Online-Handel innerhalb der EU: Wie riskant der Online-Handel mit Europa ist

Innerhalb der Europäischen Union ist grenzüberschreitender Fernabsatz kein Problem – möchte man meinen. In Wahrheit stellt allein schon der sehr unterschiedliche Verbraucherschutz im B2C-Geschäft hohe Hürden auf. Auch das jeweils anwendbare Recht kann für unvorsichtige Webshops zur üblen Falle werden.

Webshops tragen 27-faches Risiko

Von Marzena Sicking, heise resale

Auf einen Online-Shop können Verbraucher aus der ganzen Welt zugreifen. Da liegt es nahe, nicht nur die Kunden in Deutschland, sondern auch im zumindest nahegelegenen Ausland zu beliefern. So glauben viele Händler rechtlich auf der sicheren Seite zu sein, wenn sie Verbraucher innerhalb der EU ansprechen. Der grenzüberschreitende Warenverkehr ist in der Gemeinschaft schließlich geregelt, da kann eigentlich nicht viel schief gehen. Oder doch?

Leider hat der grenzüberschreitende Online-Handel doch seine Tücken, wie Rechtsanwalt Max-Lion Keller von der IT-Recht-Kanzlei in München erklärt. Schwierig wird es nämlich dann, wenn es zum Streit um eine Warenlieferung oder eine Dienstleistung kommt und die Sache vor Gericht landet: „Wenn es um die Frage des auf die Kaufverträge anwendbaren Rechts geht, können massive rechtliche Schwierigkeiten auftreten“, so der Experte. Um die zu vermeiden, gilt es Vorsorge zu treffen.

Freie Rechtswahl – im Prinzip

So sollten Händler, die ihre Waren grenzüberschreitend anbieten, in ihren AGB oder im individuellen Vertrag festlegen, welches Recht gilt. Laut Art. 3 Abs. 1 der Rom-I-Verordnung sind Online-Händler innerhalb der EU bei der Rechtswahl frei. Ein Händler kann das Recht des Landes wählen, in dem er ansässig ist oder in dem er die meisten Kunden hat. Tatsächlich kann er sich nach Belieben für eine der 27 Rechtsordnungen entscheiden, wie Max-Lion Keller bestätigt: „Sie können z.B. das für Sie günstigste Recht wählen oder auch das, das Ihnen am vertrautesten ist.“

Trifft der Händler keine Wahl, wird zunächst davon ausgegangen, dass das Recht des Staates anzuwenden ist, in dem er seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Allerdings gilt das nicht, wenn er seine Waren an Verbraucher verkauft hat. „Dann findet gemäß Art. 6 Abs. 1 stets das Recht des Staates Anwendung, in dem der Verbraucher seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, wenn der Verkäufer sein Geschäft auch in diesem Staat ausübt“, so Rechtsanwalt Keller. Verzichtet ein Händler auf die Ausübung der freien Rechtswahl und schreibt sie im Vertrag nicht fest, geht er also ein Risiko ein.

Kommt es zu einem Rechtsstreit mit dem Verbraucher, ist der Online-Händler aber auf jeden Fall in der schlechteren Position. Der Verbraucher kann sich nämlich aussuchen, ob er vor einem Gericht des Staates klagt, in dem der Händler ansässig ist oder lieber am eigenen Wohnort. Der Händler hat die Wahl nicht: Er muss vor einem Gericht im Land des Verbrauchers klagen. Ausnahmen sind stark begrenzt (Art. 16 Abs. 2 EuGVVO).

Verbraucherschutz geht vor

Doch auch wer das geltende Recht per AGB-Klausel festlegt, ist leider nicht vor unangenehmen Überraschungen sicher. Denn solche AGB-Klauseln werden sogar von den deutschen Gerichten nicht immer als wirksam angesehen.

Hinzu kommt, dass die Rechtswahl den Händler nicht davon entbindet, die im jeweiligen Land zwingend geltenden Verbraucherschutzvorschriften zu beachten. „Für Händler, die ihre Waren in der gesamten EU anbieten, gelten bei Abschluss von Verträgen also insgesamt 27 Verbraucherschutzordnungen“, erklärt Max-Lion Keller. Dieser Herausforderung ist realistisch kaum ein Händler gewachsen: „In einigen Fällen ist ja nicht einmal klar, welche konkreten Vorschriften angewendet werden sollen. Nicht jede Vorschrift ist auf den ersten Blick als zwingend verbraucherschützend erkennbar.“

Schon vor dem Verkauf geht die Problematik also los: Es ist für einen Online-Händler, der EU-weit verkaufen möchte, kaum machbar, eine Website so zu gestalten, dass sie den unterschiedlichen Anforderungen aller EU-Staaten entspricht. Es bleibt ihm also nichts anderes übrig, als mehrere Auftritte zu gestalten.

Oder er schränkt den Kreis seiner Kunden ein und beliefert nur noch Verbraucher in Ländern, mit deren Recht er vertraut ist. Doch auch dabei ist Vorsicht geboten, wie Max-Lion Keller erklärt: „Verbraucher in einem Staat von der Belieferung auszuschließen, könnte nach EU-Recht zum Teil durchaus als verbotene Diskriminierung gelten.“

Festlegen und informieren
Wer im EU-weiten Verkauf auf Nummer sicher gehen will, muss

  • in seinen AGB-Klauseln eine Rechtswahl treffen,
  • den Käufer darauf hinweisen, dass zudem die Verbraucherschutzvorschriften seines Wohnsitzstaates gelten,
  • die Widerrufsbelehrungen in der jeweiligen Landessprache anzeigen und
  • sich über die entsprechenden Verbraucherschutzvorschriften aller EU-Mitgliedsstaaten informieren, in denen er seine Waren anbietet (notfalls mithilfe eines ausländischen Anwalts).

Der sichere Weg ist also mit erheblichem Aufwand und durchaus hohen Kosten verbunden.

Fazit: Im Zweifelsfall strenger wählen

Eine wirtschaftlichere Lösung gibt es aber auch, wie Max-Lion Keller erklärt. Sie sieht so aus, dass der Händler per AGB-Klausel das Kaufrecht eines Staates wählt, das einen sehr starken Verbraucherschutz hat (z.B. Deutschland). Dann weist er den Kunden auf die Geltung der verbraucherschützenden Vorschriften seines Wohnsitzstaates hin, hält sich aber einzig und allein an die Vorschriften des gewählten Rechts. Damit ist der Kunde in der Regel besser bedient, weil die Verbraucherregelungen in dessen Land oft weniger streng sind. Zudem hat der Händler weniger Aufwand.

Eine hundertprozentig sichere Lösung ist das aber nicht, wie Max-Lion Keller betont. „Das Risiko, dass der Online-Händler von einem Mitbewerber abgemahnt wird, weil er sich nicht an das geltende Recht hält, bleibt selbstverständlich. Man darf aber davon ausgehen, dass in anderen Staaten der EU weniger stark und häufig abgemahnt wird als in Deutschland.“

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