WiFi-Mesh-Netze: Was sich der WLAN-Markt von Mesh-Netzen erhofft

Die Meinungen zu den neuen WiFi-Mesh-Systemen sind sehr unter­schiedlich: Linksys und Netgear loben die vermaschten Netze, Lancom warnt ein­dringlich. Am Ende wollen aber alle nur das Beste für den User: Ein stabiles, flächen­deckendes, kom­fortables WLAN. Zu diesem Ziel führen aller­dings viele Wege.

Ist Mesh die Zukunft des WLAN?

Von Dr. Harald Karcher

Ein WLAN-Router oder WLAN Access Point (AP) hat nun mal eine beschränkte Reichweite. Oft geht der Speed schon hinter der ersten Betonwand in die Knie. Wie lässt sich aber trotzdem ein ganzes Haus, Hotel, Geschäft, Büro, Restaurant über mehrere Etagen lückenlos mit schnellem WLAN versorgen? Na klar, man nehme zwei, drei, vier oder noch mehr Access Points und koppele sie zu einem größeren WLAN-Netzwerk zusammen.

Fragt sich nur noch: Wie genau vernetzt man mehrere APs intelligent und professionell zu einem größeren Funknetz? Da gehen die Meinungen weit auseinander. Uns fallen vier verschiedene WLAN-Architekturen ein:

  1. WLAN-APs über LAN-Kabel an PoE-Switches oder Router koppeln,
  2. WLAN-APs über Powerline-Stromleitungen an Router koppeln,
  3. WLAN-Repeater über die Luft an WLAN-Router koppeln oder
  4. WiFi-Mesh-Points über die Luft vermeshen und an Router koppeln.

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Beispiel für ein klassisches Firmen-WLAN: An einem 16-Port-Gigabit-Switch (Mitte) können bis zu 16 WLAN Access Points hängen. Hier sind symbolisch nur mal zwei weiße APs im Bild. Beim linken AP laufen sowohl die Daten als auch der Strom dank PoE gemeinsam über das rote LAN-Kabel. Beim rechten AP laufen nur die Daten übers LAN, ohne den PoE-Strom. Der rechte AP wird direkt an seinem eigenen Netzteil angeschlossen. (Bild: Harald Karcher)

Architektur 1: WLAN-APs über LAN-Kabel an den Router koppeln

Bei Profilösungen im Segment KMU und Enterprise hängt man meist mehrere Access Points über Gigabit-Ethernet-Kabel an Gigabit-Switches oder an WLAN-Controller. Oft schickt man nicht nur die Daten, sondern auch gleich noch den Strom über das LAN-Kabel zu den Access Points. Dank Power over Ethernet (PoE) muss man keine gesonderte Stromversorgung zu den APs führen, was sehr beliebt ist, wenn der AP etwa an Wand oder Decke hängt, wo keine Steckdose für ein AP-Netzteil in der Nähe ist. Der Strom für den AP kommt nämlich direkt aus den LAN-Buchsen eines PoE-fähigen Ethernet-Switches oder aus einem gesonderten PoE Injector. Klar kann man eine solche Profi-WLAN-Architektur auch im privaten Heim verbauen. Es gibt auch kaum etwas Stabileres als WLAN-APs über Gigabit-LAN-Kabel anzubinden.

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Vernetzung über die Stromleitung: Powerline (PLC) kann Endgeräte und verteilte WiFi-Points über die normale Stromleitung mit einem zentralen Router vernetzen. Beispiel: Hier sieht man zwei kostengünstige PLC-Lösungen von AVM aus Berlin und von devolo aus Aachen. (Bild: Harald Karcher)

Architektur 2: WLAN-APs via 230-V-Stromkabel an den Router koppeln

Im Prinzip kann man Daten auch über vorhandene 230-V-Stromleitungen senden. Das nennt sich Powerline und ist nicht zu verwechseln mit Power over Ethernet, siehe oben. Thomas Molkenbur, Director Engineering Business Solutions beim deutschen Powerline-Pionier Devolo AG aus Aachen, erklärt: „Wenn das Verlegen von strukturierter Verkabelung aus ökonomischer Sicht oder wegen bestehender Auflagen (Denkmalschutz, Brandschutz) nicht möglich ist, dann gibt es immer noch die Möglichkeit, Power Line Communication als Backbone für die Verbindung der APs mit dem Router zu verwenden. Auch im professionellen Umfeld z.B. mit dem dLAN pro 1200+ WiFi ac von devolo.“

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Beispiel für eine klassische WLAN-Router-und-Repeater-Kombi: Der WLAN-Router namens AVM Fritz!Box 7580 (links) wird mit einem Reichweitenverstärker namens Fritz!WLAN Repeater 1750E (rechts) über die Luft verkoppelt. Dank häufiger Software-Verbesserungen wird die bewährte Lösung ständig mit dem aktuellsten Mesh-Komfort angereichert. (Bild: Harald Karcher)

Architektur 3: WLAN-Repeater über Luftstrecken an WLAN-Router koppeln

Im privaten Heim, im Home Office oder in kleinen Firmen erfreuen sich All-in-one-WLAN-Router großer Beliebtheit. Ein guter Highend-WLAN-Router mit allem drin, samt Internet-Modem, DECT-Basis, Telefonanlage, 4-Port-Gigabit-Switch, USB 3.0 und modernstem 4-Stream-11ac-Wave-2-WLAN bis 1733 MBit/s, kostet beim deutschen WLAN-Champion AVM aus Berlin keine 300 Euro.

Falls einem solchen WLAN-Router nach ein, zwei dicken Wänden oder Decken im hintersten Winkel einer größeren Wohnung dann doch mal die WLAN-Kraft ausgehen sollte, kann man mit einem Range Extender, auch WLAN-Repeater genannt, auf Deutsch also mit einem WLAN-Funkverstärker, die Reichweite vergrößern und verlängern. Einfachste Repeater gibt es schon unter 10 Euro. Der schnellste 3-Stream-11ac-Repeater von AVM bis 1300 MBit/s liegt bei um die 70 Euro Straßenpreis. Für normale Wohnungen, Wohnbüros und Reihenhäuser reicht eine solche Router-und-Repeater-Kombi oft bestens.

Derart moderne Dualband-WLAN-Router und -Repeater werden im Backhaul nicht über Kabel miteinander verbunden, sondern über ein WLAN-Band bei 2,4 oder bei 5 GHz. Das jeweils andere Band steht dann dem WLAN-Verbraucher zur Verfügung. Diese Lösung ist relativ kostengünstig.

Architektur 4: WiFi-APs über Luftstrecken miteinander vermeshen

Nun haben einige Netzwerkfirmen seit Kurzem nicht nur Router und Repeater, sondern ganz neue WiFi-Mesh-Systeme im Programm, die ebenfalls kein Kabelbackbone benötigen, weil sie sich über die Luft miteinander vermeshen. Die ersten Mesh-Systeme für Home und SMB wurden schon 2016 angekündigt, etwa von Eero, Google, Luma und Netgear. Just diese konnten wir auch schon testen.

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Beispiel für WiFi-Mesh-Systeme: Netgear verkoppelt seine Orbi-Stationen im Backhaul über 4-Stream-11ac-WLAN-Strecken bis 1733 MBit/s (im Bild oben mittig). Der WLAN-End-User kann sich aber nur mit 2-Stream-11n bis 400 MBit/s oder 2-Stream-11ac bis 866 MBit/s in das Mesh-Netz einloggen (im Bild unten rechts, sowie unten links). Alle Werte sind brutto; netto bleibt – unter optimalen Bedingungen – bei WLAN grob gesagt die Hälfte übrig. (Bild: Netgear)

Spätestens zur CES 2017 in Las Vegas und zum Mobile World Congress 2017 in Barcelona kamen weitere Mesh-Meldungen dazu, etwa von ASUS, D-Link, Linksys oder TP-Link. Die meisten waren per Mai 2017 aber noch nicht lieferbar. Unterdessen will Netgear sein 2016 angekündigtes Mesh-System namens Orbi noch anno 2017 per Software zu einer Firmenversion hochfrisieren. Zyxel dagegen hat WLAN-Mesh im Enterprise-Umfeld gestartet und schaut sich derweil den Home- und SMB-Markt erst noch in Ruhe an.

Die meisten uns bekannten, neuen WiFi-Mesh-Systeme arbeiten auf zwei Bändern, bei 2,4 und bei 5 GHz. Ähnlich wie moderne Dualband-Router-und-Repeater-Systeme nutzen sie ein Band für die interne Funkverkoppelung der Stationen, das andere Band stellen sie dem Verbraucher zum Surfen, Mailen, Streamen zur Verfügung.

Die Mesh-Systeme Netgear Orbi und Linksys Velop dagegen nutzen nicht zwei, sondern drei Funkbänder. Die üblichen zwei WLAN-Bänder bei 2,4 und bei 5 GHz stehen daher beide (!) dem WLAN-User zur Verfügung. Ein drittes Band wird quasi oben drübergelegt; es ist ausschließlich für die interne Verkoppelung der Mesh-Stationen reserviert und sozusagen das Gigabit-Luftkabel zur Access-Point-Vernetzung. Da diese Architektur einen hohen Hardware-Aufwand erfordert, gehören Netgear Orbi und Linksys Velop zu den teuersten der neuen Mesh-Systeme.

Natürlich ist jeder der beiden Triband-Mesh-Hersteller überzeugt, dass er das beste System auf diesem Planeten hat. Und damit wären wir auch beim Thema: Ist Mesh die Zukunft des WLAN? Lassen wir die WLAN-Experten der Hersteller doch selber zu Worte kommen.

WLAN-Experten definieren Mesh-Netze:

Die Einleitung dazu erklärt die entsprechenden WLAN-Architekturen im Überblick. Die Fortsetzung berichtet, wie sich im AVM, Eero, Google, Luma und Orbi im Praxistest geschlagen haben.

Speed versus Reichweite

Nach der Lektüre der oben verlinkten Experten-Interviews von ASUS, AVM, D-Link, Lancom, Linksys, Netgear, TP-Link und Zyxel müsste doch jeder Netzwerkplaner genug Argumente für die nächste Präsentation beim Vorstand finden, egal ob er nun pro oder contra Mesh argumentieren will. Jeder WLAN-Hersteller hat momentan wohl eine etwas andere Definition für die neuen WiFi-MeshSysteme, jeder sieht andere Vorteile, jeder nennt andere Nachteile, sofern überhaupt. Die Mehrzahl der Anbieter ist sich allerdings in einem Punkt relativ einig: Dass nämlich im Gegensatz zu den „alten“ Router-und-Repeater-Lösungen der Speed bei Mesh nicht gleich an der ersten Verstärkerstation einbricht. Unser Praxistest mit der ersten Generation von vier WiFi-Mesh-Pärchen hat leider das krasse Gegenteil ergeben: Der Speed brach mit Mesh genauso ein wie mit einer modernen Router-Repeater-Kombi, teils etwas stärker, teils etwas schwächer, aber immer extrem deutlich.

Doch auch in Sachen Komfort und Single SSID musste sich unser 70-Euro-Repeater nicht hinter den Mesh-Points im dreistelligen Euro-Bereich verstecken. Einzig das über 400 Euro teure Netgear-Orbi-Pärchen hat zwar nicht auf kurze, aber auf lange Distanz ein bisschen besser abgeschnitten als die klassische Router-und-Repeater-Kombi.

Ist Mesh also doch nicht die Zukunft von WLAN? So kritisch wie der Lancom-Chef Ralf Koenzen sehen wir das nicht. Aber die erste Mesh-Generation hat den Autor beim Testen noch nicht vom Hocker gerissen. Warten wir mal ab, ob weitere Firmware-Updates oder der nächste Schub neuer Mesh-Produkte ab Sommer 2017 schon überzeugen können.

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