Nachhaltigkeitsbericht, Teil 2

Ökonomische, soziale und ökologische Bilanz

Von Michael J.M. Lang

Die Global Reporting Initiative sollte bei ihrer Gründung vor allem zwei Aufgaben erfüllen: Zum einen musste die Idee, Umweltberichte um wirtschaftliche und soziale Aspekte zu ergänzen, auf breiter Basis propagiert werden. Zum anderen war eine Standardisierung der Berichte dringend notwendig, denn nur vergleichbare Aussagen taugen für Investoren und Anlageberater als Bestandteil einer Anlagestrategie. Die GRI unterstützt bis heute Unternehmen, Regierungen und Nichtregierungsorganisationen (Non-Governmental Organizations bzw. NGOs) bei der Ausarbeitung von Nachhaltigkeitsberichten.

Rechtlich ist derzeit ein Nachhaltigkeitsbericht für deutsche Unternehmen noch nicht vorgeschrieben. Der deutsche Gesetzgeber trug allerdings 2004 im Bilanzrechtsreformgesetz der grundsätzlichen Notwendigkeit einer umfassenderen Betrachtung der Unternehmenstätigkeiten Rechnung, indem er große Kapitalgesellschaften dazu verpflichtet, in den Lagebericht auch nicht-finanzielle Leistungsindikatoren aufzunehmen (§ 298 HGB und § 315 HGB).

Der methodische Ansatz

Basis heutiger Nachhaltigkeitsberichte ist der so genannte TBL-Ansatz (Triple Bottom Line). Er wurde 1994 vom britischen Ökonomen und Buchautor John Elkington erstmals skizziert und 1997 in seinem Buch „Cannibals with Forks“ zu einer Methodik ausformuliert. Folgt der bottom line – also dem Schlussstrich – im klassischen Geschäftsbericht das Ergebnis der wirtschaftlichen Gewinn-und-Verlust-Rechnung eines Unternehmens, so sollen nach den Vorstellungen Elkingtons im Nachhaltigkeitsbericht drei Schlussstriche gezogen werden: jeweils einer für die ökonomische, die soziale und die ökologische Bilanz eines Unternehmens. Erst dann sei das Wirken eines Unternehmens umfassend beschrieben und seine Zukunftsfähigkeit absehbar, so der Brite.

Elkingtons Ansatz wurde in der Wirtschaft zwar von Anbeginn an mit Wohlwollen aufgenommen. In der Praxis ergeben sich jedoch bis heute methodische Probleme. Es müssen nämlich der quantitativen finanziellen Bilanz zwei qualitative, rechnerisch schwer fassbare Werte beigestellt werden. Das bedeutet nicht nur einen methodischen Bruch im Reporting, es öffnet darüber hinaus irrationalen und ideologisch motivierten Wertungen der Unternehmenskennzahlen die Tür, so die Kritiker.

Tatsächlich aber sind die Finanzkennzahlen – vor allem in global operierenden Konzernen – durch ständig komplexere Unternehmensstrukturen und den wachsenden Anteil spekulativer Finanzprodukte im Portfolio längst mindestens so risikobehaftet und interpretationsanfällig, wie ökologische und soziale Kennzahlen. Mehr noch: Die konkreten Auswirkungen der ökologischen und sozialen Strategien von Unternehmen auf ihren wirtschaftlichen Erfolg können ihrerseits dank fortschreitender Forschung immer konkreter erfasst und bewertet werden.

Der praktische Nutzen

Schon heute sind Nachhaltigkeitsberichte ein wichtiger Bestandteil des Krisenmanagements von Unternehmen. Im Falle einer öffentlichen Kritik lässt sich damit die Ernsthaftigkeit der Bemühungen, vorausschauend Schäden ökonomischer, sozialer und ökologischer Art zu vermeiden, belegen.

Aber auch ohne Krise erhöht ein Nachhaltigkeitsbericht die Glaubwürdigkeit des sozialen und ökologischen Handelns eines Unternehmens sowohl bei den Kunden und Investoren als auch bei den eigenen Mitarbeitern.

Nicht selten fühlen sich dadurch sogar neue Kundengruppen angesprochen. In jedem Fall ist ein Nachhaltigkeitsbericht ein zusätzlicher Wettbewerbsvorteil gegenüber Konkurrenten ohne einen solchen Nachweis.

Auch interne, nützliche Effekte sind zu erwarten. So legen gerade hoch qualifizierte Fachkräfte heutzutage gesteigerten Wert darauf, sich mit dem Arbeitgeber in gesellschaftlichen, sozialen und ökonomischen Fragen identifizieren zu können. Eine solche Identifikation bindet zum einen die Fachkräfte selbst an das Unternehmen, zum anderen regt sie diese dazu an, im Bekanntenkreis für ihren Arbeitgeber zu werben. Beides senkt eklatant die Kosten für die Personalakquise.

Serie: Nachhaltigkeitsbericht
Teil 1 sagt, wozu der Report gut ist, und be­richtet, wie die Idee dazu entstand. Teil 2 erläutert den Ansatz der Triple Bottom Line und fragt nach dem praktischen Nutzen. Teil 3 skizziert Aufbau und Gliederung; dazu gibt es eine Link-Liste hilf­reicher Downloads.

Noch wichtiger aber ist ein anderer Effekt: Studien belegen, dass nachhaltig wirtschaftende Unternehmen erfolgreicher und krisenfester sind, als solche, deren Handlungen sich an kurzfristigen und einseitigen Zielen orientieren. Das wiederum fördert das Vertrauen sowohl von privaten als auch institutionellen Investoren, wie u.a. die 2011 veröffentlichte IÖW-Studie über Nachhaltigkeitsberichterstattung in mittelständischen Unternehmen zeigt. Auch die Studie „Best Practices bei SD-KPIs“ der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Deloitte weist in ihrem Fazit auf diesen Effekt hin. In der Aberdeen-Group-Studie „The ROI of Sustainability: Making the Business Case“ analysierten 2011 die Autoren den wirtschaftlichen Nutzen und kamen ebenfalls zu dem Ergebnis, dass nachhaltige Unternehmen deutlich zukunftsfähiger und stabiler sind.

Unternehmen mit nachweisbar nachhaltiger Strategie werden daher bei Krediten und Investitionen seitens der Banken und Investoren zunehmend bevorzugt – bei zudem häufig günstigeren Kreditkonditionen.

Zu guter Letzt motiviert ein Nachhaltigkeitsbericht ein Unternehmen dazu, Arbeitsabläufe, Ziele und Prioritäten zu überdenken. Defizite werden dadurch schneller entdeckt und langfristige Ziele wieder ins Bewusstsein gerückt – die Fitness des Unternehmens steigt.

Zu den Zielgruppen und zur Gliederung äußert sich Teil 3 dieser Serie, der außerdem die wichtigsten Informationsquellen und Hilfsmittel auflistet.

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