Lichtbogenöfen: Wer Stahl mit grünem Strom kocht

Etwa 7 % der vom Menschen verursachten CO₂-Emissionen stammen aus der Stahlindustrie. Voestalpine setzt zur Dekarbonisierung unter anderem auf Elektrolichtbogenöfen – zwei neue Greentec-Steel-Anlagen entstehen in Donawitz und in Linz, sie sollen ab 2027 den Ausstoß des Konzerns um 30 % reduzieren.

Elektrostahl mit Grünstrom

Von Dirk Bongardt

Stahl ist und bleibt auf absehbare Zeit ein unverzichtbarer Werkstoff. Dem Nachteil, dass seine Erzeugung relativ energieintensiv ist, stehen erhebliche Vorteile gegenüber, die ihn zu einem der nachhaltigsten Werkstoffe der Gegenwart machen: Hightech-Stahl spart im Fahrzeugbau, in Kraftwerksturbinen oder Windkraftanlagen rund sechsmal so viel Energie ein – und im gleichen Verhältnis auch CO₂ –, wie seine Herstellung erfordert. Stahl ist langlebig, und wenn die damit hergestellten Elemente ausgedient haben, ist er, anders als ein großer Teil anderer recyclingfähiger Werkstoffe, ohne Qualitätsverlust wiederverwertbar. Bis auf Weiteres wird kein anderer Werkstoff Stahl das Wasser reichen können.

Grundlagenforschung in Donawitz

Dass der CO₂-Ausstoß bei der bisherigen konventionellen Stahlherstellung angesichts sich verschärfender Umweltprobleme zu hoch ist, haben Forscher ebenso wie Stahlerzeuger bereits länger auf dem Schirm. Hinzu kommt: Viele Hochöfen erreichen demnächst das Ende ihrer Lebensdauer. Am Standort Donawitz betreibt Voestalpine deshalb Grundlagenforschung: Hier wird eine Versuchsanlage entwickelt, die die CO₂-freie Herstellung von Rohstahl in einem revolutionären Prozess untersucht. Das Geheimnis liegt in einer neuartigen Wasserstoff-Plasmatechnologie, die in einer speziellen Art von Lichtbogenofen zum Einsatz kommt.

In dieser Anlage wird Stahl ohne den herkömmlichen Schritt über Roheisen hergestellt. Zur Reduktion von Erzen kommt Wasserstoffplasma zum Einsatz. Als einziges „Abfallprodukt“ wird dabei gasförmiges, klimaneutrales Wasser freigesetzt, CO₂-Emissionen werden also vollständig vermieden. Diese vielversprechende Technologie könnte einen bedeutenden Beitrag zur Reduzierung der CO₂-Emissionen in der Stahlindustrie leisten.

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Auf 7,5 ha soll in Donawitz ab 2024 eine neue Elektrolichtbogenofenanlage entstehen. (Bild: Voestalpine AG)

Freilich ist die Technologie noch im Stadium der Erprobung. Die Voestalpine-Gruppe arbeitet bei diesem Forschungsprojekt eng mit dem Metallurgischen Kompetenzzentrum K1-MET zusammen. Neben der Voestalpine Stahl GmbH und der Voestalpine Stahl Donawitz GmbH ist auch die Montanuniversität Leoben beteiligt.

Mehr Grünstrom, mehr Schrott

Seit Ende 2021 stellt Voestalpine alle Flachstahlprodukte, die am Standort Linz hergestellt werden, in einer „greentec steel Edition“ her. Dieser Stahl unterscheidet sich von herkömmlichem im Herstellungsprozess. Dazu zählen der teilweise Ersatz von Koks durch wasserstoffhaltige Reduktionsmittel im Hochofen, die Maximierung des Schrottanteils bei der Rohstahlproduktion und der Einsatz von Grünstrom. Allein das spart etwa 10 % CO₂ ein.

Die eingesparten Emissionen werden nach einem Allokationsmodell auf den produzierten Stahl angerechnet. Die Berechnung erfolgt nach der international anerkannten ISO-Norm 14064-2. Wer greentec steel erwirbt, erhält somit eine transparente und garantierte CO₂-Fußabdruck-Deklaration, die im Vergleich zu herkömmlichem Stahl signifikant geringer ausfällt. Dass alle Emissionsreduktionen ordnungsgemäß erfasst und überwacht werden, lässt sich Voestalpine von der LRQA-Gruppe zertifizieren.

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Schwarz auf Weiß
Dieser Beitrag erschien zuerst in unserer Heise-Beilagenreihe „IT-Unternehmen in Österreich stellen sich vor“. Einen Überblick mit freien Download-Links zu sämtlichen Einzelheften bekommen Sie online im Pressezentrum des MittelstandsWiki.

Reduktion mit Brückentechnologien

Im April 2023 hat der Voestalpine-Aufsichtsrat die Genehmigung von 1,5 Milliarden Euro für die Umstellung der österreichischen Stahlerzeugungsstandorte Donawitz und Linz beschlossen. Damit ist ein Baubeginn im Jahr 2024 möglich. Ab 2027 wird im Ergebnis eine beeindruckende jährliche Reduzierung von etwa 3 bis 4 Millionen Tonnen CO₂-Emissionen erwartet. Diese Einsparung entspricht fast 5 % der gesamten jährlichen Emissionen in Österreich.

Schritt für Schritt soll auf diese Weise der Übergang von der kohlebasierten Hochofenroute zur grünstrombasierten Elektrostahlroute realisiert werden. Wesentliche Rohstoffe sind Schrott, flüssiges Roheisen und der in einer Direktreduktionsanlage erzeugte Eisenschwamm, auch als HBI (Hot Briquetted Iron) bekannt. Anstelle der herkömmlichen Reduktionsmittel Kohle und Koks kommt Erdgas zum Einsatz. Voestalpine verspricht sich davon eine Reduktion der CO₂-Emissionen bei der Stahlproduktion in Linz und Donawitz um rund 30 %. Zusätzlich ist für das Jahr 2030 die schrittweise Ablösung eines Hochofens in Linz und Donawitz geplant.

Zur Elektrolichtbogen-Route

Die Herstellung von Stahl erfolgt grundsätzlich auf zwei Arten: über Hochöfen mit Koks oder zukünftig auch Wasserstoff als Reduktionsmittel oder mittels eines sogenannten Lichtbogenofens (EAF, Electric Arc Furnace), der das Erz durch elektrische Lichtbögen schmilzt. In Europa machen EAFs derzeit bereits 42 % der Rohstahlproduktion aus. Die CO₂-Bilanz von EAFs beträgt 0,7 t pro Tonne Stahl, während klassische Hochöfen bei 2,3 t pro Tonne Stahl liegen. Ab 2027 wird die Stahlproduktion der Voestalpine-Gruppe von zwei Hochöfen auf umweltfreundliche Elektrolichtbogenöfen umgestellt, die mit grünem Strom betrieben werden. In Elektrolichtbogenöfen wird mithilfe von elektrischer Energie ein Lichtbogen erzeugt, der den Ofeninhalt auf mehr als 3000 °C erhitzt und ihn innerhalb von etwa 48 bis 50 Minuten schmilzt. Anschließend wird die Schlacke entfernt, der Stahl abgestochen und der noch heiße Ofen neu beladen.

Der Übergang von der Hochofen-Konverter- zur Elektrolichtbogen-Route der Stahlerzeugung ist allerdings nicht ohne Schwierigkeiten. Während einerseits der CO₂-Ausstoß reduziert wird und die neue Anlage flexibler ist, was die eingesetzten Materialien betrifft, beansprucht die Elektrostahlroute andererseits eine enorme Menge an elektrischer Energie und stellt auch spezielle metallurgische Anforderungen. Zwar lässt sich im EAF in wesentlich höherem Maße auch aus Schrott Stahl erzeugen, das ist aber nach wie vor nicht ganz unproblematisch: Derzeit kann aufgrund von Verunreinigungen und Handhabungsproblemen in der Schrottwirtschaft nur ein Teil des Altschrotts in Europa und Österreich tatsächlich für die Herstellung von Hochleistungsstählen genutzt werden, obwohl der Anteil von Altschrott am Gesamtschrottaufkommen bis zu 75 % erreichen kann. Durch eine bessere Vorsortierung, die Entfernung unerwünschter Begleitelemente mittels sekundärmetallurgischer Prozesse und ein verbessertes Verständnis der Wechselwirkung zwischen verschiedenen Begleitelementen könnte das vorhandene Potenzial des Schrotts besser genutzt werden.

Voestalpine als Vorreiter

Dass andere europäische Unternehmen Voestalpine folgen werden, gilt als ausgemacht – schon, weil sie müssen. Etwa 70 % der Hochöfen in Europa müssen in den nächsten zehn Jahren aus technischen Gründen erneuert werden. Dies eröffnet die Chance, den CO2-Ausstoß der Stahlindustrie bis 2050 durch Elektrifizierung und den verstärkten Einsatz von Wasserstoff erheblich zu reduzieren.

Ein Punkt bleibt vorerst unsicher, doch aufgrund der positiven Geschäftslage des Stahl- und Technologiekonzerns scheint dies vorerst auch kein Killer-Kriterium zu sein: die Höhe der Fördermittel, die die Voestalpine aus dem staatlichen 5,7-Milliarden-Fördertopf für die Industrietransformation erhalten wird. Die genauen Förderrichtlinien sind noch nicht festgelegt, daher ist auch das erwartete Fördervolumen für die Voestalpine derzeit nicht bekannt.

Abgesehen davon ist noch ein anderer Faktor erfolgsentscheidend. Auf der Website von Voestalpine heißt es deshalb, vorsichtig mahnend:

„Eine besonders wichtige Grundvoraussetzung für die Dekarbonisierung der Stahlproduktion – sowohl für die Umsetzung einer Hybridtechnologie unter Einsatz von Elektrolichtbogenöfen als auch für eine langfristige Technologietransformation auf Basis von grünem Wasserstoff – ist die ausreichende Verfügbarkeit von Strom aus erneuerbarer Energie in ausreichender Menge und zu wirtschaftlich darstellbaren Preisen. Nur so werden die zukünftigen Technologien auch tatsächlich wettbewerbsfähig betrieben werden können.“

Einsparung ab 2027

Nicht nur die Voestalpine investiert in umweltfreundliche Technologien, um ihren CO₂-Ausstoß drastisch zu reduzieren. Elektrolichtbogenöfen, betrieben mit grünem Strom, sind dabei ein Schlüssel zur Dekarbonisierung. Die greentec steel Edition setzt ebenfalls auf Nachhaltigkeit, indem sie den CO₂-Fußabdruck von Stahlprodukten erheblich verringert. Die Voestalpine-Gruppe plant einen schrittweisen Übergang zu diesen Technologien, der ab 2027 jährlich Millionen Tonnen CO₂-Emissionen einsparen soll.

Noch sind einige Schwierigkeiten zu beseitigen, dazu gehören u.a. die benötigte Menge an elektrischer Energie und die effiziente Nutzung von Schrott als Rohstoff. Doch angesichts der steigenden mit dem CO2-Ausstoß verbundenen Kosten werden auch andere Stahlerzeuger dem Voestalpine-Beispiel folgen – so oder so ähnlich.

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Dirk Bongardt hat vor Beginn seiner journalistischen Laufbahn zehn Jahre Erfahrung in verschiedenen Funktionen in Vertriebsabteilungen industrieller und mittelständischer Unternehmen gesammelt. Seit 2000 arbeitet er als freier Autor. Sein thematischer Schwerpunkt liegt auf praxisnahen Informationen rund um Gegenwarts- und Zukunftstechnologien, vorwiegend in den Bereichen Mobile und IT.


Dirk Bongardt, Tel.: 05262-6400216, mail@dirk-bongardt.de, netknowhow.de

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