BarCamps und Unkonferenzen, Teil 2

Eigener Antrieb ist effizienter

Von Sabine Philipp

Geübte Meeting- und Normalkonferenzteilnehmer vermuten in einem ersten Reflex: BarCamps sind also die ideale Plattform für Profilneurotiker, Zeitdiebe und Schwätzer. Unstrukturierte Unkonferenzen enden unweigerlich im Chaos. Doch Stefan Probst winkt ab. Er hat bislang noch nie erlebt, dass einzelne Teilnehmer über Gebühr anstrengend wurden. „Die Gruppe reguliert das.“

Hinzu kommt, dass die Veranstalter bewusst einen ganz besonderen Filter einsetzen: „Unkonferenzen finden in der Regel am Wochenende statt – also zu einer Zeit, in der ein Mensch gewöhnlich andere Dinge vorhat, als eine solche Veranstaltung zu besuchen.“ Daher treffe man meist auf hoch motivierte Teilnehmer, denen das Camp wichtiger als die Freizeit ist. „Niemand ist hier, weil er muss. Dadurch entsteht schon eine positive Grundstimmung“, sagt Probst.

Stefan-probst.jpg

Stefan Probst ist Informatiker und Gründer von Entresol Open Business Consulting. Er ist Vorstand für Open Technology bei OpenBIT – der Verein veranstaltete bereits 2007 eines der ersten BarCamps in Deutschland. Stefan Probst ist auf Geschäfts­modell­innovation spezialisiert und holte 2009 das Unkonferenz­konzept Startup Weekend nach Nürnberg.

Tatsächlich sind Unkonferenzen erstaunlich produktiv. Probst verweist auf die Unkonferenzen zum Thema Existenzgründung: Er hatte 2009 das Startup Weekend nach Nürnberg geholt. „Interessierte Menschen – mit oder ohne Geschäftsidee – treffen sich 48 Stunden, um in spontan gegründeten Teams gemeinsam bis Sonntagabend einen Business-Plan und Prototypen zu erarbeiten. Diese 48 Stunden sind sehr intensiv und anstrengend. Aber sie sind sehr effizient, und am Ende gehen die meisten Teilnehmer erschöpft, aber glücklich nach Hause.“ Man müsse die Menschen eben nur machen lassen.

Für Ihre Unterlagen

Die Erfahrung hat gezeigt, dass es eher kontraproduktiv ist, ein festes Korsett vorzugeben. Die Offenheit hat allerdings den Nachteil, dass sie viele Unternehmen abschreckt. „Zum einen kann es in manchen Branchen oder großen Unternehmen aus arbeitsrechtlicher Sicht durchaus schwierig sein, Mitarbeiter am Wochenende auf eine Tagung zu schicken“, erinnert Probst. „Zum anderen wollen die Unternehmen bereits vorab ein konkretes Veranstaltungsprogramm sehen, das die zusätzlichen Ausgaben rechtfertigt.“ Und das kann man nun einmal besonders gut mit einer klassischen Themen- und Rednerliste dingfest machen.

Serie: BarCamps und Unkonferenzen
Teil 1 erklärt das ungewöhnliche Format einer Unkonferenz aus der Entstehung von FooCamps und BarCamps. Teil 2 erklärt, wie die kreativen Treffen funktionieren und wie solide Unternehmen davon profitieren können.

Um die Wirtschaft dennoch mit ins Boot zu holen, schaltete der Veranstalter dem OpenUp Camp im Februar 2014 daher den OpenUp Business Day mit festem Rahmenprogramm vor. Der Themenschwerpunkt lag in diesem Fall auf der unternehmensübergreifenden Entwicklung quelloffener Anwendungssoftware: Es ging um konsortiale Open-Source-Software-Entwicklung. Die eigentliche Unkonferenz schloss direkt daran an, sodass es einen fließenden Übergang gab. Im Ticket für den OpenUp Business Day am Freitag waren die Teilnahme am OpenUp Camp sowie zwei Übernachtungen in Nürnberg enthalten, denn – so erklärt Probst, „den Besuchern soll die Entscheidung leichter gemacht werden, im Anschluss auch noch für die Unkonferenz in Nürnberg zu bleiben, ohne dass sie privat die Kosten dafür tragen müssten“. Auf diese Weise versuche man, beide Welten zusammenzubringen.

Nach Abschluss einer Veranstaltung haben nicht nur Unternehmen gerne ein Papier in der Hand, das die Inhalte konkret zusammenfasst. Wie sieht es also mit der Dokumentation einer Unkonferenz aus? „Die Teilnehmer“, erklärt Probst, „können sich über Wikis wie Etherpad Notizen machen und während der Veranstaltung bloggen. Am Ende kommt dann oft eine gute Dokumentation heraus, vor allem wenn die entsprechenden Wikis bereits vorbereitet wurden.“

Open Up Camp 2014-3.png

Schwarz auf Weiß
Dieser Beitrag erschien zuerst in unserem Magazin zum Open Up Camp 2014. Einen Überblick mit Download-Links zu sämtlichen Einzelheften bekommen Sie online im Pressezentrum des MittelstandsWiki.

Fazit: Twitter macht die Tür auf

Ein weiteres Instrument zur Dokumentation kann Micro­blogging sein. Die Veranstalter setzen hier gerne den Kurznachrichtendienst Twitter ein. Er kann auch zur Koordinierung dienen: „Jedes Camp hat einen individuellen Hashtag, mit dem die Teilnehmer Nachrichten kennzeichnen können. Die Tweets werden für alle Teilnehmer gut einsehbar per Beamer auf sogenannten Tweetwalls oder auf dem Smartphone anzeigt.“ Per Tweet können die Teilnehmer auch Fragen an die Runde stellen. Da sie damit viele Menschen erreichen, findet sich in der Regel oft jemand, der Rat weiß.

Das betrifft Sachfragen ebenso wie praktische Hilfestellungen. So erinnert sich Probst an einen besonderen Einsatz während eines Startup Weekends: Ein Teilnehmer ging spät abends aus dem Gebäude, um eine Zigarette zu rauchen. Was er nicht wusste: Die Schließanlage verriegelte die Tür kurz danach. Nachdem er eine Zeit lang vergeblich versucht hatte, auf sich aufmerksam zu machen, kam er auf die Idee, einen Tweet abzusetzen – und der wurde prompt erhört. Darum geht es letztlich: Türen zu öffnen, egal wie.

Nützliche Links