Very High Data Rate Digital Subscriber Line: Wo VDSL mit Vectoring auf 100 MBit/s kommt

Die VDSL-Obergrenze wird 2014 von 50/10 MBit/s auf 100/40 MBit/s steigen, was vorerst in den meisten Fällen vollkommen ausreicht: Damit kann das neue VDSL dank Vectoring-Entstörtechnik bestens mit dem typischen CATV-Kabel-Speed-Limit von 100/6 MBit/s konkurrieren, besonders im Upload.

Vectoring ist die Gnadenfrist für Kupferkabel

Von Dr. Harald Karcher

Wie ADSL und ADSL2+ nutzt auch VDSL (Very High Speed Digital Subscriber Line) die freien Kapazitäten in den verdrillten Kupferdrähten der Telefonleitung für die Datenübertragung. Im Prinzip kann jeder VDSL bestellen, der einen analogen oder einen ISDN-Telefonanschluss hat. Zumindest in den Ballungsräumen ist VDSL gut verfügbar. Oft wird DSL als Oberbegriff für ADSL und für VDSL verwendet.

Das bislang von der Deutschen Telekom im Telefonnetz realisierte VDSL2 erreicht theoretisch eine Gesamtkapazität von 200 MBit/s, die zum Beispiel auf 100 MBit/s im Download und 100 MBit/s im Upload verteilt werden könnte. Die Betonung liegt auf „könnte“. Denn in der Praxis werden an private Endkunden meist 50 MBit/s im Download und 10 MBit/s im Upload vermarktet, und auch das nur dann, wenn der Teilnehmer höchstens einige hundert Meter von einem modernen, VDSL-fähigen Kabelverzweigerkasten (KVz) entfernt wohnt. In diesem grauen Multifunktionsgehäuse auf dem Bürgersteig endet nämlich meist die extrem leistungsfähige Glasfaser.

Mit Blick auf den Kabelverzweiger

Wer weiter weg wohnt, bekommt nur VDSL 25, oder DSL 16.000 – oder noch weniger. Die oft jahrzehntealten Telefonkupferdrähte zwischen Verteiler und Wohnung bremsen den Durchsatz stark.

VDSL2 wurde für Triple-Play-Dienste entwickelt, kann also Internet-Daten, Internet-Telefonie und Internet-TV über eine einzige Teilnehmerleitung transportieren, in der Praxis also über zwei verdrillte Kupferdrähtchen.

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VDSL2 wurde für Triple-Play-Dienste konzipiert und ab 2006 eingeführt. Es unter­stützt drei Dienste: Telefonieren, Surfen und Fern­sehen über einen her­kömm­lichen Telefon­anschluss aus zwei ver­drillten Kupfer­drähtchen. In dieser Grafik aus dem Jahr 2006 war noch ein Splitter üblich. (Bild: Deutsche Telekom)

Dazu hat die Deutsche Telekom (vormals T-Home, vormals T-Com) seit Frühling 2006 ein VDSL2-Netz­werk aufgebaut und seit Herbst 2006 in zwölf deutschen Ballungs­zentren als Triple-Play-Dienst ver­marktet. Zum Anfang 2012 gab es laut Telekom-Sprecher Niels Hafen­richter dann 50 VDSL-Städte und 10 Mio. VDSL-fähige Haushalte.

Entbündelt und wiederverkauft

Ab Herbst 2009 bot die Telekom ihren VDSL-Dienst dann auch als Dual-Play-Dienst an: als TV-entbündeltes „Call & Surf Comfort VDSL“, nur zum Surfen und Telefonieren über das Internet, ohne Entertain-TV-Paket. Fast gleichzeitig begann 1&1 – und wenig später auch Vodafone –, VDSL-Netzleistungen bei der Telekom anzumieten, um sie als VDSL-Reseller in ihren eigenen Produkten zu vermarkten. Anfangs gab es große Probleme bei der Bereitstellung, was viele Kunden verprellt hat.

Thema: Breitbandausbau

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Dr. Jürgen Kaack hat eine Reihe von Projekten als Berater begleitet. Einige aus der Region Nordrhein-Westfalen stellt er ausführlicher als Best-Practice-Beispiele vor: Arnsberg, Ennepetal, Erftstadt, Erkelenz und Wegberg sowie die Lage im gesamten Kreis Heinsberg, ferner Geilenkirchen, Haltern am See, Kaarst, Nettetal und Rheurdt. Außerdem berichtet er von der T-City Friedrichshafen, erläutert die möglichen Geschäftsmodelle im kommunalen Breitbandausbau sowie die Optionen der NGA-Rahmenregelung und setzt auseinander, wo Vectoring seine Haken hat. Nicht zuletzt skizziert er die Prinzipien einer Breitbandstrategie NRW und macht handfeste Vorschläge für eine umfassende Breitbandstrategie.
Seine gesammelten Erfahrungen sind 2016 in der Reihe MittelstandsWiki bei Books on Demand erschienen: „Schnelles Internet in Deutschland“ (Paperback, 220 Seiten, ISBN 978-3-946487-00-5, 9,99 Euro).

Inzwischen läuft VDSL offenbar weitgehend stabil: So hat der Autor mit VDSL-50 der Telekom an einem 1&1-Tarif in München schon oft 45 bis 50 MBit/s im Download und 6 bis 9 MBit/s im Upload in 150 Metern Entfernung zum hellgrauen VDSL-Multifunktionskasten bekommen. Über den Gigabit-Port einer AVM Fritzbox 7390 kamen meist Ping-Zeiten von 20 bis 25 ms, Jitter-Werte von 0 bis 1 ms, MOS-Werte von 4,38 bis 4,39 bei einem Packet Loss von meistens 0 % an einem schnellen Laptop zustande.

Mittlerweile gehört auch o₂ zu den VDSL-Resellern. Im Herbst 2013 stand VDSL, laut Unternehmenssprecherin Julia Leuffen, bereits für 11 Mio. Haushalte in Deutschland zur Verfügung. Konkrete Kundenzahlen zu VDSL nannten auf Anfrage aber weder die Telekom noch deren Reseller.

Da auch mehrere regionale Netzbetreiber FttC-Netze ausbauen, dürfte die Zahl der VDSL-Haushalte weiter steigen. Ein jüngeres Beispiel ist VDSL-50 von M-net in der Gemeinde Langerringen im Landkreis Augsburg.

Der deutsche Markt für VDSL
Die Telekom bietet mehrere „Call & Surf VDSL“-Pakete an. Je nach Ent­fernung zum nächs­ten VDSL-fähigen Kabel­verteiler­kasten werden die zwei Ge­schwindig­keits­stufen VDSL 25 (mit 16.704 bis 25.064 kBit/s im Down­load und bis zu 5.056 kBit/s im Upload) oder VDSL 50 (mit 27.968 bis 51.392 kBit/s im Down­load und bis zu 10.048 kBit/s im Upload) kommuni­ziert. In der Regel wird der VDSL-Speed bei VDSL 50 nach 200 GByte Daten­verbrauch für den Rest des Monats auf 6 MBit/s im Down­load gedrosselt; bei VDSL 25 wird jenseits von 100 GByte auf 576 kBit/s im Down­load gedeckelt. Die meisten User stoßen jedoch nie an diese Grenzen – es sei denn, sie über­tragen viele Filme und andere Kapazitätsfresser.

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Wer anno 2013 VDSL bestellt, bekommt in der Regel einen voll­digitalen All-IP-Anschluss. Die früher üblichen Splitter und NTBA zur Tren­nung von Tele­fonie und Inter­net sind nicht mehr nötig. Die Ver­kabelung wurde damit definitiv ein­facher; die Quali­tät der Telefon­verbindungen per Voice over IP ist an­fangs aber nicht immer besser geworden. (Bild: Deutsche Telekom)

Das 100-Megabit-Festnetz der Telekom soll im Jahre 2016 etwa 65 % und 2018 ca. 80 % aller deutschen Haushalte erreichen, so Telekom-Sprecher Niels Hafenrichter am 22. Oktober 2013 auf Nachfrage. Die aktuelle VDSL-Kundenzahl für 2013 war nicht zu erfahren. Zum 5. Januar 2012 versorgte der Bonner Riese laut Hafenrichter jedoch schon „50 Städte mit VDSL und über 1.000 Städte mit ADSL2+. Demnach sind 10 Mio. Haushalte VDSL-fähig. Die tatsächlich angeschlossene Kundenzahl liegt der Pressestelle aber nicht vor.“ (Eine dynamische Versorgungskarte findet man unter www.t-mobile.de/netzausbau/.)

Seit Herbst 2009 vermarktet auch 1&1 die VDSL-Leitungen der Telekom als eigenes Produkt. Dazu 1&1-Sprecherin Ingrun Senft am 22. Oktober 2013:

„VDSL bieten wir als 1&1-Doppelflat 50.000 an, die mit 29,99 Euro pro Monat mittlerweile kaum teurer ist als ein 16.000er-Tarif. Wir beobachten hier auch eine zunehmende Hinwendung zum VDSL-Tarif. Die Verfügbarkeit entspricht der von Telekom VDSL, unserem Leitungspartner für VDSL.“

Der Business-Tarif unterscheide sich ausschließlich dadurch, dass statt einer Telefonflatrate 1.000 Gesprächsminuten enthalten sind.

Vodafone D2 liefert sich beim Mobilfunk ein Kopf-an-Kopf-Rennen mit der Deutschen Telekom. Seit 2009/2010 vermarkten die roten Mobilfunker aber auch VDSL-Netzleistungen der Telekom als eigenes Resale-Produkt. Seit Vodafone außerdem Kabel Deutschland übernommen hat, ist der Telekom ein mächtiger Marktbegleiter im Festnetz erwachsen, der nicht nur VDSL bis 50 MBit/s, sondern auch CATV-Kabel-Internet bis 100 MBit/s großflächig anbieten kann. Dazu Vodafone-Sprecher Dirk Ellenbeck am 25. Oktober 2013: „Zu TV-Kabel und VDSL können wir aktuell nichts sagen, bei ADSL haben wir 94 % Haushaltsabdeckung“.

o₂ bietet VDSL als Flatrate mit bis zu 50.000 kBit/s im Download und bis zu 10.000 kBit/s im Upload an. Eigene Tarife gelten für Selbstständige und Unternehmen. o₂-Sprecherin Julia Leuffen erklärte dazu am 25. Oktober 2013:

„VDSL bieten wir bundesweit an. Hierbei setzen wir auf die Kooperation mit der Deutschen Telekom. VDSL steht für 11 Mio. Haushalte zur Verfügung. Durch eine weitere Kooperation mit der Versatel werden noch weitere Haushalte dazu kommen.“

VDSL 100/40 mit Vectoring ab 2014

Die VDSL2-Technik galt bis vor Kurzem mit 50/10 MBit/s über zwei Kupferdrähte im betagten Telefonienetz schon als weitgehend ausgereizt. Doch haben sich die VDSL-Kritiker offenbar zu früh gefreut: Ab 2014 soll eine verbesserte Entstörungstechnik namens Vectoring bis zu 100 MBit/s im Download und bis zu 40 MBit/s im Upload bis zum Internet-Kunden bringen. Zumindest der Upload wäre damit nach wie vor deutlich besser als die üblichen 6 MBit/s im CATV-Kabelnetz. Wer oft große Datenmengen verschickt, darf mit VDSL 100/40 eine passendere Lösung erwarten als mit CATV 100/6.

Im Zweifelsfall wird man für VDSL 100/40 einen neuen Router brauchen. Die neue Fritzbox 7490 von AVM aus Berlin hat schon ein Modem, das VDSL-Vectoring versteht. Ob man auch bisherige VDSL-50-Router per Firmware-Update auf VDSL 100/40 umrüsten kann, wird sich in der Praxis zeigen.

Serie: Digitale Infrastruktur
Die Einführung beginnt in Berlin und klärt die Rahmenbedingungen in Deutschland. Ein erster Regionalschwerpunkt widmet sich dann dem Westen und Nordrhein-Westfalen. Weitere Regionalreports konzentrieren sich auf den deutschen Südwesten und auf Bayern. Extra-Beiträge berichten außerdem über den Stand der NGA-Netze in Österreich und über die praktische, aber schwierige Mobilfunk-Dominanz in der Alpenrepublik.

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