Die Post bringt Datenpakete
Das „Breitbandkabel steigert kontinuierlich seinen Anteil am Breitbandmarkt, insbesondere bei der Neukundengewinnung. Es wird somit zum wichtigsten Herausforderer der Deutschen Telekom“. So steht es selbstbewusst in einem Report des Verbands Deutscher Kabelnetzbetreiber (ANGA). Wie konnte es zu dieser Stärke des CATV-Netzes kommen? Immerhin hat doch der Vorläufer der Deutschen Telekom just dieses heute so wertvolle TV-Kabelnetz aufgebaut.
Des Rätsels Lösung besteht darin, dass das Fernsehkabelnetz vom früheren Staatskonzern Deutsche Bundespost zunächst als unidirektionales Verteilnetz erbaut wurde, was für die Verbreitung von Fernsehprogrammen damals auch völlig reichte. Erst nach der Privatisierung wurden diese Breitbandverteilnetze von den privaten Kabelfirmen durch Einführung eines Rückkanals für bidirektionale Anwendungen wie Telefonie und Internet aufgerüstet.
Rückkanal nachgerüstet
Dazu wurden die Übertragungsfrequenzen im Netz auf bis zu 862 MHz erhöht und die Verteilstellen modernisiert. Nimmt der Kunde das TV-Kabel-Internet-Angebot an, ersetzt der Kabelprovider die oft jahrzehntealte Radio/TV-Antennendose in der Regel durch eine neue Multimediadose mit einer dritten Muffe namens „Data“ oder „Internet“. Daran schließt er per Koaxialkabel ein Kästchen namens Kabelmodem an, das die Telefonie via Telefonbuchsen an ganz normale Telefonapparate herausführt und das Internet über Ethernet-Buchsen an PC, Laptop, Router oder WLAN-Router leitet.
Oft muss auch noch das hausinterne CATV-Kabelnetz beim Kunden, vor allem dessen CATV-Verstärker im Keller, modernisiert werden, damit auch wirklich 100 MBit/s über 862 MHz bis an die neue Multimediadose gelangen können.
Dr. Jürgen Kaack hat eine Reihe von Projekten als Berater begleitet. Einige aus der Region Nordrhein-Westfalen stellt er ausführlicher als Best-Practice-Beispiele vor: Arnsberg, Ennepetal, Erftstadt, Erkelenz und Wegberg sowie die Lage im gesamten Kreis Heinsberg, ferner Geilenkirchen, Haltern am See, Kaarst, Nettetal und Rheurdt. Außerdem berichtet er von der T-City Friedrichshafen, erläutert die möglichen Geschäftsmodelle im kommunalen Breitbandausbau sowie die Optionen der NGA-Rahmenregelung und setzt auseinander, wo Vectoring seine Haken hat. Nicht zuletzt skizziert er die Prinzipien einer Breitbandstrategie NRW und macht handfeste Vorschläge für eine umfassende Breitbandstrategie. Seine gesammelten Erfahrungen sind 2016 in der Reihe MittelstandsWiki bei Books on Demand erschienen: „Schnelles Internet in Deutschland“ (Paperback, 220 Seiten, ISBN 978-3-946487-00-5, 9,99 Euro).
Deutschland ist der größte Kabelmarkt Europas. Das Breitbandkabel versorgt hier ca. 18 Mio. TV-Haushalte, so ein ANGA-Report von 2013. (Grafik: ANGA 2013)
Seit 2010 verbreiten sich auch WLAN-Router, die schon ein Kabelmodem fest integriert haben, etwa die Fritz!Box 6360 Cable von AVM. Ein separates Kabelmodem in einem eigenen Gehäuse wird damit überflüssig. In der Regel bekommen ihn die Endkunden nicht vom Hersteller, sondern mieten den Router vorkonfiguriert oder fernkonfiguriert von CATV-Providern wie Kabel Deutschland (KD) oder Unitymedia. Auf der Anga Com 2013 und auf der IFA 2013 war zuletzt ein neues Modell, die AVM Fritz!Box 6490 Cable mit ebenfalls eingebautem Kabel-TV-Internet-Modem, zu sehen.
Teil 1 beginnt mit der Deutschen Bundespost und erklärt den Auf- und Ausbau des heutigen CATV-Netzes. Teil 2 sichtet die Lage auf dem Markt. Typisches Merkmal ist der relativ geringe Upload-Speed.
Asymmetrischer Datendurchsatz
Das Fernsehkabelnetz ist insgesamt viel jünger als das Telefonienetz. Die verlegten TV-Kupferkoaxialkabel haben einen relativ dicken Kupferkern und einen abschirmenden Kupfermantel. Dadurch sind die Koaxialkabel weniger störanfällig, haben bessere Reichweiten und eine höhere Übertragungskapazität als die bei ADSL und VDSL genutzten historischen Telefonleitungsnetze mit ihren verdrillten Kupferdrähtchen.
Mit einem solch leistungsstarken Ex-Post-Kabelnetz im Rücken können Provider wie Kabel Deutschland oder Unitymedia KabelBW inzwischen auch Internet mit 100 MBit/s und mehr zu günstigen Preisen anbieten. Entsprechend stark ist der Kundenzulauf.
CATV verteilt Glasfaser
Die internationale DOCSIS-Architektur (Data Over Cable Service Interface Specification) aus den Jahren 1997 und 1998 beschreibt, wie das Kabelmodem beim Kunden und das CMTS (Cable Modem Termination System) in der Kabelkopfstelle des Anbieters die neuen Datenübertragungsfunktionen in den ehemaligen Nur-Fernseh-Verteilnetzen realisieren.
Seit 2006 wird mit der internationalen DOCSIS-Version 3.0 auch eine Kanalbündelung (Channel Bonding) in Fernsehkabelnetzen definiert und eingeführt. Damit lässt sich die Internet-Datenrate beim Kabelkunden kurzfristig vervielfachen. Grundsätzlich sind weite Teile der deutschen TV-Kabelnetze schon mit EuroDOCSIS 3.0 aufgerüstet. Rein theoretisch könnte man einem Teil der Kabelkunden damit bereits 200 oder 400 MBit/s Download-Speed anbieten. Dazu müsste man aber auch die dahinter liegende Netzinfrastruktur noch weiter aufrüsten.
Auch im CATV-Kabelnetz baut man die Glasfaser immer näher an den Internet-Endverbraucher heran. Nur so lassen sich die stark wachsenden Datenmengen abtransportieren. In der Grafik steht HFC für „Hybrid Fiber Coax“. (Bild: ANGA 2013)
Typische Nettodurchsatzraten an einem CATV-Anschluss unweit der Münchener Messeautobahn A94: Sehr schöne Download-Raten von 95 MBit/s, relativ langsame Uploads bei 6 MBit/s und sehr flotte Ping-Zeiten um die 20 ms. (Bild: Screenshot, Harald Karcher)
Allerdings hat man den Rückkanal bei der ersten großen Modernisierungswelle sehr knapp kalkuliert. Deshalb findet man in diesem Markt typischerweise extrem asymmetrische Angebote, wie etwa 100/6 MBit/s bei Kabel Deutschland.
Offenbar konnte sich noch vor wenigen Jahren kaum jemand vorstellen, dass auch private Nutzer immer mehr Sendepower brauchen – heute wollen die Kunden aber massenweise Fotos und Videos auf Plattformen wie Facebook und YouTube hochladen. Oder sie nutzen bidirektionale Videogespräche und Videokonferenzen, die gleichermaßen Empfangs und Sendepower brauchen. Beim reinen TV-Konsum dagegen brauchte man bisher fast nur Empfangskapazität; das gilt auch heute noch beim Internet-TV (IPTV). Aber insgesamt wird das Nutzerverhalten zunehmend interaktiver, und so entwickelt sich der knappe Upload zum größten Manko beim Internet über TV-Kabel.
- Wie es auf dem deutschen Markt konkret aussieht, sieht sich der zweite Teil dieser Serie näher an.
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