Nachwuchsführungskräfte: Wie Nachwuchsmanager schwimmen lernen

Für junge Kräfte, die zum ersten Mal eine Führungsposition übernehmen, ist es ein Sprung ins kalte Wasser. Leider sagt die beste Ausbildung wenig darüber aus, ob die Starter nicht doch absaufen und das Team mit in die Tiefe reißen. Marzena Sicking erklärt, was man als verantwortlicher Chef im Auge behalten sollte.

Jungmanager erfordern Aufmerksamkeit

Von Marzena Sicking, heise resale

Wenn junge Talente sich auf einer Führungsposition wiederfinden, freuen sie sich über das Gehalt und die Chance, ihr Können so richtig unter Beweis zu stellen. Natürlich bringt dar Kandidat dafür eine hervorragende Ausbildung und einen noch besseren Abschluss mit. Doch Erfahrung und Menschenkenntnis sind in der Regel Mangelware. Als verantwortlicher Chef muss man das aber gar nicht schlimm finden: Der Sprung ins kalte Wasser hat schließlich noch keinem geschadet, das Milchgesicht wird in der Praxis schon lernen, was Mitarbeiterführung bedeutet. Das ist sicher richtig. Doch allein lassen dürfen Sie die Nachwuchskräfte trotzdem nicht. Denn das kann fatale Folgen haben, und zwar für die gesamte Abteilung.

Wie sich eine Nachwuchskraft in der Führungsposition behauptet, stellt sich erst heraus, wenn es soweit ist. Manchmal kann man den Überang nach ein paar Kontrollfragen und einem Blick auf die Kennzahlen abnicken; oft gibt es aber auch Schwierigkeiten. Die Ursachen dafür sind letztlich so vielfältig wie die Spielarten menschlicher Charaktere. Es gibt aber einige Typen und Szenarien, die regelmäßig wiederkehren.

Szenario: Die Kollegenmauer

Insbesondere, wenn junge Manager auf altgediente und vor allem ältere Mitarbeiter treffen, sollten Sie damit rechnen, dass es zu „atmosphärischen Störungen“ zwischen diesen Parteien kommen kann. Schließlich schwebt die Frage im Raum: „Wieso hat dieses Kleinkind den Posten bekommen und nicht ich?“ Besonders kritisch ist es, wenn sich ein anderer Mitarbeiter um den Posten bemüht, ihn aber nicht erhalten hat und nun unter dem Neuling arbeiten soll. Schon ein Querschläger genügt, um erfolgreich Stimmung gegen den neuen Abteilungsleiter zu machen. Der junge Manager hat also nicht nur das Problem, dass er von sich überzeugen muss, sondern dass ihm unter Umständen sogar offene Ablehnung entgegengebracht wird.

Insbesondere dann, wenn zwischen Führungskraft und Mitarbeitern ein großer Altersunterschied besteht, müssen Sie damit rechnen, dass der junge Manager nicht ernst genommen wird und ihn die alten Hasen nach Kräften auflaufen lassen. Eigentlich kein Wunder: Wer nimmt schon gerne Anweisungen von Nachwuchskräften entgegen, die keine Erfahrung haben und die eigenen Kinder sein könnten?

Steuern Sie gegen, und zwar noch bevor der Jungmanager an Bord ist. Sorgen Sie dafür, dass er nicht direkt mit demjenigen arbeiten muss, der sein Wettbewerber um den Posten war. Auch wenn es Ihre Entscheidung war und bleibt: Erklären Sie dem Team, warum Sie sich für diesen Manager entschieden haben und warum er trotz seines jungen Alters genau der richtige für diese Position ist. Machen Sie deutlich, dass Sie das junge Talent, aber auch die Mitarbeiter genau im Auge behalten werden. Sagen Sie, dass die erste Zeit sicher für alle Beteiligten nicht ganz einfach wird und man gegenseitig Nachsicht üben sollte. Und dass Sie jederzeit und für alle als Ansprechpartner zur Verfügung stehen. Denn der Chef sind immer noch Sie.

Szenario: Der Feigling

Ein andere Art Nachwuchsmanager geht lieber den Weg des geringsten Widerstands. Durchsetzungsschwierigkeiten wird diese Sorte sicher nicht haben. Denn sie dreht sich wie das Fähnchen im Wind und versucht, es allen Recht zu machen.

Allerdings tut diese Neulinge das nicht nur, um sich bei den Mitarbeitern beliebt zu machen. Sie haben vor allem Angst, eine Entscheidung zu treffen und für diese ge­ra­de­zuste­hen. Also fragen sie die erfahrenen Mitarbeiter ständig um Rat und richten sich nach deren Wünschen. Mit der Zeit findet so ein Rollentausch statt: Die Mitarbeiter übernehmen die Führung, die Führungskraft wagt alleine keinen Schritt mehr. Das ist sicher nicht das, was Sie sich vorgestellt haben.

Leider ist diese Entwicklung nicht auf Anhieb zu erkennen. Schließlich ist es ja erst einmal gar nicht so schlecht, wenn ein Jungmanager auf den Rat von Erfahrenen hört. Nur sind die Grenzen eben fließend, und einen Teamleiter, der sich vom Team leiten lässt, nimmt am Ende keiner mehr ernst.

Deshalb: Behalten Sie das junge Talent, dass sich so gut mit den Mitarbeitern versteht, genau im Auge. Beruft er oder sie ständig lange Meetings ein, sobald die kleinste Entscheidung ansteht, wissen Sie: Die Nachwuchskraft sitzt ist der Angstfalle.

Das Problem: Entscheidungskraft ist auch eine Charakterfrage. Diese Schwäche lässt sich nicht mit einer Anweisung Ihrerseits abstellen. Wer von der Angst, einen Fehler zu machen, gelähmt ist, wird immer erst die Zustimmung anderer Mitarbeiter suchen und deshalb oft nach Stimmung und nicht nach Faktenlage entscheiden. Außerdem kommt die ganze Abteilung wegen der häufigen Meetings kaum noch zum Arbeiten.

Schicken Sie das Talent zu entsprechenden Seminaren, und wenn das nicht hilft, dann packen Sie es lieber auf einen gemütlichen Posten für profillose Befehlsempfänger.

Szenario: Der Besserwisser

Häufig unter Nachwuchstalenten anzutreffen ist auch der Besserwisser. Sein Selbstbewusstsein ist so riesig, dass Kritik oder Einwände von Mitarbeitern ihn gar nicht erreichen. Sobald einer der Mitarbeiter eine andere Sicht der Dinge hat, betrachtet der Jungmanager dies vielmehr als persönlichen Angriff – und reagiert auch so. Ratschläge, Erfahrungen und sogar handfeste Fakten interessieren diese Führungskraft nicht, wenn sie ihren Ansichten widersprechen. Er hat das Fach schließlich studiert und weiß deshalb alles besser.

Solche Typen müssen Sie möglichst schnell erkennen und ausbremsen. Denn die Stimmung in der Abteilung leidet garantiert unter diesem Größenwahn. Außerdem besteht die Gefahr, dass die erfahrenen Mitarbeiter in Zukunft wirklich lieber den Mund halten. Sie verschweigen dann vielleicht nicht nur ihre Bedenken, sondern behalten auch die guten Ideen für sich. Oder tragen sie sogar zur Konkurrenz, bei der sie sich vor lauter Frust irgendwann bewerben werden.

Den Besserwisser auf Spur zu bringen, ist aber relativ leicht. Denn er hat zwar wenig Respekt vor seinen Mitarbeitern, aber große Angst vor dem Chef. Ein ernsthaftes Vier-Augen-Gespräch dürfte dem aufgeblasenen Selbstbewusstsein schnell die Luft ablassen. Hilfreich ist es zudem, deutlich zu zeigen, wie eng Sie mit den altgedienten Mitarbeitern in der betroffenen Abteilung verbunden sind. Sobald der Besserwisser das Gefühl hat, der eine oder andere dürfe mit Ihnen höchstpersönlich auf Augenhöhe kommunzieren, wird er sich ebenfalls zusammenreißen und die Mitarbeiter mit mehr Respekt behandeln.

Fazit: Nachwuchs über Wasser halten

Unterm Strich kommt kein junger Mensch um den Sprung ins kalte Wasser herum. Das bedeutet nicht mehr als dass man alles eben einmal zum ersten Mal tut. Es bedeutet aber auch, dass jemand aufmerksam dabei sein muss, der den Neuling am Schopf packt, bevor er die ganze Abteilung mit absaufen lässt. Eine perfekte Ausbildung, beste Zeugnisse und selbst Empfehlungen auf anderen Hierarchieebenen sind keine Garantien dafür, dass Jungmanager in der Praxis auf Anhieb klarkommen.

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