Müntefering hofft weiter auf Mindestlohn

Im Koalitionsausschuss am Montagabend ging es unter anderem um das strittige Thema Mindestlohn. Wie bereits berichtet, gelang es der Union nicht, den Koalitionspartner SPD davon zu überzeugen, dass Mindestlöhne der Wirtschaft mehr schaden als nützen würden. In einem Interview im ARD-Morgenmagazin zog Arbeits- und Sozialminister Franz Müntefering (siehe Bild) aus Sicht der SPD ein Resümee des abendlichen Koalitionstreffens.

Das Interview im Wortlaut:

Morgenmagazin: Beim Mindestlohn hat man sich nicht geeinigt. Dennoch klang es ein bisschen so, als gäbe es Kompromisslinien?
Müntefering: Ja, die CDU/CSU schwankt da sehr. Sie sind aus ideologischen Gründen gegen einen Mindestlohn. Aber sie sehen auch, dass es in diesem unteren Bereich katastrophal niedrige Löhne gibt. Sie möchten sich aber offensichtlich nicht entscheiden. Da werden wir noch ein paar Wochen Zeit brauchen. Jedenfalls ist vereinbart, die Zwischenzeit zu nutzen, um die Ansätze noch einmal zu konkretisieren.
Morgenmagazin: Das heißt, die Fronten sind nicht mehr so verhärtet, es ist Bewegung in Sicht?
Müntefering: Ja, unsere Argumente sind gut. Die Union bewegt sich auf uns zu … Man hat noch mal angeboten, einige Branchen ins Arbeitnehmerentsendegesetz zu nehmen und das auch mit Verordnung festlegen zu können. Das will man objektiv und vernünftig prüfen. Man hat auch deutlich gemacht, dass man in Bereichen, wo es keine Tarifvereinbarungen gibt, einen gesetzlichen Mindestlohn schon nahe treten könnte. Da wird man sehen, wie weit man das konkretisieren kann. Aber das Große und Ganze ist unbefriedigend geblieben.
Morgenmagazin: Dennoch hat man sich vorgenommen, beim nächsten Koalitionsgespräch Mitte Juni dann möglicherweise zu einem Ende zu kommen. Halten Sie das für möglich?
Müntefering: …Wir müssen uns an der Stelle bewegen. Ja, ich glaube, dass es sinnvoll ist dafür zu sorgen, dass jemand der voll arbeitet, nicht anschließend auf Arbeitslosengeld II angewiesen ist. Das müsste eine Linie sein, auf der man sich verständigen kann.
Morgenmagazin: Da hat es offenbar in diesem speziellen Punkt gestern eine weitgehende Einigung gegeben? Das heißt, Geringverdiener, die noch auf „Hartz IV“ angewiesen sind, sollen stärker entlastet werden.
Müntefering: Ich möchte erreichen, dass Menschen, die vom Einkommen her sich „Hartz IV“ nähern, sich möglicherweise mit dem, was sie verdienen, nicht selbst ernähren können, mit einen Erwerbstätigenzuschlag, im Sinne auch eines Kinderzuschlags, aus der Arbeitslosigkeit herausgehalten werden. Ein konkretes Beilspiel wäre, dass jemand, der 800 Euro im Monat Brutto hat, entlastet wird, einen Erwerbstätigenzuschuss bekommt in Höhe von 20 Prozent, sodass er möglichst aus den ganzen Problemen des Arbeitslosengeldes II ganz heraus bleiben kann.
Morgenmagazin: Darüber hat man sich verständigt?
Müntefering: Nicht verständigt, sondern ich habe jetzt den Auftrag zu rechnen. Jetzt müssen wir kucken, was kostet das insgesamt. Es würde bedeuten, dass die Einkommensgruppe zwischen 800 und 1.300 Euro eine Entlastung bekommt. Die bei 800 Euro um 20 Prozent. Das würde dann degressiv fallen und bei 1.300 wieder bei Null sein. Aber da hat es – so habe ich das verstanden – bei der Union ein wohlwollendes Kopfnicken gegeben, dass wir diesen Weg gehen können.
Morgenmagazin: Die Wahlen in Bremen sind vorbei, wo sind wir jetzt politisch in dieser großen Koalition? Man hat in den letzten Wochen, sicherlich auch Wahlkampf bedingt, hier sehr viel Beschwerendes gehört.
Müntefering: Im Innern nicht glanzvoll, aber erfolgreich. Wenn man im europäischen Ausland unterwegs ist, gucken die alle voller Überraschung und manchmal auch neidvoll und fragen, wie macht ihr das in Sachen Wohlstandssicherung, Bekämpfung Arbeitslosigkeit, Wirtschaftswachstum sehr erfolgreich? Aber wir müssen dafür sorgen, dass alle Teile der Bevölkerung ihren gerechten Anteil daran bekommen. Das wird eine Aufgabe sein. Dazu gehört auch ein vernünftiger Mindestlohn.
Morgenmagazin: Die Diskussion über die Zukunft der großen Koalition – ist das erst mal durch? Ist man sich einig, wir bleiben zusammen, ist das klar heute Morgen?
Müntefering: Ich habe damit nie ein Problem gehabt. Die Koalition ist im Amt bis 2009, bis zur Bundestagswahl. Da dürfen wir uns auch gar nicht beirren lassen. Unsere Aufgabe ist – bei allem Streit, den es immer gibt -, gute Politik für das Land zu machen. Wir sind entschlossen, die Koalition im Interesse des Landes erfolgreich zu führen. 2009 ist dann wieder Bundestagswahl.

Das Interview stellte das Bundesministerium für Arbeit und Soziales zur Verfügung. (BMAS/ml)