Teambuilding

Je selbstständiger, desto stärker

Von Dr. rer. nat. Jürgen Kaack, STZ-Consulting Group

Der wirtschaftliche Erfolg hängt nur in Ausnahmefällen am Einsatz und der Genialität Einzelner. Damit ein neues Produkt rechtzeitig auf den Markt kommt, die Produktion funktioniert und der Vertrieb die Sache erfolgreich vermarktet, ist in fast allen Fällen Teamarbeit erforderlich.

In einigen Märkten geht die Teamarbeit sogar über das eigene Unternehmen hinaus und bezieht auch Kollegen in anderen Ländern mit ein. In jedem Fall sind moderne Personalstrategien wie Teambuilding wichtige Erfolgsfaktoren und starke Führungsinstrumente.

Dass Teamarbeit weit weniger ein Luxus ist, als man sich gemeinhin denkt, wird sofort klar, wenn man sich die immer noch gängige Praxis – und ihre Folgen – an einem Beispiel vor Augen hält:

Die Katastrophe der Einzelkämpfer

Firma Meierhuber ist ein mittelständisches Unternehmen mit fast hundert Mitarbeitern und stellt in zweiter Generation Anlagen des Maschinenbaus für industrielle Kunden her. Herr Meierhuber ist quasi im Unternehmen aufgewachsen und kennt alle Abläufe, Kunden und natürlich seine Mitarbeiter. Da er selber die Aufträge mit seinen Kunden verhandelt, plant er auch gleich die Umsetzung und teilt den Mitarbeitern die Aufgaben zu. Er ist selber ein anerkannter Fachmann, daher kommen die Mitarbeiter bei Problemen direkt zu ihm und gemeinsam konnten alle Probleme immer rechtzeitig gelöst werden.

Da Meierhuber immer selber den Mitarbeitern die Aufgaben zuteilt, sind seine Abteilungsleiter häufig frustriert, denn ihre Mitarbeiter kennen häufig mehr Details über neue Vorhaben als sie. Meierhuber ist mit Schmidt, einem bewährten Konstrukteur, privat befreundet und daher weiß Schmidt häufig eher über neue Entwicklungen Bescheid als alle anderen. So gehen auch die Führungskräfte meist erst zu Schmidt, wenn es Gerüchte um Veränderungen oder neue Aufträgen gibt. Seinen Informationsvorsprung weiß Schmidt trefflich zu nutzen: Er hat sich eine unangreifbare Position geschaffen, in der er mehr Befugnisse hat als alle Führungskräfte zusammen.

Um möglichst hohe Leistungen zu erreichen, treibt Meierhuber den Wettbewerb zwischen den Mitarbeitern an, indem er hohe Prämien an einzelne Mitarbeiter zahlt, die seine Anordnungen am besten umsetzen. Dies führt dazu, dass alle Mitarbeiter versuchen, sich und ihre Leistung gegenüber dem Chef ins rechte Licht zu setzen. Dass die Einschätzung und Vergabe der Sonderprämien nicht immer ganz fair verläuft, versteht sich fast von selber. Obwohl die Stimmung unter den Mitarbeitern nicht schlecht ist und es kein Mobbing, aber etliche private Freundschaften gibt, herrscht im Geschäft eine ausgeprägte Einzelkämpfermentalität vor.

Da passiert es: Nach einem dazwischen geschobenen Kundenbesuch am späteren Abend erleidet Meierhuber einen schweren Unfall und fällt für längere Zeit aus. Ein paar Tage lang läuft alles im Unternehmen nach Plan weiter. Doch dann tritt das erste Problem auf. Auf einmal ist kein Ansprechpartner mehr da, der bei der Problemlösung hilft, die Abteilungsleiter können auch nicht helfen und die hektische Suche in den Unterlagen von Meierhuber hilft nicht weiter. Dieses Mal nützt auch der sonst so allwissende Schmidt nichts. Zwei Wochen später mahnt der Kunde die erste Teillieferung an. Diese ist aber nur teilweise fertig gestellt und der Kunde storniert nach weiteren zwei Wochen. Gemäß der vereinbarten Regelungen schickt er zudem eine happige Schadensersatzforderung. Da die Mitarbeiter nicht gewohnt sind, selbständig zu agieren und es keinen Stellvertreter gibt, kommt die Aktivität im Unternehmen so langsam zum Erliegen und das Traditionsunternehmen steht vor einer ernsten Krise.

Teambuilding ist nun sicher nicht das einzige Instrument oder auch nur eines, das in allen Fällen genutzt hätte – aber in diesem Fall hätte es sowohl den Geschäftsführer entlastet und ihm geholfen, sich auf entscheidende Bereiche der Unternehmensführung zu konzentrieren, als auch eine Vorsorge für Krisensituationen ermöglicht.

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Schwarz auf Weiß
Eine ausführliche Dar­stellung zu Führungs­instrumenten für den Mittel­stand gibt Dr. Jürgen Kaack im Rat­geber „Coaching und Team­building – moderne Führungs­instrumente für den Mittel­stand“, den Sie frei zugänglich im Presse­zentrum des MittelstandsWiki bekommen.

Erfolg mit erreichbaren Zielen

Die Zeit der genialen Erfinder und Unternehmer vom Schlage eines Daimler, Siemens, Bosch etc. dürfte vorüber sein. Zwar setzt sich auch der Teamerfolg aus den Beiträgen und dem Einsatz Einzelner zusammen, aber bei der zunehmenden Komplexität von Produkten, Prozessen und Geschäftsbeziehungen reicht der isolierte Einsatz nicht mehr aus. Erst die erfolgreiche Kooperation der Spezialisten und Mitarbeiter in einem gemeinsamen Team sichert den nachhaltigen wirtschaftlichen Erfolg eines Unternehmens.

Was zeichnet nun ein „Team“ gegenüber der Summe von „Einzelkämpfern“ aus? Zunächst ist es das gemeinsame Ziel, das über dem Handeln aller Teammitglieder steht. Sie müssen greifbar und messbar sein. Ein hoher Ertrag und wirtschaftlicher Erfolg sind zwar übergeordnete Ziele, aber sie taugen nicht als Ziele eines Teams. Geeigneter sind z.B.

Die Ziele müssen in einem überschaubaren Zeitrahmen zu erreichen sein, so dass die Fortschritte erkennbar und der verbleibende Aufwand absehbar bleibt.

Neben dem gemeinsamen Ziel sind eine offene Kommunikation und Transparenz innerhalb des Teams sowie die gegenseitige Unterstützung bei der Problemlösung wichtige Kennzeichen einer funktionierenden Gruppe. Nicht zu unterschätzen ist die gemeinsame Teilhabe am erzielten Erfolg zur Aufrechterhaltung des Teamgeistes, z.B. als Erfolgsbeteiligung. Dabei funktioniert ein Team andererseits aber auch nicht, falls individuelle Beiträge nicht ebenfalls gewürdigt werden.

Teambuilding ist also keine leichte Aufgabe für einen Unternehmer. Ein Team entsteht ja nicht automatisch durch das Zusammensetzen von mehreren Individuen. Auch die Mitarbeiter in einer Abteilung bilden nicht automatisch ein funktionierendes Team. Teambuilding ist eine Managementaufgabe, bei der die richtigen Rahmenbedingungen und die laufende Förderung des Teamgeistes eine entscheidende Rolle spielen.

Offene Kommunikationspolitik

Teamarbeit ohne offene Informationspolitik kann nicht funktionieren. Alle Aspekte der anstehenden Aufgaben müssen im Team bekannt sein. Dies schließt auch wesentliche Teile des Auftrags und der Rahmenbedingungen mit ein. Allerdings bedeutet dies nicht, dass ein Team ein Debattierklub ist, in dem Entscheidungen bewertet und in Frage gestellt werden. Es bedeutet genauso wenig, dass alle Vorgänge oder kritischen Situationen im Unternehmen offen diskutiert werden müssen. Der Fokus der Teams sollte auf der vollständigen und zeitgerechten Erledigung der anstehenden Aufgaben liegen.

Eine offene Kommunikation und Transparenz muss auch während der eigentlichen Projektarbeit in beiden Richtungen erfolgen. Das Team muss über neue Absprachen mit dem Kunden informiert werden und umgekehrt muss der verantwortliche Manager rechtzeitig über Probleme informiert werden, die die Einhaltung der Ziele gefährden.

Natürlich müssen für den Informationsaustausch nicht immer alle Teammitglieder zusammen auftreten, und Einzelgespräche sind durchaus sinnvoll, wenn hinterher alle über die Ergebnisse informiert werden. Die Entwicklung verschlungener Informationspfade und die Ausnutzung von Wissensvorsprüngen ist aber auf jeden Fall zu vermeiden.

Zur Abstimmung und zum allgemeinen Austausch ist ein regelmäßiges Teammeeting sinnvoll. Wie oft und in welchem Abstand solche Treffen stattfinde, hängt vom jeweiligen Vorhaben und der Anzahl bzw. Dringlichkeit neuer Informationen ab. Bei einer straffen Führung können die Teammeetings in der Regel ohne großen Zeitaufwand durchgeführt werden. Wichtig ist allerdings, dass sie für alle verbindlich sind und nur wichtige Ausnahmen ein Fernbleiben rechtfertigen.

Verantwortung delegieren

Die Stärken eines guten Teams kommen dann am besten zum Tragen, wenn wichtige Aufgaben vollständig an die Gruppe delegiert werden. Dies schließt die Arbeitsverteilung innerhalb des Teams und die selbständige Aufplanung der Teilaufgaben ein. Natürlich ist der Vorgesetzte trotzdem gefordert und sollte seine Kontrollfunktion ernst nehmen. So kann er die Umsetzungs- und Einsatzplanungen, die das Team erarbeitet hat, prüfen und gegebenenfalls Änderungen vornehmen. Im Sinne der offenen Kommunikation sollten diese Änderungen allerdings auch begründet werden.

Das Team sollte in der Lage sein, den Fortschritt bei der Umsetzung, Engpässe und Problembereiche selbständig zu erkennen und Gegenmaßnahmen zu erarbeiten. Diese Situationen sind natürlich allen Teammitgliedern bekannt zu machen und auch dem Vorgesetzten mitzuteilen. Das Teammeeting kann eine Plattform hierfür sein. Darüber hinaus sollten wichtige Entscheidungen und Planungen für alle leicht zugänglich gemacht werden. Ob dies in Form elektronischer Projektpläne erfolgt oder mit Tafeln und Whiteboards, hängt von der Situation ab und ist für eine effiziente Teamarbeit auch sekundär.

Für ein selbständig und verantwortungsvoll agierendes Team hat der Vorgesetzte eine andere Führungsaufgabe als bei der Steuerung einzelnder Mitarbeiter. Unverändert hat er die Ziele der Projekte zu definieren, Ressourcen zuzuordnen und die Umsetzung zu kontrollieren. Aber bei der eigentlichen Realisierung übernimmt er neben der Kontrollfunktion eher die Aufgabe eines Beraters und Coaches, der dem Team hilft und der es in solchen Fällen unterstützt, bei denen es selbst nicht weiter kommt. Auf diese Weise wird die Selbständigkeit des Teams entwickelt und das gegenseitige Vertrauen gestärkt. Aufgrund seiner Erfahrung muss der Vorgesetzte eingreifen, falls er feststellt, dass die Umsetzung nicht optimal erfolgt. Wenn dies durch konstruktive Kritik und im Sinne eines Vorbilds geschieht, hilft dies dem Team und dient der Weiterentwicklung.

Die Umstellung von der Zuordnung von Teilaufgaben an einzelne Mitarbeiter zu einer Aufgabendelegation an ein Team kann freilich nicht von heute auf morgen geschehen. Der Anfang muss mit kleineren Aufgaben gemacht werden; in dieser Anfangsphase ist der Vorgesetzte in fast allen Fällen mehr gefordert als bei der klassischen Aufgabenverteilung. Mittelfristig zahlt sich dieser Aufwand eigentlich immer aus, da das Unternehmen insgesamt schlagkräftiger und flexibler wird.

Anreizsysteme

Eines der wichtigsten Anreizsysteme für einzelne Mitarbeiter und ganze Teams ist ein begründetes Lob für eine erfolgreiche Arbeit. Obwohl dies eigentlich eine allgemein anerkannte Tatsache ist, wird nach wie vor Kritik eher geäußert als ein Lob. Eine gute Gelegenheit ist hier das regelmäßige Teammeeting.

Im Hinblick auf Anreize verhält sich ein Team kaum anders als der einzelne Mitarbeiter. Je nach Vergütungsstruktur im Unternehmen können für besonders erfolgreiche Teams Sonderprämien als Sondervergütung oder in Form von Budgets für Events oder Weiterbildung ausgesetzt werden. Auf jeden Fall ist ein wichtiger Anreiz die Anerkennung im Unternehmen nach Abschluss eines definierten Vorhabens. Natürlich sollte eine Abschlussbesprechung mit dem Team zur Manöverkritik und zur Aufarbeitung von Erfahrungen durchgeführt werden.

Daneben ist die auch Anerkennung der Einzelleistungen ein notwendiger Anreiz für die Mitarbeiter, da die Teamleistung nur möglich wird, wenn alle ihre Bestleistung bringen. Bei Sonderprämien gibt es grundsätzlich die Möglichkeit einer Zuordnung über den Vorgesetzten oder eine Verteilung durch das Team selber. Der letztere Weg ist aber nur bei mündigen und selbstkritischen Teams gangbar. Eine simple Gleichverteilung auf alle Beteiligten ist zwar das Einfachste und erfordert kein weiteres Abwägen, ist aber auch die am wenigsten motivierende Methode. Eine offene Kommunikation ist auch hier ein Motivationselement, denn nur wenn alle Teammitglieder wissen, nach welchen Kriterien und aufgrund welcher Leistungen der eine mehr und der andere weniger erhält, werden sich alle beim nächsten Projekt entsprechend mehr einsetzen.

Problemfälle

Nicht alle Teammitglieder bringen die gleichen Voraussetzungen und Erfahrungen mit, so dass nicht alle für jede Aufgabe die gleichen Ergebnisse bringen werden. Üblicherweise motivieren sich in einem funktionierenden Team die Mitglieder gegenseitig, so dass eine allgemeine Leistungssteigerung die Folge ist. Dies wird aber nicht in allen Fällen den gewünschten Erfolg zeigen. Einzelne können und wollen sich vielleicht nicht in eine Teamgemeinschaft einfügen oder sie können das durchschnittliche Leistungsniveau nicht halten.

In solchen Fällen ist es am besten, Probleme zunächst durch die sich entwickelnde Gruppendynamik zu lösen; oft „reißt“ dies auch solche Mitarbeiter mit, die sich eigentlich nicht in ein Team einordnen wollen. Sollte dies nicht gelingen, so ist der Vorgesetzte gefordert, um gemeinsam mit dem Team oder in Einzelgesprächen eine Änderung herbeizuführen. Dabei sollten mit dem einzelnen Teammitglied je nach Problemursache eine individuelle Weiterbildung oder eine Verhaltensänderung vereinbart werden. Wie in anderen Bereichen ist dies allerdings nur mit gutem Willen zur Veränderung und einer engen Kontrolle der Entwicklung Erfolg versprechend. Umgekehrt ist es Aufgabe des Vorgesetzten zu verhindern, dass einzelne Teammitglieder von anderen gezielt gemobbt werden. Falls dies stillschweigend akzeptiert wird, besteht die Gefahr, dass der Teamgeist dauerhaft leidet.

Lässt sich ein Teammitglied partout nicht integrieren, muss es eben für andere Aufgaben eingesetzt werden. Damit die Selbstorganisation des Teams funktioniert, dürfen solche Maßnahmen aber nicht voreilig getroffen werden. Hier ist Coaching übrigens ein wichtiges Instrument zur Einbindung von Teammitgliedern.

Organisation

Auch für die Arbeit mit Teams benötigt man Strukturen; eine basisdemokratische Entscheidungsfindung ist in den meisten Fällen ungeeignet für Wirtschaftsunternehmen. Es sind daher auch bei Gruppen Entscheider und Arbeitsregelungen erforderlich. Ob diese Strukturen im Team selber entstehen oder von den Vorgesetzten festgelegt werden, hängt stark vom jeweiligen Geschäftstyp und der Reife der Mitarbeiter ab. Eine allgemein gültige Regelung gibt es hierfür nicht.

Bei der operativen Arbeit ist neben der offenen Kommunikationspolitik wichtig, dass alle Entscheidungen, Probleme etc. ordentlich dokumentiert und nachvollziehbar festgelegt werden. Dies hilft beim späteren Rückblick auf Entwicklungen, und es hilft dabei, für die Zukunft zu lernen. Die Stärken der Teamorganisation sind die Flexibilität und die interne Festigkeit sowie die Lernfähigkeit.

Fazit: Teams wachsen an Projekten

Die Arbeit mit selbstständigen Teams ist nicht für alle Unternehmen und unter allen Bedingungen die ideale Organisationsform. Aber für Geschäftsmodelle, die mit Projektstrukturen und qualifizierten Mitarbeitern umgesetzt werden, hat sie eindeutige Vorteile gegenüber herkömmlichen Führungsstrukturen. Allerdings setzt die Einführung voraus, dass Geschäftsführung und Führungskräfte bereit sind, Verantwortung zu delegieren und eine offene Kommunikation zu üben. Es wäre ein Trugschluss zu vermuten, dass der Vorgesetzte in Teamorganisationen weniger gefordert wird. Allerdings sind die Aufgabenschwerpunkte andere. Generell erlaubt die Projektorganisation mit Teams aus mündigen und motivierten Mitarbeitern in dynamischen Märkten optimale Ergebnisse.

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