Systemangebote als Mittel zur Kundenbindung

Serien und Pakete erschweren den Anbieterwechsel

Von Dr. rer. nat. Jürgen Kaack, STZ-Consulting Group

Systemlösungen zählen zu den Kundenbindungsinstrumenten, die – wie die vertragliche Bindung – zum Ziel haben, dem Kunden nach dem Kauf einen Wechsel zu einem anderen Anbieter zu erschweren. Ein klassisches Beispiel für diese Vorgehensweise liefern die Hersteller von Telefon-Nebenstellenanlagen. Da bei diesen Anlagen die internen Schnittstellen nicht genormt sind, können Elemente verschiedener Hersteller nicht miteinander kombiniert werden, nicht einmal die Telefongeräte können frei gekauft werden. Insofern sind die Kunden mit der Entscheidung für eine bestimmte Nebenstellenanlage für lange Zeit (viele solcher Anlagen werden für einen Zeitraum von zehn Jahren gemietet) an einen Hersteller gebunden, wenn es um Ergänzungs- und Erweiterungskäufe geht.

Diese Form der Kundenbindung ist sicherlich effektiv im Rahmen des vereinbarten Zeitraums, führt jedoch häufig zu unzufriedenen Kunden, die nach einem preislich attraktiven Einstiegsangebot von den nicht selten überhöhten Preisen des Herstellers für Erweiterungsanschaffungen abhängig sind und nach Vertragsablauf zu einem anderen Hersteller wechseln.

Clever ausbauen und anknüpfen

Andere Formen des Systemlösungsgedankens werden z.B. bei Tafelservices, Gläsern und Porzellan realisiert. Auch hier bestimmt der Erstkauf meist zahlreiche Folgekäufe der gleichen Marke. Die Hersteller nutzen diese Situation, indem die Angebotsprogramme der einzelnen Dekors gezielt um weitere passende Artikel erweitert und die Kunden gezielt auf Basis der CRM-Daten kontaktiert werden. Die Basis des Systemgedankens zu Kundenbindung liegt hier im Design der Produkte.

Doch Systemlösungen können auch in anderen Bereichen erfolgreich sein, in denen die Produkte auf den ersten Blick gar kein System darstellen. Der mittelständischen Firma Würth ist es beispielhaft gelungen, mit ihrem Primärprodukt Schrauben über den Systemlösungsansatz zu einem weltweit tätigen Marktführer zu werden. Dabei scheint eine Differenzierung mit Schrauben nur schwer vorstellbar: Alle wichtigen Schraubentypen sind international genormt, ausländische Produzenten haben hinsichtlich der Herstellkosten deutliche Preisvorteile, für den Endkunden sind Schrauben ein klassisches Low-interest-Produkt.

Die Lösung besteht hier in einem speziellen Systemangebot, gezielt ausgerichtet an den Bedürfnissen der Wiederverkäufer: Würth bietet Händlern und Nutzern seiner Produkte Ladeneinrichtungen und Regalsysteme, abgestimmt auf die Würth-Produktpalette, zur Miete an. Gerade für kleine Unternehmen in der Gründungsphase ist dies eine finanziell sehr attraktive Alternative zu den vergleichsweise hohen Investitionen für Ladenausstattungen, zumal die Qualität der Würth-Systeme hoch ist. Ähnlich wie beim Cross-Selling Ansatz etabliert Würth damit wichtige Kundenbeziehungen, durch die der Schritt zum zusätzlichen Kauf der Würth-Produkte nur noch gering ist. Bei geschickter Ausgestaltung kann mithilfe von Systemlösungen auch ein Cross-Selling ermöglicht werden.

Fazit: Kundenzufriedenheit statt Kaufzwang

In manchen Branchen reagieren die Kunden durchaus empfindlich, wenn sie sich zu Systemlösungen gedrängt fühlen. So haben manche Software-Hersteller versucht, mit eigenen Standards und proprietären Schnittstellen Kundenbindung zu schaffen. Diese Art der Systemlösung funktioniert allerdings nur in Ausnahmefällen, da der Kunde im Zweifelsfall eher ein Angebot mit offenen Schnittstellen bevorzugen.

Dies ist allerdings kein Argument gegen Systemlösungen. Es ist jedoch erforderlich, dass sie über die Vorteile für den Käufer verkauft und nicht erzwungen werden. Denn Systemlösungen können für den Kunden von Vorteil sein, wenn damit die Beherrschung von unterschiedlichen Standards und Schnittstellen an einen spezialisierten Anbieter übertragen wird und damit interne Ressourcen eingespart werden können.

Nützliche Links