Real Time Communications, Teil 2

Wie im Vorübergehen an der Bürotür

Von Gerald Strömer

Viele mittelständischen Unternehmen haben gelernt, englische Schlag­worte mit Vorsicht zu genießen. Es wäre hoch an der Zeit, dass sich das Marketing einen hand­festen Namen für Real Time Communications alias Unified Communications einfallen lässt. „Ver­einheit­lichte Kommu­ni­kation“ ist ledig­lich eine Über­setzung als Not­behelf und „Echtzeit­kommunikation“ hebt nur einen einzigen Aspekt des Konzepts hervor.

Dabei kennt das Problem jeder, der auch nur Handy und E-Mail nutzt. Real Time Communications sind die Antwort auf die Frage „Wie bekomme ich meine eingehenden Nachrichten unter einen Hut?“ Neben die Hauptsache, die so genannte Medienintegration, treten dabei noch drei weitere sinnfällige Komponenten: Präsenzinformation, Kontextintegration und Kooperationsfunktionen.

Sofort weitergeleitet

Unter Medienintegration versteht man die Integration von Kommunikationsmitteln mittels einer logischen, technischen Steuerungsschicht, die Anwender bei der Verwaltung von Medien und Geräten entlasten soll. Obwohl Unified-Communications-Lösungen technisch grundsätzlich auf IP– und anderen Netzwerktechnologien basieren, können auch klassische und mobile Telekommunikationsgeräte und -Anlagen (ISDN, GSM, PSTN etc.) in ein solches Konzept eingebunden werden.

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Schwarz auf Weiß
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Eine regelbasierte Verwaltung sorgt für die Auswahl der für eine bestimmte Situation geeigneten Medien. Eingehende Kommunikationsvorgänge werden automatisch auf gerade vom Anwender genutzte Endgeräte weitergeleitet. Dazu müssen Medien (Audio, Text, Video), Geräte (Mobiltelefon, IP-Telefon, PDA etc.) und Software-Clients (Instant Messenger, Video- und Audioplayer etc.) anfänglich im UC-System registriert und konfiguriert werden. Wie komplex die Regeln sind, bleibt dem Nutzer überlassen. Sie dürfen sehr einfach sein, können aber auch spezifische Reaktionen auf einzelne Anrufer, Tageszeiten oder Endgeräte beinhalten.

Entfernt und doch leibhaftig
Verschiedene Hersteller bieten bereits bereits so genannte Telepresence-Systeme an, die virtuelle Konferenzen mit hochwertigen Audio- und Videokomponenten und – selbstredend – Datenvernetzung ermöglichen. In der Praxis gibt es dann z.B. in jeder Niederlassung einen Konferenzraum, dessen eine Hälfte aus einer Displaywand besteht. Hier werden bei einer Konferenzschaltung Kollegen oder Partner aus der ganzen Welt in High-Definition-Qualität eingeblendet. Das Ganze kommt einer echten Konferenz täuschend nahe. Einen Unterschied gibt es allerdings: Die Teilnehmer können gut und gern 15.000 km voneinander entfernt sein.

In einer globalisierten Wirtschaft können Organisationen und Unternehmen mit Telepresence-Systemen noch reaktionsschneller, produktiver und effektiver kommunizieren und zusammenzuarbeiten – und das ohne den Zeitverlust, die Unbequemlichkeit und die Umweltbelastung von Reisen. Das steigert Erträge, spart Kosten und stellt die Kundenzufriedenheit und -treue sicher.

Aber auch das ist noch nicht das Neueste. Der nächste Schritt ist die Hologrammtechnik. Es klingt ein bisschen nach dem Holodeck von Raumschiff Enterprise, ist aber bereits Realität: Cisco hat z.B. unter Nutzung der Eyeliner-Hologramm-Technologie der britischen Firma Musions und der firmeneigenen Telepresence-Technologie eine beeindruckende Demonstration der Möglichkeiten der Telepresence-OnStage-Technik abgeliefert, die den entfernten Gesprächspartner quasi auf die Bühne zaubert. Ein Video der On-Stage-Experience gibt es bei Musion zu bestaunen.

Ob alle da sind

Der Grund für den Bedarf nach Präsenzinformationen beim verteilten Arbeiten ist im Fehlen klassischer Signale zur Kommunikationsbereitschaft zu suchen. Bei Menschen im selben Büro kann man z.B. an Körpersprache und Mimik die Kommunikationsbereitschaft ablesen. Beim verteilten Arbeiten fehlen solche Signale. Dieser Mangel soll durch Präsenzinformationen ausgeglichen werden.

Präsenzinformationen kennen die meisten Anwender von Instant-Messaging-Software: Hier signalisiert in der Regel ein in Form und/oder Farbe eindeutiges Icon die Erreichbarkeit eines Kontakts. Unified-Communications-Systeme bieten ebenfalls eine solche Signalisierung, die im Vergleich zu der von Instant Messengern aber ungleich aussagekräftiger sein kann. Der Präsenzstatus kann z.B. auf Geräteebene ermittelt und dargestellt werden, so dass der Absender sehen kann, ob und mit welchem Endgerät der Empfänger gerade erreichbar ist.

Serie: Real Time Communications
Teil 1 erläutert das Prinzip von RTC alias Unified Communi­cations: alle Kommunikations­kanäle unter einem Hut. Teil 2 nimmt sich systematisch die einzelnen Bausteine vor und sagt, was sie leisten. Teil 3 legt schließlich dar, warum die Marktlage so schwierig ist, und was Interessenten bei der Auswahl bedenken sollten.

Zusätzlich kann der Präsenzstatus auf Gruppenebene zusammengefasst und an beliebige andere Anwendungen – z.B. Datenbanken – übergeben werden. Soll etwa eine Telefonkonferenz einberufen werden, kann sich der Initiator so schon im Vorfeld über die Verfügbarkeit der Mitarbeiter informieren.

Schnellstart mit Dateifreigaben

Eine Kontextintegration ist nötig, um die volle Funktionalität von Unified-Communications-Lösungen abrufen zu können. Konkret meint dieser Begriff z.B. die Ein­bindung von Präsenz­informationen in Dritt­anwendungen wie Customer-Relationship-Management- (CRM) oder Enterprise-Resource-Planning-Systeme (ERP) sowie die Möglich­keit, aus solchen An­wendungen heraus eine Kommuni­kation einzuleiten. Sobald der Name eines im UC-System registrierten Kontakts in einer Dritt­anwendung auftaucht, sieht der Anwender den aktuellen Präsenz­status seines Kontakts und kann eine Kommuni­kation starten. Ab diesem Moment wird an die Unified-Communications-Lösung übergeben, die dann das ge­wünschte Kommunikations­mittel einsetzt, z.B. einen An­ruf per IP-Tele­fonie, einen Chat oder eine Videokonferenz.

Gemeinsam an der derselben Datei

Kooperationsfunktionen sind der letzte Baustein eines Unified-Communications-Systems. Sie sollen die Kommunikation derart bereichern, dass eine echte Zusammenarbeit möglich wird. Zu den typischen Funktionen gehören Anwendungen wie Konferenzschaltungen, Whiteboards und die gemeinsame Nutzung von Anwendungen (Application Sharing). Vielfach wird dafür auch der Begriff Collaboration verwendet.

Weil auf der Hand liegt, dass bei Real Time Communications sehr unterschiedliche Technikkompetenzen zusammenkommen müssen, wird sich Teil 3 dieser Serie abschließend auf dem Markt umsehen und praktische Tipps geben.

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