Mehr Speed für Funknetze: Wann WLAN 11ac den Turbo dazuschaltet

11ac ist keine feste Hausnummer, sondern eine Fahrtrichtung: Bei WiFi-11ac hat man etliche Möglichkeiten, weitere Speed-Zuwächse zu erzielen. Zu den bewährten Mitteln gehören gebündelte Kanalbandbreiten von bis zu 160 MHz, bis zu acht Antennen, bis zu acht Spatial Streams sowie Multi-User MIMO.

Aufgebohrtes WLAN 11ac

Von Dr. Harald Karcher

Die Verdoppelung des zum Senden und Empfangen genutzten Frequenzkorridors ist der einfachste Weg, um den Datendurchsatz in einem Funknetz zu verdoppeln. Oft spricht man auch von Kanalbündelung oder von CA (Carrier Aggregation). Das Problem ist nur: Die Bandbreite ist in vielen Bereichen der Luft ein begehrtes, begrenztes und sehr kostbares Gut.

Kanalbündelung bei LTE

Mobilfunkbetreiber zahlen alle paar Jahre Versteigerungsmilliarden, um die „Miete“ für ihre alten Frequenzbänder zu verlängern oder um neues Frequenzspektrum neu zu erwerben. Hat ein Mobile Operator genug Bandbreite eingekauft, dann kann er z.B. sein 150-MBit-LTE durch Carrier Aggregation auf 300 MBit/s Bruttodurchsatz verdoppeln, wie das die Deutsche Telekom und weitere LTE-Netzbetreiber in den letzten Jahren realisiert haben.

Im Gegensatz zum teuren Mobilfunkspektrum sind die für Wireless LAN benötigten 2,4- und 5-GHz-Funkbereiche fast weltweit kostenlos nutzbar. Das 2,4-GHz-Band ist zwar schon ziemlich übervölkert, aber im 5-GHz-Band gibt es noch genug Platz, um mehrere Kanäle zu breiteren Korridoren zu bündeln.

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Schwarz auf Weiß
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Kanalbündelung bei WiFi-11n

Schon bei WiFi-11n konnte man zwei benachbarte 20-MHz-Kanäle zu einem 40-MHz-Korridor aggregieren und damit den Speed in etwa verdoppeln. Beispiel: Kann sich ein 3×3:3-11n-Access-Point mit einem 3×3:3-11n-Endgerät auf einen 40-MHz-breiten „Luftkorridor“ verständigen, dann können die beiden auf kurze Distanz mit bis zu 450 MBit/s brutto kommunizieren. Können die beiden Kommunikationspartner in der Luft dagegen nur einen 20-MHz-Kanal ergattern, müssen sie eben auf den niedrigeren 216-MBit/s-Gang (oder noch weiter) herunterschalten.

Im 5-GHz-Bereich stehen circa 20 überlappungsfreie 20-MHz-Kanäle für WLAN zur Verfügung, je nach Land und Kontinent. Im 2,4-GHz-Bereich gibt es insgesamt nur drei überlappungsfreie 20-MHz-Kanäle. Daraus folgt, dass die 11n-Kanalbündelung im fast noch leeren 5-GHz-Bereich mit seinen circa 20 überlappungsfreien Kanälen grundsätzlich viel mehr Sinn macht als im stark übervölkerten 2,4-GHz-Band.

Kanalbündelung bei WiFi-11ac

11ac-Wave-1 braucht bis zu 80 MHz Bandbreite, um sein Speed-Maximum entfalten zu können. So breite Spuren sind auf der 2,4-GHz-Autobahn gar nicht verfügbar. Deshalb konnte 11ac schon von Anfang an nur im 5-GHz-Band und nicht bei 2,4 GHz durchstarten.

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Speed versus Reichweite: Mit zunehmender Entfernung lässt die Geschwindigkeit zwischen WLAN-AP und WLAN-Client nach. Das war schon so bei WLAN 802.11abgn, bestätigt sich beim WLAN-11ac-Wave-1 und wird auch bei WLAN-11ac-Wave-2 nicht anders sein. (Grafik: Cisco)

11ac-Wave-2 soll 8 × 20 MHz auf 160 MHz bündeln. Damit sind Datenraten von 3,5 GBit/s (mit 4SS) und irgendwann knapp 7 GBit/s (mit 8SS) im 5-GHz-Band vorstellbar. Bei einer derartigen „Überbreite“ haben allerdings auch im 5-GHz-Band nur zwei 160-MHz-Übertragungen gleichzeitig Platz. In einem dicht besiedelten Wohnblock könnten also nur zwei Nachbarn je eine 160-MHz-Übertragung mit 7 GBit/s brutto gleichzeitig überlappungsfrei genießen. Für alle weiteren Nachbarn bleibt dann fast keine Bandbreite zum Senden und Empfangen übrig.

In einer Firmenumgebung dagegen gibt es oft einen zentralen WLAN-Planer. Der hat mehr Einfluss auf die Nutzung der Bänder: Er müsste die künftigen Access-Points so geschickt platzieren und feinjustieren, dass sich die zwei 160-MHz-Funkzellen nicht in die Quere kommen, sofern er allzeit in jeder 160-MHz-WiFi-Zelle die vollen 7 GBit/s brutto bekommen will. Die Wahrscheinlichkeit ist allerdings hoch, dass man in einem bestimmten Radius, etwa in einem Zimmer oder in einer Halle, sowieso nur einen einzigen AP mit 160 MHz voll ausfahren kann.

Kanalüberlappungen und gegenseitige Funkstörungen (Interferenzen) sind in der Praxis an der Tagesordnung und bringen ein WLAN nicht gleich zum Absturz. Es können sich bei starken Überlappungen aber die Speed-, Ping- und QoS-Werte erheblich verschlechtern. Zumindest in der Planung sollte man daher eine optimale Verteilung und Positionierung der Basisstationen anstreben.

Schon heute ist absehbar, dass es auch im aktuell noch weitgehend leeren 5-GHz-Band mit 11ac-Wave-2 und seinen Nachfolgern bald eng werden wird. 11ac-Wave-2 schreit nach einem zusätzlichen, lizenzfreien Frequenzspektrum. Ob und wann dem stattgegeben wird, entscheiden eher die Politiker, weniger die Techniker.

Single-User MIMO bis 11ac

Bei 11abg wurde die gesamte Datenmenge noch über eine einzige Antenne gesendet und empfangen. Wenn diese früheren Funkgeräte trotzdem schon zwei Antennen hatten, dann war das meistens eine Diversity-Konstruktion: Damit wurde der Datenstrom blitzschnell auf die jeweils besser versorgte Antenne umgeschaltet.

Mit dem Aufkommen von 11n wurde das Prinzip MIMO in die WLAN-Technik eingeführt. MIMO steht für Multiple Input Multiple Output; dabei wird der Datenstrom über einen Splitter auf mindestens zwei Sende- und Empfangsantennen aufgeteilt. Bei 11n können es auch bis zu vier, bei 11ac-Wave-2 oder Nachfolgern sogar bis zu acht Antennen sein.

Die MIMO-Antennen werden möglichst so angeordnet, dass die Ausbreitung des Funksignals räumlich versetzt erfolgt und es zu keinen gegenseitigen Störungen bei der Übertragung kommt. Während die bisherigen Funktechniken ohne MIMO oft Probleme mit Reflexionen hatten, nutzt MIMO diese bewusst aus und erreicht dadurch einen erhöhten Durchsatz und eine robustere Kommunikation.

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Beim bisher üblichen Single-User MIMO konnte ein WLAN-Access-Point zu einem bestimmten Zeitpunkt nur mit einem einzigen Client Daten austauschen. Dank Multi-User MIMO kann ein 11ac-Wave-2-AP im 4×4:4SS-Design mit vier Endgeräten gleichzeitig kommunizieren. Dadurch wird die jeweils verfügbare Bandbreite im 5-GHz-Band um ein Mehrfaches besser genutzt. (Bild: Qualcomm Atheros 2015)

Außerdem soll die MIMO-Technik die Reichweite pro Access-Point erhöhen. Die bewusste Nutzung der Reflexionen an Wänden, Decken, Böden, Schränken und weiteren Gegenständen soll auch sicherstellen, dass die Datenrate mit steigendem Abstand zwischen AP und Endgerät langsamer abfällt als bei den früheren Technologien und dass somit eine größere räumliche Abdeckung bei gleicher Anzahl von APs erreicht wird.

Multi-User MIMO ab Wave 2

Von 11n bis zu 11ac-Wave-1 sprach man einfach von MIMO und meinte Single-User MIMO. Das heißt: Wenn ein Gerät auf einem Kanal sendet, kann kein weiteres Gerät auf diesem Kanal senden. Mit Multi-User MIMO (MU-MIMO) wird nun eine Art Switching-Prinzip in den Wireless-Verkehr eingeführt. Jetzt kann ein Access-Point auch mit mehreren Clients gleichzeitig Daten austauschen.

Im folgenden Beispiel kann das zur Verfügung stehende Frequenzspektrum in der Luft um das Zwei- bis Dreifache besser genutzt werden: Spricht ein 3×3:3SS-Access-Point mit einem 1×1:1SS-Handy, dann wird ohne MU-MIMO ein Drittel der Bandbreite genutzt und zwei Drittel werden ungenutzt verschwendet. Mit MU-MIMO können die restlichen zwei Drittel der Bandbreite jetzt an zwei weitere 1×1:1SS-Geräte vergeben werden. Der Luftraum wird damit fast dreimal ökonomischer genutzt.

Auch ältere WLAN-Clients, die nur Single-User MIMO beherrschen, dürften indirekt von Multi-User MIMO profitieren, weil der Access-Point dank MU-MIMO mehr freie Air-Time für die älteren Clients gewinnt und diese nicht so lange warten müssen, bis sie drankommen.

Multi-User MIMO gehört zu den wichtigsten Features ab 11ac-Wave-2, weil es besonders intelligent mit der wertvollen Ressource Frequenzspektrum umgeht. Das Prinzip ist allerdings derart komplex, dass es in den bisherigen 11ac-Wave-1-Produkten noch nicht implementiert wurde. Selbst bei 11ac-Wave-2-Geräten ist MU-MIMO noch kein Zwang, sondern nur eine Option. Vermutlich werden es aber trotzdem viele Hersteller unterstützen.

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WLAN-802.11n hat im 2,4-GHz-Band etwa eine doppelt so große Reichweite wie 802.11n im 5-GHz-Band, bei ansonsten gleicher Sendestärke, gleichem Gebäude und gleichen Funkhindernissen (Bild: Aruba Networks)

MU-MIMO kommt jedenfalls genau zur rechten Zeit. Denn der Traffic nimmt unaufhaltsam zu: Jeder einzelne WiFi-User setzt heute mehr durch als gestern und jeden Tag werden es mehr Nutzer, die noch mehr Daten durch die Luft jagen, ob Mitarbeiter in den Unternehmen, Digital Natives in der Öffentlichkeit oder Hotelgäste, die schnelles Internet per WLAN als eine Selbstverständlichkeit erwarten. Multi-User MIMO kann mit so einer Vielzahl von mobilen Geräten besser umgehen als das bisherige Single-User MIMO.

Mehr Reichweite durch Beamforming

Gigabit-WLAN-11ac, egal ob Wave 1 oder Wave 2, hat ein explizites Beamforming. Das heißt: Die Basisstation trackt den Client, um zu erfahren, wo er sich befindet, und um dann die Sendeleistung exakt zu diesem Client zu erhöhen. Das ist verpflichtender Standard beim neuen WLAN-11ac. Bei WLAN-11n war Beamforming nur optional. In der Praxis hilft es, die Reichweite zu erhöhen. Dennoch gilt auch bei 11ac, wie schon bei 11abgn: Je weiter sich der Client von der Basisstation entfernt, desto geringer wird die Datenrate.

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Beim bisher üblichen Single-User MIMO (links) konnte ein WLAN-Access-Point nur ein einziges Endgerät mit seinem Beamforming gezielt verfolgen. Dank Multi-User MIMO (rechts) kann er jetzt auch mehrere Clients gleichzeitig verfolgen und mit mehr Sendeleistung adressieren. (Bild: Qualcomm Atheros 2015)

Ansonsten gilt natürlich nach wie vor, dass die längeren Wellen im 2,4-GHz-Band (etwa 11b/g/n) bei gleicher Sendepower besser und tiefer durch Gebäude dringen als die kürzeren Wellen im 5-GHz-Band (etwa 11a/an/ac). Für die Funknetzplanung heißt das: Bei einem Rollout mit 5 GHz braucht man mehr Access Points als mit 2,4 GHz. Bei einem gemischten Rollout mit Dualband-APs, die sowohl 2,4 GHz als auch 5 GHz bedienen, muss man die Sendestärken bei 2,4 GHz reduzieren, sonst kommt es in den 2,4-GHz-Bändern zu einer Überversorgung mit entsprechend starken Interferenzen.

Energieverbrauch der 11ac-Clients

Mehr Speed heißt: kürzere Datenübertragungszeiten. Just aus diesem Grunde erwarten die Hersteller bei den 11ac-Wave-2-Clients einen um bis zu 40 % geringeren Energieverbrauch pro Megabyte. Falls die Datenmengen, die die User durchs Netz jagen, nicht schneller wachsen, als auf der anderen Seite der Energieverbrauch fällt, lässt 11ac-Wave-2 unterm Strich auf längere Batterielaufzeiten bei Smartphones hoffen.

Vermutlich werden die ersten 11ac-Wave-2-Clients noch keine 160 MHz, kein 4SS und schon gar kein 8SS unterstützen. Das Zertifizierungsprogramm der WiFi Alliance wird nach Ansicht von Branchenkennern ohnehin nicht vor 2016 starten. So bleiben die Aussagen zu 11ac-Wave-2 an vielen Stellen momentan noch etwas spekulativ.

Mehr Power für 11ac-Stationen

Im Firmenumfeld werden WLAN-Access-Points vorzugsweise mittels PoE (Power over Ethernet) mit Strom versorgt: Das normale PoE (IEEE 802.af) liefert bis zu 15,4 W pro Port, davon sind 12,95 W garantiert. Das stärkere PoE+ (IEEE 802.at) liefert bis zu 30 W pro Port, wobei 25,5 W garantiert sind.

11n-Access-Points verbrauchen circa 10 bis 13 W. Dafür reicht Standard-PoE gerade noch. Wave-1-APs dürften PoE+ benötigen, wenn alle Features ausgereizt werden. Wave-2-APs dürften auf alle Fälle PoE+ benötigen. Wer seine Funknetzinfrastruktur auf 11ac umstellt, sollte also prüfen, ob die vorhandenen Switches auf allen Ports genug Strom für 11ac abgeben.

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