Arbeitgeber und die Geltendmachung von Unterlassungs- und Schadenersatzansprüchen. Allerdings sind derartige Schadensersatzansprüche regelmäßig schwer durchsetzbar, da die betroffenen Unternehmen den Schaden nur schwer darlegen können.

MittelstandsWiki: Lange wurde darüber debattiert, ob Headhunter die gewünschten Kandidaten auch an ihrem aktuellen Arbeitsplatz anrufen dürfen. Wie ist hier die aktuelle Lage?

Alexander Bredereck: Nach einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs darf der Headhunter einen ersten und einzigen Versuch der Kontaktaufnahme am Arbeitsplatz unternehmen. Er muss sich hier aber auf zwingend notwendige Mitteilungen beschränken. Er darf also einmal anrufen, sich kurz vorstellen, den Zweck seines Anrufs mitteilen und fragen ob der Angerufene an einer Kontaktaufnahme an sich grundsätzliches Interesse hat. Wird dies bejaht, darf ein weiterer Kontakttermin außerhalb des Unternehmens vereinbart werden. Zusammengefasst kann man also sagen: Ein kurzer Anruf, um das Interesse zu erkunden, und eine Vereinbarung für einen weiteren Termin sind zulässig. Alles, was darüber hinausgeht, könnte schon problematisch sein. Der bisherige Arbeitgeber kann dagegen gerichtlich vorgehen.

MittelstandsWiki: Und bei Abwerbemaßnahmen im Privatbereich?

Alexander Bredereck: Hier kann der bisherige Arbeitgeber nichts unternehmen. Der Umworbene kann sich natürlich gegen allzu lästige Verfolgung durch Headhunter wehren.

MittelstandsWiki: Der Gesetzgeber verbietet allerdings Abwerbeversuche mit verwerflichen Mitteln oder Methoden. Was genau hat man sich darunter vorzustellen?

Alexander Bredereck: Beim Anruf am Arbeitsplatz fast alles, was über die oben beschriebene erste Kontaktaufnahme und deren zulässigen Inhalt hinausgeht. Überredungsversuche oder Weiterreden trotz erklärtem Desinteresse des Abzuwerbenden sind im Rahmen des Erstkontaktes ebenso unzulässig wie anpreisende Beschreibungen des eigenen Unternehmens.

MittelstandsWiki: Bei Abwehrversuchen im Privatbereich des Arbeitnehmers ist alles erlaubt?

Alexander Bredereck: Nein. Auch hier gibt es Grenzen. So ist es z.B. untersagt, die Freistellung von etwaigen Schadensersatzansprüchen des bisherigen Arbeitgebers zu erklären oder ihn zu den bisherigen Arbeitgeber schädigenden Handlungen anzustiften. Man darf den Umworbenen auch nicht vorsätzlich zum [/wissen/Arbeitsvertrag Vertragsbruch] bei seinem bisherigen Arbeitgeber verleiten.

MittelstandsWiki: Was kann bei entsprechenden Verstößen drohen?

Alexander Bredereck: Das geschädigte Unternehmen kann unter anderem Unterlassungs- und Beseitigungsansprüche, aber auch Schadensersatzansprüche geltend machen. Soweit man (ehemaliger) Vertragspartner war, kommt bei entsprechender Vereinbarung auch eine [/wissen/Vertragsstrafe Vertragsstrafe] in Betracht. Das gilt also insbesondere für die abgeworbenen Arbeitnehmer. Die Unterlassungsansprüche können wegen der Eilbedürftigkeit im Wege der einstweiligen Verfügung geltend gemacht werden.

MittelstandsWiki: Nehmen wir einmal an, der ehemalige Abteilungsleiter schafft es tatsächlich, sein gesamtes altes Team mitzunehmen. Wird sein ehemaliger Arbeitgeber und jetziger Wettbewerber damit nicht in unzulässiger Weise behindert?

Alexander Bredereck: Unzulässig ist ein Abwerben mit dem Ziel einer Behinderung und Schädigung des bisherigen Arbeitgebers und Wettbewerbers. Allerdings liegt das noch nicht bei jeder planmäßigen Handlung vor. Unzulässig ist ein Abwerben mit dem Ziel einer [/wissen/Wettbewerbsrecht Behinderung und Schädigung des Wettbewerbers]. Bei der Frage, ob dieses vorliegt, wird von der Rechtsprechung aber auch geprüft, wie viele Mitarbeiter abgeworben wurden und welche Bedeutung diese jeweils für das Unternehmen hatten. Regelmäßig lässt sich die gezielte Behinderungs- und Schädigungsabsicht in der Praxis nur schwer beweisen.

MittelstandsWiki: Ist eine Abwerbung mit dem Ziel, an [/wissen/Geschäftsgeheimnis,_Teil_1 Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse] heranzukommen, zulässig?

Alexander Bredereck: Es liegt in der Natur der Sache, dass man zusammen mit den abgeworbenen Mitarbeitern auch an Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse des Wettbewerbers gelangt. Liegen allerdings besonders schwer wiegende Umstände vor, kommt es also dem abwerbenden Unternehmen darauf an, den Wettbewerber zu schädigen bzw. nachhaltig auszubeuten, kann eine solche Abwerbung auch gemäß § 4 Nr. 10 UWG unlauter und damit unzulässig sein.

MittelstandsWiki: Welche Möglichkeiten haben Unternehmen, ihre Mannschaft gegen Abwerbeversuche von Dritten zu schützen?

Alexander Bredereck: Zunächst einmal gilt grundsätzlich der freie Wettbewerb. Unternehmen tun also gut daran, die Arbeitsbedingungen so zu gestalten, dass die Arbeitnehmer gerne bleiben. Da die meisten Arbeitnehmer eine gewisse Bindung zu ihrem Arbeitgeber aufbauen, ist die Wechselfreudigkeit regelmäßig gar nicht so groß. Im Übrigen kann der Arbeitgeber natürlich auch zur Abschreckung Vertragsstrafen, nachvertragliche Wettbewerbsverbote und ähnliche restriktive Maßnahmen im Arbeitsvertrag vereinbaren. Hier sind allerdings Formvorschriften zu beachten. Da letztlich auch immer Grundrechte des Arbeitnehmers betroffen sind, ist z.B. die Vereinbarung eines nachvertraglichen Wettbewerbsverbots nur gegen Zahlung einer Karenzentschädigung wirksam.

Das Interview führte Marzena Sicking, heise resale.