Israel, Teil 2

Gefragt sind Hightech und Spezialisten

Von Michael J.M. Lang

So omnipräsent Israel in unseren Medien auch ist – über die nahezu täglichen Bilder des Nahostkonflikts hinaus lässt der Wissensstand der Deutschen über Israel und seine Menschen doch sehr zu wünschen übrig.

Wer Israel immer noch als Pionierland sieht, dessen Jugend im rauen Arbeitskollektiv eines Kibbuz sozialisiert wird, hinkt der aktuellen Entwicklung weit hinterher. Die israelische Gesellschaft ist mindestens so geschäfts- und karriereorientiert wie andere erfolgreiche westliche Gesellschaften auch. Sie wird darüber hinaus weitaus stärker von jungen Menschen geprägt als die deutsche. Entsprechend hoch ist die gesellschaftliche und wirtschaftliche Dynamik. Vor allem Forschung und Entwicklung profitieren vom Ideenreichtum und unkonventionellen Denken junger Israelis.

Markt und Nachfrage

Mit gerade einmal 7,6 Mio. Einwohnern (zum Vergleich Niedersachsen: 7,9 Mio.) zählt Israel weltweit zu den kleinen Staaten. Flächenmäßig ist das Kernland mit rund 22.000 km² zudem ähnlich klein wie Hessen. Daraus ergibt sich, dass der Markt vom Volumen her für Massenwaren eher unbedeutend ist. Durch die für den Nahen Osten ungewöhnlich hohe Bevölkerungsdichte (und natürlich das trockene Klima) sind aber besonders jene Produkte gefragt, die der Versorgung der Bevölkerung mit Wasser, Nahrung und Energie dienen.

Michel Weinberg von der AHK Israel hält für deutsche Mittelständler folgende Daumenregeln bereit:

„Alles, was mittelständische Betriebe in Israel ohne Spezialkenntnisse produzieren können, lohnt sich im relativ kleinen israelischen Markt für deutsche Unternehmen nicht.“
Anders sieht es bei technischen Geräten und Maschinen aus. Hier zählt der exzellente Ruf deutscher Maschinenbauer und Ingenieure. Aber auch hier muss man unterscheiden: So können deutsche Waschmaschinen und Autos trotz des hervorragenden Rufs im israelischen Markt kaum mit billigen asiatischen Marken konkurrieren.
Spezialmaschinen und besonders Anlagen zur Wasser- und Energiegewinnung sind jedoch hochwillkommen.

Kaufkraft, Löhne, Arbeitsmarkt

Nach Einschätzung von Germany Trade and Invest (GTAI) erreicht die Pro-Kopf-Leistung der Israelis rund 80 % der Pro-Kopf-Leistung der Deutschen und steigt nach wie vor. Im weltweiten Wettbewerbsindex des World Economic Forums steht Israel unter 139 bewerteten Ländern auf Platz 22. Nahezu gleich fällt das Ranking der Weltbankgruppe in ihrem Bericht „Ease of doing business“ aus: Hier belegt Israel Rang 30 unter insgesamt 183 Staaten. Hauptwachstumstreiber waren zuletzt nach Angaben des Auswärtigen Amts gewerbliche Investitionen und der Wohnungsbau.

Serie: Israel
Teil 1 beginnt mit dem kulturellen Hintergrund und findet gute Rahmenbedingungen vor. Teil 2 geht im Einzelnen durch, was auslandsinteressierte Unternehmer wissen müssen: von A wie Arbeitsmarkt bis Z wie Zahlungsmoral. Teil 3 verzeichnet alles, was nach dem Business noch wichtig ist, nennt Adressen und gibt praktische Tipps für die Reise.

Auch der Kreditversicherer Coface kommt in seiner Länderanalyse zu einem ausgesprochen positiven Bild. So liegt laut dieser Analyse das relative Bruttoinlandsprodukt (BIP unter Berücksichtigung der Preisentwicklung) 2012 um kräftige 2,9 % über dem des Vorjahres (2011: +4,5 %; 2010: +4,8 %). Zum Vergleich: Das deutsche relative BIP liegt nach den gleichen Kriterien 2012 lediglich 0,7 % über dem Vorjahr (2011: +3,1 %; 2010: +3,7 %). Israels Inflationsrate pendelte in den letzten Jahren um die 3 % und liegt derzeit bei 2,1 % (Deutschland: 1,8 %).

Diese Zahlen lassen einen durchaus zahlungskräftigen und lukrativen Markt vermuten – auch für hochpreisige Edelprodukte. Die Experten der GTAI warnen allerdings davor, dass die soziale Kluft zwischen Arm und Reich in Israel wächst. Wie in so vielen Industriestaaten schrumpft damit auf mittlere Sicht die kaufkräftige Mittelschicht.

Rein statistisch stiegen 2011 die Konsumentenpreise um lediglich 2,2 % (2010: 2,7 %; 2009: 3,9 %). Gleichzeitig sank die Arbeitslosigkeit auf 5,5 % und damit auf den niedrigsten Stand seit Beginn der Aufzeichnungen vor 26 Jahren. Diese makroökonomisch erfreulichen Fakten spiegeln aber augenscheinlich nicht die mikroökonomische Lage der Bürger wieder: Im Sommer 2011 protestierten rund 400.000 Israelis gegen die hohen Lebenshaltungskosten. Diese Proteste waren die größten seit Bestehen des israelischen Staates.

Zum Unmut der Bürger tragen neben der Armutsschere auch relativ stark differierende Gehälter bei. So lag das monatliche Durchschnittsgehalt 2011 nach Angaben des israelischen Statistikbüros zwar bei rund 9000 Neuen israelischen Schekeln (rund 1800 Euro). Die Bandbreite der Löhne und Gehälter beginnt aber bei rund 4250 Schekel, also rund 850 Euro (Gastronomie). Besonders gut verdienen mit monatlich 22.500 Schekel (4500 Euro) Angestellte der israelischen Strom- und Wassergesellschaft. Ein Chief Executive Officer (CEO) verdient laut PayScale derzeit im Jahr zwischen 146.800 und 735.300 Schekel, zuzüglich 5070 bis 345.200 Schekel Bonus. Der Schnitt liegt bei 470.000 Schekel (94.000 Euro). Ein Abteilungsleiter Software verdient durchschnittlich jährlich rund 290.000 Schekel (58.000 Euro), ein Maschinenbauingenieur rund 155.400 Schekel (31.100 Euro).

Auch regionale Unterschiede spielen eine Rolle. So liegen die Gehälter in Tel Aviv und Umgebung deutlich höher als im Rest des Landes. Der Vorteil wird allerdings vor allem durch die hohen Mieten in dieser Region mehr als ausgeglichen. So sind für eine Zweizimmerwohnung in Tel Aviv mindestens 600 Euro fällig.

Gewerkschaften

Die israelischen Gewerkschaften sind in einem Dachverband, der Histadrut zusammengeschlossen. Dieser Verband wurde bereits 1920 – und damit lange vor Gründung des israelischen Staats – von David Ben Gurion in Haifa ins Leben gerufen. Strukturell ähnelt die Histadrut zwar dem deutschen DGB, ist aber historisch begründet deutlich linksideologischer geprägt. Weltweit einzigartig ist das Partnerschaftsabkommen zwischen diesen beiden Gewerkschaftsverbänden.

Ursprünglich nicht nur sozialistisch, sondern auch zionistisch ausgerichtet, bemüht sich der Verband in letzter Zeit vermehrt darum, unter den palästinensischen Israelis und in den besetzten palästinensischen Gebieten Mitglieder zu gewinnen. Derzeit zählt der Verband rund eine halbe Million Mitglieder.

Dass zeitweise bis zu 70 % der Israelis in der Histadrut organisiert waren, lag weniger am politischen Klima, als vielmehr daran, dass lange Zeit eine Mitgliedschaft in der größten israelischen Krankenkasse automatisch eine Mitgliedschaft in einer Gewerkschaft des Verbands voraussetzte. Diese Zwangsmitgliedschaft wurde 1994 aufgehoben.

Feiertage und Arbeitszeiten

Die Zeitverschiebung gegenüber der in Deutschland geltenden Mitteleuropäischen Zeit (MEZ) beträgt +1 Stunde (8:00 Uhr in Deutschland entspricht also 9:00 Uhr in Israel). Wie in Deutschland gibt es auch in Israel eine Sommerzeit, die sich allerdings am jüdischen Osterfest, dem Pessach und dem jüdischen Neujahrsfest Rosch haSchana orientiert und daher je nach Jahr von der deutschen Sommerzeit unterschiedlich stark abweicht.

Für Deutsche ungewohnt beginnen Feiertage in Israel bereits am Vorabend des eigentlichen Datums mit dem Sonnenuntergang. Das sollte man bei Terminen und Telefonaten – neben der Zeitverschiebung – unbedingt berücksichtigen.

In den Wochen des Pessach-Festes (jüdisches Ostern) und des Laubhüttenfestes (Sukkot) ist das Geschäftsleben je nach Region und Unternehmen unterschiedlich stark eingeschränkt, da an den Festtagen viele Geschäfte und Firmen früher schließen. Der jeweils erste und letzte Tag der beiden Feste sind offizielle Feiertage. Während des Lichterfestes (Chanukah, das jüdische Gegenstück zu Weihnachten) bleiben die Geschäfte hingegen geöffnet.

Weitere Feiertage sind Purim, Yom Ha’Atzmaut (Unabhängigkeitstag), Shavuot (jüdisches Pfingsten), Rosh Hashana (jüdisches Neujahr), Yom Kippur (Versöhnungstag) und Simchat Torah. Da viele Feiertage beweglich sind, ist ein Blick in einen aktuellen Kalender mit jüdischen Feiertagen unerlässlich.

Der wöchentliche Sabbat, das Gegenstück zum deutschen Sonntag, beginnt am Freitagabend und endet am Samstagabend mit dem Sonnenuntergang.

Die Wochenarbeitszeit beträgt in Israel zwischen 43 und 50 Stunden (186 und 211 Stunden pro Monat), wird aber in der Praxis durch Überstunden häufig verlängert. Dabei wird von den Beschäftigten hohe Flexibilität erwartet und auch gelebt. Der bezahlte Jahresurlaub beträgt zwischen 14 und 21 Tagen. Hinzu kommen neun bezahlte Feiertage, wobei diese je nach Religion des Beschäftigten auch vom jüdischen Kalender abweichen können.

Zahlungsmoral

Die Zahlungsmoral israelischer Geschäftspartner und Kunden liegt deutlich über der im Nahen Osten üblichen. So stuft der Kreditversicherer Coface Israel hinsichtlich des kurzfristigen Risikos mit A3 und in Bezug auf das Geschäftsumfeld mit A2 ein. Zum Vergleich: Für Deutschland liegen die beiden Ratings bei A2 und A1. Sie betreffen – anders als die üblichen Länderratings der US-Rating-Agenturen – ausdrücklich nicht die Risiken der Staatshaushalte und -finanzen, sondern die durchschnittliche Solidität der Unternehmen eines Landes.

Einbindung in die internationale Wirtschaft

Israel ist vielfältig in die westliche Ökonomie eingebunden, was ebenfalls zur Stabilität der israelischen Wirtschaft beiträgt. So ist das Land laut Angaben des Auswärtigen Amtes Mitglied der World Trade Organization (WTO), des Internationalen Währungsfonds (IMF), der Weltbank, der Interamerikanischen Entwicklungsbank (IDB), der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (EBRD) sowie seit 2010 der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD). Freihandelsabkommen bestehen mit der EU, den USA, der Europäischen Freihandelsassoziation (EFTA, mit den Mitgliedsstaaten Island, Liechtenstein, Norwegen und Schweiz), Kanada, Mexiko, der Türkei und demnächst sogar mit dem Gemeinsamen Markt Südamerikas (Mercosur; Vollmitglieder sind Argentinien, Brasilien, Paraguay, Uruguay und Venezuela).

Besonderheiten

Deutsche Unternehmen, die in Israel produzieren lassen, müssen wissen, dass Waren, die nicht im Kernland, sondern in den besetzten Gebieten produziert werden, auch dann keine Vorzugsbehandlung nach dem sogenannten Assoziationsabkommen EG-Israel genießen, wenn sie von israelischen Siedlern stammen. Das betrifft vor allem die Siedlungen im Gaza, im Westjordanland, auf dem Golan und in Ostjerusalem. Eine Liste mit den Postleitzahlen der betroffenen Siedlungen hält die EU-Kommission als PDF online bereit.

Deutsche Unternehmen, die in Israel investieren oder Immobilien erwerben wollen, sollten unbedingt den Hinweis des Auswärtigen Amts beachten, dass Investitionen in israelischen Siedlungen in den besetzten Gebieten durch Friedensabkommen jederzeit hinfällig werden können. In diesem Fall werde die Bundesregierung keine Partei ergreifen, so das Amt, zumal „die Siedlungen nach Auffassung der Bundesregierung gegen das Völkerrecht verstoßen“.

Mit Umweltschutzauflagen müssen deutsche Unternehmen auch in Israel rechnen. Seit 2007 werden sukzessive die Umweltvorschriften ausgebaut. So trat 2011 ein umfangreiches Luftreinhaltungsgesetz in Kraft.

Was es vor Ort sonst noch zu beachten gilt, sagt Teil 3 dieser Serie, der außerdem die wichtigsten weiterführenden Informationsquellen und Anlaufstellen versammelt.

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