Sozialversicherungspflicht

Firmenbeteiligung geht über Arbeitsvertrag

Von der Fachredaktion anwalt.de

Immer mehr Menschen würden lieber heute als morgen aus dem Sozialversicherungssystem aussteigen. Vor allem die gesetzliche Rentenversicherung steht nicht gerade für ein gutes Preis-Leistungsverhältnis. Für Arbeitnehmer gibt es kein Entkommen – für andere Berufstätige dagegen sehr wohl.

Dabei arbeiten in Deutschland 1,5 Mio. Personen, die ihren sozialversicherungsfreien Status nicht kennen und somit überflüssigerweise Beiträge entrichten. Das dicke Ende: Im Bedarfsfall wird von den Trägern nur an denjenigen gezahlt, der auch versicherungspflichtig ist.

GmbH-Geschäftsführer

In der Regel ist ein GmbH-Geschäftsführer, der auf Grund eines Anstellungsvertrags regelmäßige Bezüge erhält und nicht beherrschend an der GmbH beteiligt ist, wie ein normaler Arbeitnehmer zu behandeln und unterfällt damit der Sozialversicherungspflicht. Etwas anderes gilt dagegen für den beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführer. Ihn trifft grundsätzlich keine Versicherungspflicht, sofern er maßgeblichen Einfluss auf die GmbH ausüben kann.

Hierbei gilt die Faustregel: Je geringer die Beteiligung, desto geringer wird auch der Einfluss auf die Gesellschaft sein. So ist bei einer Beteiligung unter 45 % grundsätzlich von einer Sozialversicherungspflicht auszugehen. Letztlich entscheidend sind aber auch die Ausgestaltung des jeweiligen Anstellungsvertrages sowie die Weisungsgebundenheit der Tätigkeit. Oft spielen bei der Qualifizierung auch familiäre Bindungen eine wichtige Rolle.

Familienbetriebe

Ein Beispiel macht am besten deutlich, wie verzwickt die Lage oft ist – und wie wenig man nach eigenem Empfinden gehen kann:

Christine M. betreibt gemeinsam mit ihrem Mann, dem Metzgermeister Peter M., eine Metzgerei mit Feinkostabteilung. Beide sind Gesellschafter der „Müller Feinkost GmbH“. Während Peter M. für die Herstellung der Fleisch- und Wurstwaren zuständig ist, kümmert sich seine Frau um die kaufmännischen Aufgaben.
Beiträge zur Sozialversicherung hatte die Unternehmerin seit ihrer Ausbildung ohne Unterbrechung gezahlt. Auch nachdem sie vor vier Jahren mit ihrem Mann das gemeinsame Unternehmen gegründet hatte, stellte sie die Beitragsentrichtung nicht ein – schließlich bekam sie ein Gehalt ausbezahlt. Zudem war sie aufgrund der Kinderbetreuung nur halbtags im Betrieb tätig.

Eine Überprüfung ihres Versicherungsstatus förderte jedoch Überraschendes zu Tage: Entscheidend für die Versicherungsträger war nicht der Halbtagsjob oder das feste Gehalt, sondern vielmehr die Tatsache, dass sie am Betriebsvermögen beteiligt und nicht weisungsgebunden ist bzw. ihre Arbeitszeit selbst einteilen kann. Daher trifft sie keine Sozialversicherungspflicht.

Erstattung oder Gutschrift

Die gute Nachricht, nicht nur für Christine M.: Wer fälschlicherweise Beiträge gezahlt hat, kann sich diese zurückerstatten lassen. Bei der Krankenversicherung besteht allerdings nur die Möglichkeit, die eingezahlte Summe in eine freiwillige Versicherung umzuwandeln.

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In Zweifelsfällen ist es empfehlenswert, eine rechtsverbindliche Auskunft des Sozialversicherungsträgers (meist ist das die jeweilige Krankenkasse) einzuholen – besonders im Hinblick auf eine drohende Beitragsnachzahlungspflicht.

Arbeitnehmerähnliche Selbstständige

Diese unheilvolle Erfahrung machte bereits 2005 ein Unternehmensberater, tätig als Alleingesellschafter und Geschäftsführer einer GmbH. So bestätigte das Bundessozialgericht dessen Rentenversicherungspflicht als so genannter arbeitnehmerähnlicher Selbstständiger, da er keinen versicherungspflichtigen Arbeitnehmer beschäftigt, dessen Arbeitsentgelt regelmäßig 400 Euro übersteigt und auf Dauer und im Wesentlichen nur für diese eine GmbH tätig ist. Entgegen der Annahme des Unternehmensberaters sei dagegen mangelnde wirtschaftliche Schutzbedürftigkeit kein ausschlaggebendes Kriterium (Az.: B 12 RA 1/04).

Dieses Urteil hatte gerade im Mittelstand für große Unruhe gesorgt, würde die Umsetzung doch wegen immenser Beitragsverpflichtungen für viele kleine GmbHs den wirtschaftlichen Ruin bedeuten. Aus diesem Grund hat die Deutsche Rentenversicherung Bund das Urteil zunächst als Einzelfallentscheidung aufgefasst und ist ihm über den entschiedenen Fall hinaus nicht gefolgt – zur großen Erleichterung vieler Unternehmer.

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