Open Source 2014, Teil 3

Gut und ganz oder gar nicht

Von Roland Freist

Die Umstellung auf offene Software war insgesamt schwieriger und langwieriger, als sich das die Projektverantwortlichen in München gedacht hatten. Allerdings hat sie sich auch gelohnt: Auf eine Anfrage der Fraktion der Freien Wähler hin rechnete die Stadt vor, dass ein Verbleib bei Windows/MS Office bis 2012 Kosten von rund 34 Mio. Euro verursacht hätte. Darin eingeschlossen sind neben Lizenz- und Upgrade-Gebühren auch die Kosten für die jeweils benötigte, leistungsfähigere Hardware und die Anwendungsmigration. LiMux hat dagegen lediglich rund 23 Mio. Euro gekostet. In beiden Summen sind auch die Kosten für Schulung und Support enthalten, die die IT-Abteilung jeweils mit rund 22 Mio. Euro beziffert. In diesem Punkt besteht nach Meinung der Fachleute zwischen Windows/MS Office und LiMux kein Unterschied.

Wenn man aus den beiden Open-Source-Projekten in Freiburg und München ein Fazit ziehen kann, dann dieses: Die Umstellung von lizenzierter auf offene Software ist zumeist schwieriger als anfangs gedacht, erfordert einen langen Atem, eine gründliche Vorbereitung und eine eingehende Evaluierung der vorhandenen Arbeitsumgebung. Am effektivsten scheint es, einen radikalen Schnitt zu wagen und nicht nur die Anwendungen auszutauschen, sondern auch die gesamte Betriebssystemumgebung – zumindest an den Arbeitsplätzen, an denen keine externen Hindernisse dagegen sprechen. Dann jedoch kann sich die Umstellung mit starken Kosteneinsparungen bezahlt machen.

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Schwarz auf Weiß
Dieser Beitrag erschien zuerst in unserem Magazin zum Open Up Camp 2014. Einen Überblick mit Download-Links zu sämtlichen Einzelheften bekommen Sie online im Pressezentrum des MittelstandsWiki.

Software in der Königsklasse

Doch Desktop-Betriebssysteme und Anwendungen wie OpenOffice sind nur ein Teilbereich. Wie sieht es mit Open Source bei professionellen Server-Systemen aus? Dazu noch einmal Rüdiger Spies: „Bei transaktionsorientierter Software, etwa bei ERP– oder CRM-Systemen, hat sich Open Source nach meinem Dafürhalten nach wie vor nicht etabliert.“ Als Grund nennt er: „Bei großen Applikationspaketen wollen die Unternehmen einen Hersteller, den sie zur Verantwortung ziehen können, wenn es zu Problemen kommt.“

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Rüdiger Spies ist Patentanwalt und Independent Vice President Software Markets bei Pierre Audoin Consultants (PAC) in München.

Sieht man sich auf dem Markt um, so wird diese Einschätzung weitgehend bestätigt. Vor allem ERP-Systeme auf Open-Source-Basis sucht man in den Unternehmen weitgehend vergebens. Es sind zwar etliche Lösungen verfügbar, die Kosten für Service und Support durch die Hersteller erreichen jedoch oft ein vergleichbares Niveau wie die Lizenzkosten für eine kommerzielle Lösung, die Service und Support bereits einschließen.

Etwas besser sieht es bei den CRM-Lösungen aus. Produkte wie SugarCRM, vtiger, XRMS oder hipergate CRM konnten sich mittlerweile am Markt etablieren und wurden teilweise sogar um Funktionen erweitert, die man ansonsten nur bei ERP-Software findet. Nahezu alle Hersteller bieten auf ihren Servern Demos an, die man im Browser ausprobieren kann. Für den Testeinsatz im Unternehmen gibt es Community Editions, die unter der GNU GPLv3 stehen und damit als echte quelloffene Systeme kostenfrei nutzbar sind.

Parallel dazu verkaufen die Firmen aber auch kommerzielle Versionen der Software. Für den Anwender hat das den Vorteil, dass er ein System zunächst einmal mehrere Tage oder Wochen testweise einsetzen kann und später mit seinen Datensätzen problemlos auf die kostenpflichtige Version upgraden kann.

Serie: Open Source 2014
Teil 1 fragt sich, wo eigentlich Linux steckt. Die Antwort: In Serverschränken, Smartphones und in jeder Menge Unterhaltungselektronik. Teil 2 schildert anhand der Beispiele Freiburg und München, wie die Umstellung auf OpenOffice und Open-Source-Systeme laufen kann. Teil 3 erklärt, was bei solchen Projekten zu beachten ist. Außerdem wollen wir wissen, wo es quelloffene Software für Unternehmenszwecke gibt.

Fazit: Cloud und Mobile räumen auf

Es wird interessant sein zu beobachten, wie es mit der Open-Source-Software weitergeht. Zwei Entwicklungen der vergangenen Jahre tragen momentan dazu bei, dass sich der Markt neu ordnet; sie wirken sich auch auf das Verhältnis von lizenzierten zu quelloffenen Programmen aus: So beziehen erstens immer mehr Unternehmen ihre Applikationen aus der Cloud, also von einem Dienstleister, der sie über das Internet zur Verfügung stellt. Dieser Trend wird zweitens unterstützt durch den Siegeszug der mobilen Geräte wie Tablets und Smartphones und das erfolgreiche Konzept der App Stores.

Nach dem Vorbild der Stores von Apple, Google oder Microsoft entstanden seit 2012 auch B2B-Marktplätze, z.B. von der Telekom, HP, Atos oder Fujitsu, auf denen Softwarefirmen ihre Cloud- und SaaS-Applikationen anbieten. Ob es sich dabei um Open-Source- oder lizenzierte Anwendungen handelt, spielt für den Kunden keine Rolle mehr. Lizenz- und Servicekosten sind Sache des Anbieters. Die Kriterien für den Einsatz eines bestimmten Produkts sind für die Unternehmen lediglich die Funktionalität und der Preis für die Dienstleistung. Für die Anbieter von Open-Source-Anwendungen bedeutet das die lang ersehnte Chancengleichheit mit den großen, kommerziellen Software-Anbietern.

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Roland Freist, Jahrgang 1962, begann nach einem Studium der Kommunikations­­wissenschaft ein Volontariat beim IWT Verlag in Vater­­stetten bei München. Anschließend wechselte er zur Zeitschrift WIN aus dem Vogel Verlag, wo er zum stell­­vertretenden Chef­­redakteur aufstieg. Seit 1999 arbeitet er als freier Autor für Computer­­zeitschriften und PR-Agenturen. Seine Spezial­­gebiete sind Security, Mobile, Internet-Technologien und Netz­­werke, mit Fokus auf Endanwender und KMU.


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