Kryptowährungen: Was einmal Bitcoin aus­probieren kostet

Krypto­währungen sind gar nicht so sonder­bar. Auch das Prinzip Block­chain ist ein­fach, wenn man es ein­mal ver­standen und selbst ge­testet hat – legal, ver­steht sich. Wie sicher das ist, welche Varianten es gibt und wie der eigene digi­tale Geld­beutel ge­näht sein sollte, steht in dieser prak­ti­schen Anleitung.  

Haste mal ’n Bitcoin?

Von Isabelle Reiff

Bitcoin – Währung der Hacker, Drogendealer und Nerds? Die meisten Menschen haben Berührungsängste mit der virtuellen Währung. Andere verdienen Millionen damit. Zuletzt ein Teenager aus Idaho, der 1000 US-Dollar in die Kryptowährung steckte und innerhalb weniger Jahre vervielfachte. Mitte 2010 lag der Kurs eines Bitcoin bei 25 US‐Cents, bei Redaktionsschluss pendelte er um 3000 US-Dollar, das entspricht 2588 Euro (Stand August 2017).

Tatsächlich sind 70 % aller Bitcoin-Transaktionen spekulativ. Die starken Kursschwankungen verführen dazu, daraus Profit zu schlagen. Nur rund 30 % des Bitcoin-Handels dienen dem Kauf und Verkauf von Waren. Die Tendenz geht aber zum Besseren: 2009, als die Währung ins Leben gerufen wurde, lag das Verhältnis noch bei 99 : 1. Auch in Deutschland kann man schon an fast 200 Orten mit Bitcoins bezahlen, sogar für Dienste wie Zahnpflege, Nachhilfe oder Werbetexte. Unvollständige Übersichten findet man auf diversen Webseiten, z. B. auf coinmap.org. Kürzlich ist auch Lieferando eingestiegen: Jetzt kann man in 11.000 Restaurants Essen bestellen und mit Bitcoin bezahlen.

Mit dicker Brieftasche unterwegs

Lieferando kooperiert dazu mit BitPay. Solche Zahlungsdienstleister machen es Geschäftsinhabern leicht, ihre Preise zum aktuellen Bitcoin-Kurs auszugeben. BitPay generiert daraus QR-Codes, die die Kunden einfach mit ihrem Smartphone abscannen. Anschließend können sie aus ihrer Wallet die Zahlung der gescannten Summe freigeben. Im Gegensatz zu den meisten Kreditkartenanbietern berechnet BitPay keine Gebühr, um Zahlungen abzuwickeln und umzuwandeln. Bei der Währung, in der man die Zahlung erhalten will, kann man zwischen Bitcoin, Euro, Kanadischen und US-Dollar wählen.

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Schwarz auf Weiß
Dieser Beitrag erschien zuerst in unserer Magazin­reihe in der Beilage Heise After Work zur c’t und Technology Review. Einen Über­blick mit freien Down­load-Links zu sämt­lichen Einzel­heften bekommen Sie online im Presse­zentrum des MittelstandsWiki.

Voraussetzung, um Bitcoins empfangen und ausgeben zu können, ist eine Wallet-Software. Bei dieser „Brieftasche“ handelt es sich eigentlich um einen Schlüsselbund. Der wichtigste Schlüssel ist dabei der sogenannte Private Key. Dieser wird beim Einrichten der Wallet automatisch erzeugt und ist entweder ein unsinniger Satz oder eine Buchstaben-Zahlen-Folge. Man sollte ihn sich wie den einzigen Schlüssel zum Safe vorstellen: Geht er verloren, gibt es keinen Ersatz. Also am besten handschriftlich notieren und in einem Bankschließfach aufbewahren.

Bei der Auswahl der Wallet sollte man daher pingelig sein. Es gibt nämlich diverse Varianten: Desktop- und Web-Anwendungen, mobile und solche, die auf einer eigenen Hardware laufen. Auf bitcoin.org gibt es eine strukturierte Übersicht über verschiedene Lösungen, deren Sicherheit auch bewertet wird. Trezor ist zum Beispiel eine Hardware-Wallet in USB-Stick-Größe. Anders als ein USB-Stick nutzt Trezor aber nur eine beschränkte USB-Verbindung ähnlich Maus und Tastatur. So erkennt der Computer zwar das Gerät, kann aber nicht darauf zugreifen. Ein Großteil der Bitcoiner sieht den Trezor darum als beste Offline-Wallet an.

Doch nicht nur der hochgeheime Private Key ist in der Wallet. Auch die öffentliche Adresse (der Public Key) wird hier erzeugt und abgelegt. Den Public Key kann man sich wie einen Briefkasten vorstellen: Absender wissen, wo er steht bzw. können etwas hineinwerfen. Rausnehmen kann aber nur der Besitzer mit dem privaten Schlüssel. Wer auf Nummer sicher gehen will, generiert sich für jeden Transaktionspartner eine separate Adresse. Auch das übernimmt die Wallet.

Serie: Blockchain
Teil 1 beginnt mit den Anfängen und erklärt, wie Kryptowährungen (Bitcoin etc.) funktionieren. Teil 2 erklärt das technische Prinzip hinter diesen Neuerungen und skizziert erste Anwendungsfälle. Teil 3 geht dann ausführlicher auf die Blockchain in Lieferketten ein, vor allem bei der Logistik. Ein Extrabeitrag widmet sich zuletzt den Jobchancen und den Ausbildungsmöglichkeiten in diesem Bereich.

Dezentralisierte Sicherheit

Von der Wallet sollte man regelmäßig am besten mehrere, verschlüsselte Sicherungskopien machen. Denn die Adressen sind nicht das Einzige, das in der digitalen Brieftasche gespeichert wird. Sämtliche Transaktionen werden hier abgelegt, sogar eine reduzierte Fassung der Blockchain. Letztere ist das, was das Bitcoin-Prinzip so sicher macht: Die sogenannte Blockchain beinhaltet – hochverschlüsselt – die gesamte Historie aller je getätigten Transaktionen. Alle Bitcoiner, die diese Verschlüsselung mit eigener Rechenpower unterstützen, haben die komplette Blockchain gespeichert. Sie ist also vielfach gesichert und daher auch fälschungssicher.

Jede neue Transaktion, bei der jemand Bitcoins überweist, wird der Chain in einem Block hinzugefügt. Dies geschieht aber erst, nachdem die Prüfung beweist, dass die Adresse, von der die Überweisung ausgeht, auch über das Guthaben verfügt und alles seine Richtigkeit hat. Dazu muss mehr als die Hälfte der gesicherten Chain-Kopien übereinstimmen. Erst wenn dieser Beweis erbracht ist, ist die Transaktion abgeschlossen und kann auch nicht mehr rückgängig gemacht werden. Dezentrale Verifizierung also – ganz anders als beim Bankensystem.

Die abschließende Überprüfung, der sogenannte Proof of Work, erfolgt per Berechnung eines Hashwerts aus den Transaktionen, die für einen neuen Block zusammengefasst werden. Die Vorgaben für diese Rechenaufgabe werden sukzessive erschwert, sodass es immer rund zehn Minuten dauert, bis eine Lösung gefunden wird, obgleich das weltweite Rechnernetzwerk immer größer und damit leistungsfähiger wird.

Fleißige Minenarbeiter

Wer als Erster die Lösung ausrechnet und diesen neuen Block an die Chain anhängen darf, erhält dafür 12,5 Bitcoins und die Gebühren für die Transaktionen. In der Regel ist das nicht eine Person, sondern ein Zusammenschluss von Menschen, „Miners“ genannt, die so einen Rechnerpool finanzieren. Die mit Abstand größten Pools befinden sich in China, aber auch in Deutschland kann man sich mit Investitionskapital an solchen Bitcoin Mining Clubs beteiligen. Dazu gehört beispielsweise das BitClub Network in Karlsruhe.

Auf eigene Faust braucht man es auf keinen Fall mehr als Miner zu versuchen. Die dazu nötige Hardware ist nicht nur teuer, sondern kaum erhältlich. Da lohnt es sich eher, an einem der Handelsplätze Bitcoins mit Euro zu kaufen. Auf der deutschen bitcoin.de ist nicht viel mehr zu tun, als ein Nutzerkonto anzulegen und mit dem eigenen Bankkonto zu verknüpfen. Man gibt eine Kaufanfrage ein oder nimmt – wie bei eBay – eines der Angebote an. Nicht der volle Kaufpreis ist fällig, sondern lediglich 99,5 %. Käufer und Verkäufer teilen sich nämlich die Marktplatzgebühr von 1 %. Mit einem Konto bei der Fidor-Bank reduziert sich diese Gebühr auf 0,8 %. Außerdem geht der Handel schneller vonstatten.

Rechengeschwindigkeit ist zurzeit ein heißes Thema in der Bitcoin-Welt: Die hohe Nachfrage nach Bitcoins und die Begrenzung der Blockgröße auf 1 MByte haben dazu geführt, dass es teils zu regelrechten Staus bei der Bestätigung der Transaktionen kommt. Logisch, dass die Miner diejenigen Überweisungen zuerst bearbeiten, für die sie am meisten entlohnt werden. Wer vorhat, mit Bitcoins Waren oder Dienstleistungen zu bezahlen, sollte bei der Auswahl der Wallet daher darauf achten, dass sich die Gebühren beliebig einstellen lassen. Die Smartphone-Wallet Electrum erlaubt es sogar, die Gebühr für eine Transaktion noch nachträglich zu erhöhen. Micropayments (0,00000001 BTC sind möglich) rentieren sich bei Zusatzkosten von bis zu 2 US-Dollar immer weniger. Größere Überweisungen ins Ausland sind aber immer noch günstiger als auf normalem Weg.

Der Bitcoin-Split
Der Konflikt um die Blockgröße hat die Bitcoin-Miner in zwei Fraktionen gespalten. Nach langem Streit kam es am 1. August 2017 zur Fork (Spaltung). Dadurch ist parallel zu Bitcoin die Kryptowährung Bitcoin Cash entstanden. Seitdem gibt es zu jeder Bitcoin-Adresse eine identische Bitcoin-Cash-Adresse. Allerdings hat Bitcoin Cash nicht automatisch den gleichen Wert, zuletzt lag er bei etwa 8 % des Bitcoin-Wertes. Bislang hat die Fork also in erster Linie dem Bitcoin weiteren Kursanstieg eingebracht. Außerdem gibt es noch wenig Möglichkeiten, Bitcoin Cash in andere Währungen zu tauschen. Bitcoin.de hat jedoch angekündigt, den Handel zu unterstützen. Auch Electrum und Trezor verhelfen zur Anbindung an die Bitcoin-Cash-Blockchain. Vielleicht ist ja jetzt genau der richtige Zeitpunkt für Neueinsteiger?

Die Kette wächst weiter

Auch bei Ether, der zweiten bedeutenden Kryptowährung, kommt es derzeit zu Kapazitätsengpässen beim Verarbeiten der Transaktionen. Das Netzwerk Ethereum setzt allerdings eine weiterentwickelte Blockchain ein. Sie ermöglicht den Teilnehmern das Ausführen von Scripten, sodass sich zum Beispiel Smart Contracts einbauen lassen. Auch Dash und Monero bieten Funktionen, die über Bitcoin hinausgehen, u. a. solche, die es erschweren, Zahlungsströme zurückzuverfolgen. Entgegen landläufiger Meinung ist das beim Bitcoin nämlich sehr wohl möglich, denn die Adresschiffrierung bietet nur Pseudonymität.

Dass der Bitcoin Schule macht, zeigen nicht zuletzt die Bankenaktivitäten: Citibank, UBS, Deutsche Bank, Santander, Bank of England, People’s Bank of China – sie alle arbeiten an eigenen Kryptowährungen, von denen aber keine dezentralisiert angelegt ist oder dem freien Markt unterliegt. Auch der 100-Millionen-Schuldschein, den Daimler kürzlich mit der Landesbank Baden-Württemberg auf einer Blockchain herausgegeben hat, ist nur einem exklusiven Kreis zugänglich. Dasselbe gilt für den Schweizer Indexfonds, der ab Ende 2017 in fünf verschiedene Kryptowährungen investiert.

Finanzdienstleister unter Druck

Das alles zeigt immerhin, dass Bitcoin auch den klassischen Kapitalmarkt in Bewegung bringt. Und nicht nur die Finanzbranche begreift, dass die Blockchain-Technologie gehöriges Zukunftspotenzial hat. Walmart zum Beispiel will das Konzept nutzen, damit Kunden genau verfolgen können, woher ihre Ware kommt. Überall, wo nachvollziehbar, fälschungssicher und kostengünstig Daten gespeichert werden, wäre Blockchain die bessere Wahl – ob es dabei um Immobilienbesitz oder Musikrechte geht. Grundbuchämter und Verwertungsgesellschaften könnten überflüssig werden, auch solche Vermittlerdienste wie Uber oder Lieferando. Wie und wo sich die Blockchain-Technologie am Ende wirklich als Game Changer entpuppt, steht aber noch in den Sternen – und viele würden es sicher gerne dabei belassen.

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