Smart Coworking Spaces: Wie Smart Co­working Spaces ticken

Freelancer, Start-ups, Studenten oder Projekt­teams – es gibt ganz unter­schied­liche Gründe für die Arbeit im Co­working Space. Aber es gibt letzt­lich nur einen ein­zigen dafür, einen Co­working Space zu be­trei­ben: ren­tieren soll er sich. Das geht am besten in IoT-auto­mati­sier­ten Smart Com­mercial Buildings.

Die Rechnung mit dem Wirt

Von Florian Eichberger

Der Bedarf nach flexiblem Büroraum ist deutlich, aber die Bedarfe der einzelnen Coworker sind vielfältig. Befragungen sind mit großer Vorsicht zu genießen. Zum einen ziehen mehr und mehr Firmen in die trendigen Business-Gemeinschaftsunterkünfte, und das bedeutet, dass die Auskunftgeber Angestellte sind, die nur bedingt eine Wahl haben. Zum anderen rückt eine sehr interessante Gruppe regelmäßig aus dem Blickfeld: diejenigen, die nicht da sind. Das sind zum einen die Firmen, die auf Büropräsenz bestehen (oder sogar dahin zurückkehren) und stattdessen ein Gleitzeitmodell verhandeln; das sind aber auch diejenigen Freelancer, die in der Nähe ihrer CNC-Fräse bleiben müssen – „wer zum Arbeiten eine größere Ausstattung braucht als Laptop und WLAN, muss vorher prüfen, ob eine geeignete Infrastruktur dafür vorhanden ist“, formuliert Bastian Bauer, General Manager von Mindspace, das in Deutschland insgesamt acht Standorte betreibt. Und dann wären da noch die legendären Digitalnomaden, die gar nicht in Berlin oder München sind, sondern lieber auf Bali.

Location, location, location!

In manchen Teilen der Welt startet man Coworking Spaces so wie man früher Hostels für Backpacker auf Working Holiday aufgemacht hat, wenn die Erntesaison näher rückte: Es ist eine Variante des Touristengeschäfts. In den einschlägigen Ratgebern für Coworking-Space-Gründer zählt darum die anvisierte Zielgruppe auch zu den wichtigsten Faktoren des konkreten Geschäftsmodells. Die tendenziell kreativen Einzelkämpfer legen zuerst Wert auf niedrige Kosten. Direkt danach zählt für sie das Wetter.

Überdeutlich wird das mit einem Blick auf die Nomad List. Dort steht zu Redaktionsschluss auf Platz eins der beliebtesten New-Work-Städte Kanggu auf Bali (Indonesien) mit Lebenshaltungskosten von monatlich 1192 US-Dollar und Strand unter Palmen. Auf Platz 2 und 3 liegt Thailand. Die Mitglieder der CAAP (Coworking Alliance of Asia Pacific) dürfen sich freuen. Berlin findet man dann auf 7, das Start-up-Zentrum London erst auf Platz 19, die nächste deutsche Stadt ist München (41), dann Köln (95), direkt hinter dem rumänischen Cluj-Napoca. Wien (132) rangiert unter ferner liefen, ebenso Stuttgart (137), das eine der wenigen deutschen Städte ist, die auf akzeptable Fun-Werte kommen, obwohl das Adult Nightlife nur ein „bad“ erreicht. Zum Vergleich: Selbst das Berliner Nachtleben kriegt bei den Digitalnomaden nur ein „okay“. Aachen punktet zwar mit Internet und Safety, kommt aber nur auf 268. Leipzig (279) liegt nicht weit dahinter und hätte sogar noch ein relatives Kostenargument auf seiner Seite, doch auch hier verderben die schlechten Fun-Werte die Durchschnittbewertung. Wie gesagt: Man erinnere sich, wer hier abstimmt.

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Berlin ist Europameister in der Disziplin Flexible Office Space. 2015 konnte die Bundeshauptstadt München überholen, das bis dahin die meisten Coworking Spaces in Deutschland geboten hatte. (Bild: JLL)

Smart Commercial Buildings

Am anderen Ende der Kundenskala finden sich technologiegetriebene Start-ups und Firmen. Die zieht es deutlich in die Metropolen und an Hightech-Standorte, weil sie dort außerhalb der Büroräume gute Vernetzungsmöglichkeiten mit Forschungseinrichtungen, etablierten Unternehmen und anderen Partnern finden. Der Preis spielt für diese User-Gruppe zwar eine Rolle, das K.o.-Kriterium ist aber der Standort. Eine Modellrechnung von JLL am Beispiel Hamburg ist zu dem Ergebnis gekommen, dass junge Firmen mit bis zu zehn Mitarbeitern in den ersten drei Jahren bei einem Coworking-Anbieter günstiger fahren. Danach lohnt sich eher ein eigenes Büro.

Von einem Coworking Space erwartet diese Klientel auch deutlich mehr als Spinde, WLAN und eine halbwegs stabile Internet-Anbindung. Selbstverständliche Voraussetzung ist laut coworkingresources.org ein Verbund aus Geräten, Speicher, IP-Telefonie, Sicherheit, Videoüberwachung sowie Heizung, Lüftung, Klimatechnik, der sich effizient managen lässt. Hinzu kommen relativ anspruchsvolle Zutrittskontrollsysteme. Gefordert sind Schließtüren, aber Öffnungszeiten rund um die Uhr, sowie überhaupt eine lückenlose Verbrauchsdokumentation, ferner Konferenzräume, Spinde und Lösungen, damit Kunden und Partner zu Besprechungen ebenfalls in die Räume gelangen. Unterm Strich ergibt sich im Idealfall ein komplett durchdigitalisertes Büro – eben ein Smart Coworking Space.

Leerstand zu Cyberspace

Tatsächlich wittert die Immobilienbranche bereits Morgenluft. Während ihr der Einzelhandel in den Zentren wegstirbt, sehen die Analysten neue Hoffnung in smarten Bürogebäuden. So waren Smart Commercial Buildings ein wichtiges Thema auf der Aachener Smart Building Convention im Herbst 2018, und die Nordic Smart Building Convention wird direkt aus der Coworking-Ecke organisiert: vom finnischen Start-up- und Business Innovation Accelerator HUB13. Auch die Gewerbeimmobilienmanager von JLL verzeichnen ein kräftiges Wachstum an Flexible Office Space: In Europa waren es 2017 rund 25 %, Berlin bietet mit Abstand die meiste Fläche an.

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Schwarz auf Weiß
Dieser Beitrag erschien zuerst in unserer Heise-Beilage „IT- und Technologie­unternehmen stellen sich vor“. Einen Über­blick mit freien Downl­oad-Links zu sämt­lichen Einzel­heften be­kommen Sie online im Presse­zentrum des MittelstandsWiki.

Zugleich haben zahlreiche Kommunen das Coworking-Konzept als interessante Möglichkeit der Nachnutzung für sich entdeckt. Leer stehende Geschäftsgebäude und selbst denkmalgeschützte, sonst schwer verwertbare Immobilien fänden damit eine sinnvolle und finanziell vertretbare Verwendung. Ein typisches Beispiel ist derzeit im Kieler Stadtteil Wik zu beobachten. Dort sollen auf dem Gelände der ehemaligen Marinetechnikschule unter anderem CoWoKiWi entstehen (Coworking Spaces Kiel-Wik). Der Lokalpolitik gilt die neue Arbeitsform zugleich als „Rezept gegen Landflucht“. Der Kneipp-Kurort Bad Berneck im Fichtelgebirge spekuliert gar auf zusätzliche Einnahmen aus dem Tourismus, weil sich „ein paar Tage Freizeit oder Wellness-Urlaub“ mit dem Job kombinieren lassen. Selbst die Deutsche Bahn plant, ab 2019 Teile ihrer Bahnhofsimmobilien als Coworking Spaces für Pendler und Geschäftsreisende anzubieten. Ob sich solche Vorhaben als tragfähig erweisen, wird sich im Einzelfall zeigen. Beim Coworking-Konzept für die ehemalige Sportschule Zirnsak von Werdohl im Sauerland war der zuständige Ausschuss der Stadt eher skeptisch. Ein K.o.-Kriterium wird vor allem auf dem Land die Qualität der Internet-Anbindung bleiben.

Eine Studie von Deloitte Netherlands zeichnet entsprechend das Bedarfsbild sensorbestückter IoT-Gebäude, die vielerlei Informationen sammeln, wie Belegung, Temperatur, Energieverbrauch etc. Software verknüpft diese Daten, übernimmt Automatisierungsfunktionen und wird damit zur „Intelligenz“ des Gebäudes, das nun Beleuchtung, Heizung, Sicherheitsfunktionen und andere Stellschrauben selbstständig kontrollieren und Fehler im besten Fall ebenso selbstständig beheben kann. Deloitte sieht allerdings auch klar, dass IoT-Konzepte sämtliche Risiken mit sich bringen, die das IoT mit sich bringt. Des Weiteren gewinnen datenschutzrechtliche Aspekte an Relevanz, wenn die digitale Haustechnik mit Unmengen von personenbezogenen Sensordaten umgeht. „Folglich müssen Cyberrisiken und Datenschutz in der Zusammenarbeit von Immobilienunternehmen, Betreibern und IT-Firmen ganz vorne stehen, um die Sicherheit am modernen Arbeitsplatz zu gewährleisten“, heißt es bei Deloitte.

Coworking Operating System

Nehmen wir Berlin. Derzeit verzeichnet Deloitte in der Bundeshauptstadt 131 Adressen (120 eröffnete und elf geplante) mit zusammen 213.000 m² Bürofläche, davon sind 66 reine Coworking-Büros. Die Palette reicht von sieben WeWork-Standorten, die allein mehr als 40.000 m² Fläche zusammenbringen, über die zwei Adressen der Factory Berlin bis zu Spezialangeboten wie Wonder von Shaghayegh „Shari“ Karioon, einem Coworking Space nur für Frauen. Beim Coworking Festival im September konnte man sich auch dort umsehen und etwas die Luft der Neuen Arbeit schnuppern. Die Sponsoren dieser Offenen-Event-Tage sind vor allem Software-Lösungen: Cobot, der Berliner Marktführer in Sachen Management-Software für Coworking Spaces, Office Hubs und flexible Arbeitsplätze, sowie die App und Verbundlösung One Coworking.

Schließlich brauchen nicht nur die Coworker WLAN, Internet und Storage, sondern auch die Betreiber ein passendes Managementsystem – ein „Operating System“, das möglichst viele Abläufe automatisiert. Das Marktsegment für entsprechende Lösungen bleibt immer noch relativ überschaubar. Die meisten kombinieren klassische Business-Funktionen (CRM, Rechnungsstellung etc.) mit einem Booking-System und diversen Sicherheits- und Smart-Office-Funktionen. Genannt werden neben Cobot die White-Label-Lösung Nexudus, außerdem Office RnD, Optix (ShareDesk), Kube (WUN) oder das quelloffene Nadine Project von Office Nomads. Die Smart-Building-Plattform Basking wiederum bezieht gleich noch WLAN-Management, Heizung und Smart Meter, Licht und Zutrittskontrolle mit ein.

Die dazu erforderliche Sensorik ist in der Regel das geringste Problem. Kameras und Access Points sind in jedem Objekt separate Vernetzungsprojekte. Neue Anlagen (Heizung, Klima, Licht, Beschattung etc.) bringen normalerweise eine Messdatenerfassung samt IoT-Schnittstelle und Übergabeprotokoll bereits mit. Ältere Anlagen wiederum lassen sich relativ einfach mit der passenden haustechnischen Sensorik und Connectivity nachrüsten – hierfür gibt es unter dem Stichwort Retrofit eine Vielzahl von Automatisierungslösungen aus Haustechnik, Netzwerk und Cloud. Schließlich sind Smart Coworking Spaces auch nur Häuser, die Smart Buildings werden wollen.

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