Servicerufnummern

Die Marktöffnung ermöglicht neue Geschäftsmodelle

Von Dr. rer. nat. Jürgen Kaack, STZ-Consulting Group

Predigt auf Abruf, Werbeeffizienzkontrolle, Spendenzahlungen, automatisierte Gewinnspiele oder die Vermarktung von Informationen und Beratungsleistungen – all dies und mehr ist über Servicerufnummern einfach abzuwickeln.

Aus wirtschaftlicher Sicht stellen sie ein bedeutendes Segment der Telekommunikation dar: Der Umsatz mit Servicerufnummern entspricht etwa 7 % vom gesamten Festnetzumsatz.

Die verschiedenen Gruppen von Servicerufnummern lassen sich anhand der Vorwahlen bzw. Dienstekennzahlen leicht erkennen. Jede dieser Nummerngassen bietet andere Möglichkeiten für Mehrwertdienste und Geschäftsmodelle im M-Commerce.

Anruf und Abwicklung

Die Abwicklung ist für alle Beteiligten einfach: Der Anrufer wählt die Nummer des Services, den er wünscht, erhält die Dienstleistung – z.B. Beratung einer DV-Hotline – und erhält die Abrechnung auf seiner monatlichen Telefonrechnung, in der Regel von der Deutschen Telekom. Die Deutsche Telekom führt wiederum den Großteil der Einnahmen abzüglich der festgelegten eigenen Gebühren an den Netzbetreiber weiter, der die gewählte Rufnummer in seinem Netz „betreibt“. Der Betreiber der Rufnummer schüttet den vertraglich festgelegten Betrag an den Betreiber der Dienstleistung oder in den meisten Fällen an den Betreiber der Audiotexplattform aus, der wiederum dann an den Erbringer der Dienstleistung ausschüttet.

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Schwarz auf Weiß
Eine ausführliche Darstellung zum Thema Service­rufnummern gibt Dr. Jürgen Kaack im Rat­geber „Service­rufnummern – vielseitig einsetzbar. Erfolgreiche Geschäfts­modelle von der Klassi­fizierung bis zur Ab­wicklung“, den Sie online im Presse­zentrum des MittelstandsWiki bekommen.

Der Prozess ist also eigentlich recht komplex und muss gut koordiniert werden. Deshalb birgt er auch erhebliche Risiken, wenn der Erbringer der eigentlichen Dienstleistung in betrügerischer Absicht unterwegs ist. Der Anrufer als Kunde findet auf seiner Rechnung nur die Deutsche Telekom und den Netzbetreiber, der die Servicerufnummer geschaltet hat, nicht aber den Betreiber der Audiotexplattform (bei der Vermarktung von Inhalten) und den eigentlichen Leistungserbringer.

Nun haben sowohl die Deutsche Telekom als auch der Netzbetreiber, der die Servicerufnummer betreibt, keine Kontrolle über die vermittelten Inhalte, sondern stellen lediglich sicher, dass der hinter der Servicerufnummer stehende Anbieter erreicht wird, dass die Qualität der Verbindung stimmt und die Abrechnung gemäß dem hinterlegten Tarif und der Verbindungsdauer richtig und rechtzeitig erfolgt. Dabei kann diese Aufgabe auch für den Netzbetreiber sehr aufwändig sein und erfordert eine umfangreiche technische Einrichtung. Hinter einer einzigen Servicerufnummer können sich je nach Anwendung zu unterschiedlichen Zeiten unterschiedliche Zielrufnummern verbergen. Auf diese Weise lässt sich eine deutschlandweit beworbene Informationsrufnummer nutzen, um die Anrufer aus der Region an das nächstgelegene Büro weiterzuleiten. Auch lassen sich so verteilte Call Center optimal auslasten, ohne dass der Anrufer die verschiedenen Zielrufnummern kennen müsste.

Erfolgreiche Anwendungen

Werbeeffizienzkontrolle

Ein Unternehmen, das überregionale Werbung schaltet, kann oft nur schwer kontrollieren, in welchen Regionen die Kundenresonanz besonders stark oder schwach ist. Die einzige Möglichkeit war bislang, regional unterschiedliche Telefonnummern einzusetzen oder den Anrufer zu befragen – was aber kostbare Telefonzeit kostet. Mit einer Servicerufnummer, die einheitlich in der Werbung eingesetzt wird, kann durch den Netzbetreiber quasi online mit nur wenigen Minuten Versatz zum eigentlichen Gespräch ausgewertet werden, woher die Anrufe kamen. Mit einer automatisierten Lösung und einer Internet-Schnittstelle zum Auswerteserver kann der Kunde selber diese Informationen abrufen. Bei Printwerbekampagnen kann man bereits nach der ersten Schaltung die Werbung in den Regionen mit schwacher Resonanz umstellen oder auch ganz einsparen. Bei der Radiowerbung lässt sich auf dem gleichen Wege kurzfristig feststellen, zu welchen Tageszeiten und in welchen Ausstrahlungsregionen die Zielgruppe besser oder schlechter erreicht wird.

Gesprächszuordnung zu Regionalfilialen

Setzt der Werbetreibende mehrere Anlaufstellen für eingehende Anrufe ein, z.B. eigene Filialen oder Vertriebsniederlassungen, so braucht er in der Werbung trotzdem nicht auf eine überregional einheitliche Rufnummer verzichten. Mit einem intelligenten Routing können die Anrufer aus einer bestimmten Region, die weitgehend frei wählbar ist, einem bestimmten Ziel zugeführt werden. Die Annahme des Rufs in der Telefonzentrale und die anschließende Weiterleitung an die zuständige Filiale entfallen somit. Zusätzlich können unterschiedliche Arbeitszeiten der einzelnen Filialen und Mitarbeiter berücksichtigt werden und die eingehenden Anrufe im Besetztfall an ein anderes Ziel weitergeleitet werden.

Zugang zu Inhalten jeder Art

Bei der Gestaltung von Servicerufnummernapplikationen gibt es immer wieder auch exotische Lösungen. So hat eine karitative Organisation für die Gruppe der gehbehinderten, alten und kranken Menschen eine Lösung entwickelt, damit auch diese die wöchentliche Predigt hören können. Hierzu wurde früher die jeweilige Predigt im Studio aufgezeichnet, auf Tonkassetten vervielfältigt und dann an die regionalen Helfer verschickt. Bei diesen wurden die Kassetten dann in Anrufbeantwortern zur Nutzung freigegeben. Die speziell hierfür geschaltete geografische Rufnummer muss dann noch so kommuniziert werden, dass die Zielgruppe sie auch kennen lernt. Diesen umständlichen Prozess kann man mit Servicerufnummern deutlich vereinfachen, indem man die aufgezeichnete Predigt direkt als digitale Datei auf einer Audiotexplattform einspielt und den Zugang über eine deutschlandweit einheitliche Nummer kommuniziert. Als Nebeneffekt ergeben sich eine deutlich bessere Tonqualität und die Möglichkeit der Refinanzierung aus Auszahlungen für die Anrufe.

Micropayments

Andere mögliche Einsatzgebiete sind die Umsetzung von Spendenhotlines, bei denen der Anrufer nicht mit einem Call-Center-Agenten sprechen und seine Kontonummer zur Abbuchung angeben muss. Es gibt alternative Lösungen auf der Basis von 0900er-Servicerufnummern, die pro Anruf mit einem festen Betrag abgerechnet werden, den so genannten Blocksatztarifen. Für eine solche Anwendung können auch mehrere Servicerufnummern geschaltet werden, denen jeweils ein anderer Spendenbetrag zugeordnet wird. Damit lassen sich Arbeitsplätze in den sonst üblichen Spendenhotlines einsparen oder mehr Anrufe bei der gleichen Agentenkapazität annehmen. Auch lassen sich mit einer solchen Lösung eher Spontanspenden auslösen, da der Vorgang einfacher ist als das Ausstellen eines Überweisungsträgers. Natürlich fallen auch bei der Nutzung von Servicerufnummern für Spenden Kosten für Rechnungsstellung, Inkasso und Netzbetreiberleistung an. Aber diese müssen dann mit den Kosten verglichen werden, die andernfalls für die Hotline und die Bankbearbeitungsgebühren anfielen.

Vanity-Nummern

In USA gab es schon vor fast dreißig Jahren die ersten Lösungen für Vanity-Nummern. Bekannt geworden ist insbesondere der Blumenhändler, der sein Versandgeschäft dadurch sprunghaft steigerte, dass er für Anrufer die kostenfreie und leicht zu merkende Rufnummer 0800-FLOWERS bewarb. Die Übersetzung von Zahlen auf Buchstaben erfolgt durch die in Nordamerika schon sehr lange auf der Tastatur aufgedruckten Buchstaben; die entsprechenden Rufnummernangebote haben in den USA ihre Bezeichnung „Vanity-Nummern“ erhalten. Die obige Rufnummer „übersetzt“ man daher in Europa mit 0800-356 93 77. Hier haben sich Buchstaben auf der Tastatur erst mit der Verbreitung von Mobilfunkhandys (z.B. für das Erstellen von SMS-Nachrichten) durchgesetzt.

Im Festnetz erfreuen sich Vanity-Nummern in Europa bislang zwar noch keiner besonderen Beliebtheit, aber der Erfolg des Blumenhändlers hat in den USA zu einer schnellen Verbreitung der kostenfreien Servicerufnummer in Verbindung mit einer Vanity-Nummer geführt und wird als besonders kundenfreundlich angesehen. Marktforschungen haben ergeben, dass, wenn der Anrufer unter verschiedenen Unternehmen wählen kann, diejenigen Unternehmen, die Servicerufnummern einsetzen, deutlich mehr Anrufe erhalten.

Effizientere Gewinnspiele

Gewinnspiele können statt mit Postkarten auch mit Audiotexlösungen realisiert werden. Die Abfragen von Namen und Anschrift können sprachgesteuert durch eine Audiotexplattform in Verbindung mit einer IVR erfolgen, und auch die Gewinnfrage kann sprachgesteuert gestellt werden. Für diese Applikation wird kein Call Center benötigt, und neben dem Vorteil der kurzfristigen Auswertung der Anruferresonanz wird der Veranstalter von dem Aufwand entlastet, der sonst mit dem Sammeln und Erfassen der Daten auf den Postkarten verbunden ist. Bei der Nutzung der servicerufnummernbasierten Lösung erfolgt die Auswertung der eingehenden Daten auf Wunsch so umfassend, dass der Veranstalter die Daten als fertige Datei zur Weiterverarbeitung erhält.

Ein Nebeneffekt ist dabei, dass für die Rufnummer kostenpflichtige Tarife genutzt werden, bei denen der Veranstalter eine Auszahlung pro Anruf erhält. Selbst wenn die Kosten nur dem Preis der Briefmarke für die Postkarte entsprechen (und dies für den Anrufer somit kostenneutral ist), so ist schon eine zumindest teilweise Kostendeckung möglich. Bei den Rufnummerngassen mit höheren Tarifen können über die zusätzlichen Einnahmen selbst höherwertige Gewinnpreise finanziert werden.

Unseriöse Anbieter und Beschwerdeabwicklung

Im Falle eines unseriösen oder betrügerischen Angebotes wendet sich der geschädigte Anrufer zumeist zunächst an die Deutsche Telekom oder den TNB/VNB, der ihm die Rechnung gestellt hat; dort wird er an den Netzbetreiber verwiesen, der die Servicerufnummer betreibt. Dieser prüft zunächst, ob die angegebenen Verbindungsdaten in der Rechnung stimmen, d.h. also, ob Datum, Uhrzeit, Dauer und abgerechneter Tarif des Anrufes stimmen. Weiter ist eine interne Prüfung nicht möglich. Wenn der Anrufer Beschwerden bzgl. der erbrachten Dienstleistung hat, muss sich der Netzbetreiber an den Dienstebetreiber, z.B. den Betreiber der Audiotexplattform wenden oder den eigentlichen Dienstleistungserbringer. Hierzu ist er verpflichtet, denn der Missbrauch von Telekommunikationsdiensten ist strafbar.

Die Nutzung von Servicerufnummern als Abrechnungsinstrument für den Zugang zu kostenpflichtigen Internet-Seiten – hier überwiegend zu solchen mit pornografischem Inhalt – wurde leider oft in betrügerischer Absicht missbraucht. In derartigen Fällen erfolgte der Zugang durch so genannte Dialer-Programme, die beim Aufruf der betreffenden Seite parallel eine 0900er-Verbindung über die Telefonleitung aufbauen. Dies ist im Prinzip in Ordnung, wenn die Software nur beim Aufruf dieser Seite und nicht auch beim Aufruf von anderen Internet-Seiten diese 0900er-Verbindung aufbaut. Zudem muss der Kunde vorab über den Aufbau der Verbindung sowie über die damit verbundenen Kosten informiert werden und dies per Klick bestätigen. Die 0900er-Verbindung muss verbindlich nach Verlassen der Internet-Seite wieder beendet werden. Dieses Verfahren ist beispielsweise gut geeignet, um den Online-Download von Software-Updates oder den Online-Verkauf von Informationen zu ermöglichen; sie ist damit auch in Bereichen außerhalb des Erotikgeschäftes gut einsetzbar. Beim Dialer-Einsatz ist die Nachverfolgung von Beschwerden noch komplizierter, da sich Internet-Seiten von einer Sekunde auf die andere auf Host-Server im Ausland verlagern lassen und die Servicerufnummer ebenso schnell von einer Zieladresse auf die andere umgeroutet werden kann.

Tatsächlich erhält der Anrufer in den Fällen, in denen er berechtigte Beschwerden vorbringt und einen Missbrauch oder Betrug beweisen kann, sein Geld wieder zurück. Für den Netzbetreiber kann es dabei allerdings schwierig sein, seine bis dahin schon längst an den Dienstebetreiber ausgeschüttete Zahlung wieder zurückzuerhalten. Hier macht sich die unterschiedliche Abrechnungsdynamik bei den verschiedenen Facetten des Servicerufnummerngeschäftes negativ bemerkbar. Dabei realisiert gerade der Erotikbereich gute und steigende Umsätze, ohne dass man bei Nachfragen Kunden findet, die zugeben, diese Dienste zu nutzen! Auch bei Erfüllung aller oben genannten Anforderungen an einen Einsatz von Dialer-Software gibt es trotzdem Beschwerden von Anrufern, die auf diesem Wege versuchen, eine Bezahlung zu umgehen. Die beschriebenen Betrugsfälle können nicht nur einen massiven Imageschaden zur Folge haben und möglicherweise auch wirtschaftlichen Schaden durch nicht eintreibbare Rückforderungen – es bindet auf jeden Fall personelle Ressourcen beim Betreiber, die für andere Aufgaben fehlen.

Fazit: Die technische Infrastruktur entscheidet

Dieser Ausschnitt der möglichen Lösungen zeigt bereits die Vielfalt von Anwendungen auf, die mit Hilfe von Servicerufnummern realisiert werden können. Einige der beschriebenen Lösungen setzen zusätzliche technische Einrichtungen voraus, die als Server nahe am Vermittlungsrechner realisiert werden und von dort die notwendigen Informationen erhalten bzw. Steuerungsinformationen geben. Die Realisierung wird durch die Verfügbarkeitsanforderungen an ein Kommunikationsnetz erschwert. Da der Kunde auf die Server mit den Zusatzdiensten über das Internet zugreift, besteht natürlich die immanente Gefahr eines Hacker-Angriffs oder eines ungewollten Fehlers. So könnte es beim Routing zu Schleifen führen, die die Verfügbarkeit des Netzes stark beeinträchtigen könnten. Daher sind die Schnittstellen physikalisch zu trennen und die Befehlsweitergabe mit Schutzvorrichtungen zu versehen.

Diese Zusatzleistungen und die Identifikation von neuen Anwendungen machen die Stärke eines Mehrwertdienste-Anbieters im Vergleich zum auf Standardanwendungen ausgelegten Netzbetreiber aus. Viele der neuen Anwendungen entstehen dabei nicht in theoretischen Überlegungen, sondern im direkten Dialog mit dem Kunden. Dabei sind Focus-Gruppen ein erprobtes Instrument, um erste Ideen zu testen und zu verfeinern.

Nützliche Links

Zur Verhinderung eines Missbrauchs im Telekommunikationsbereich wurde 1997 der FST (Freiwillige Selbstkontrolle Telefonmehrwertdienste e.V.) gegründet. In diesem Verein sind ca. 60 Unternehmen vertreten, die als Marktteilnehmer (Netzbetreiber, Diensteanbieter, Verbände) ein Interesse an der Entwicklung des Mehrwertdienstemarktes und dafür den FST-Verhaltenskodex ausgearbeitet haben.

Einen Überblick zu den Rufnummerngassen gibt die Bundesnetzagentur unter Nummernverwaltung.