Steuerrecht: Umbauten wegen Behinderung abzugsfähig

Aufwendungen für den behindertengerechten Umbau eines Hauses können nach neuestem Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) als außergewöhnliche Belastungen abziehbar sein, obwohl Finanzämter oft argumentieren, die durch den Umbau erzielte Wertsteigerung rechtfertige eine volle Besteuerung. So erging es einem hessischen Ehepaar. Der Mann erlitt einen schweren Schlaganfall. Damit er nicht ins Pflegeheim musste, bauten die Eheleute ihr Eigenheim  für rund 70.000 Euro behindertengerecht um und machten diese Kosten als außergewöhnliche Belastung geltend.

Warum das Urteil wichtig ist

Das Urteil des BFH schiebt unmissverständlich der Praxis der Finanzämter und Finanzgerichte einen Riegel vor, durch theoretisierende, aber völlig lebensfremde Argumente berechtigte Ansprüche der steuerzahlenden Bürger abzubügeln. Auf den Punkt gebracht, machten die Senatsrichter des BFH im vorliegenden Fall klar, dass es in Notsituationen nicht um theoretisch denkbare Motive und hypothetische Vorteile gehe, sondern um die ganz reale, zeitlich drängende Behebung der Not, in der die Bürger auf die Unterstützung ihres Staates zählen dürfen, statt von diesem mit fadenscheinigen Unterstellungen auch noch zusätzlich abkassiert zu werden.

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Beim umstrittenen Umbau handelte es sich um den Bau einer Rollstuhlrampe am Eingang, die Einrichtung eines behindertengerechten Bades in einem Teil der Küche, eine Zusammenlegung des restlichen Raums der früheren Küche und des Hauswirtschaftsraums zu einer neuen Küche mit anschließendem Ausbau sowie die Umwandlung des Arbeitszimmers in einen Schlafraum.

Den Steuerabzug wegen außergewöhnlicher Belastung lehnte das Finanzamt mit dem Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr jedoch ab und gewährte lediglich den Behinderten-Pauschbetrag in Höhe von (damals) rund 3600 Euro und den Pflege-Pauschbetrag von rund 900 Euro. Das Finanzamt stufte die Umbauten nicht als außergewöhnliche Belastung ein, weil die Umbaumaßnahmen seiner Meinung nach den Wert der Immobilie entsprechend gesteigert hatten.

Nach dem Tod des Mannes zogen die Erben jedoch vor das hessische Finanzgericht und verklagten das Finanzamt auf Gewährung des Abzugs. Sie argumentierten ihrerseits, die Rampe wäre eher eine Verschandelung des Grundstücks und für Nichtbehinderte ein Hindernis. Eine für den Rollstuhl verbreiterte Türe schränke in der Praxis außerdem die nutzbare Wohnfläche zusätzlich ein.

Einspruch und Klage hatten aber keinen Erfolg. Das Finanzgericht stützte sein Urteil auf die sog. Gegenwertlehre und befand, der Bau der Rollstuhlrampe habe ebenso wie die Errichtung des behindertengerechten Bades den Wert des Grundstücks erhöht, weil die entsprechenden Einrichtungen auch von jedem anderen Bewohner des Gebäudes genutzt werden könnten. Die Umgestaltung der Küche sei lediglich eine Folge der Vergrößerung des Bades gewesen und daher wie diese Maßnahme zu beurteilen. Dies müsse auch für die das Arbeitszimmer betreffenden Umbaumaßnahmen gelten, wenn diese durch den behindertengerechten Umbau des Bades ausgelöst worden seien.  Außerdem seien die Umbaumaßnahmen dem Ehepaar nicht zwangsläufig erwachsen, denn es hätte auch in eine behindertengerechte Mietwohnung umziehen können. Daraufhin gingen Witwe und Erben in die Revision vor dem Bundesfinanzhof.

Der Bundesfinanzhof urteilte nun am Dienstag: „Aufwendungen für den behindertengerechten Umbau eines Hauses können als außergewöhnliche Belastungen abziehbar sein, wenn sie so stark unter dem Gebot der sich aus der Situation ergebenden Zwangsläufigkeit stehen, dass die etwaige Erlangung eines Gegenwertes in Anbetracht der Gesamtumstände des Einzelfalles in den Hintergrund tritt.“

Das Finanzgericht hatte nach Auffassung des Bundesfinanzhofs die Aufwendungen für die behinderungsbedingten Umbaumaßnahmen zu Unrecht vom Abzug als außergewöhnliche Belastungen ausgeschlossen. Es stellte klar: Erwachsen einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstandes, so müsse auf Antrag die Einkommensteuer in einem bestimmten Umfang ermäßigt werden (§ 33 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes –EStG).

Das Ehepaar ging nach Ansicht des Bundesfinanzhofs zu Recht davon aus, dass es sich bei den ausschließlich behinderungsbedingten Umbaukosten um außergewöhnliche Aufwendungen im Sinne des § 33 Abs. 1 EStG handelte, denn es ging um größere Aufwendungen, als sie der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommens- und Vermögensverhältnisse sowie gleichen Familienstandes erwachsen. Diese Aufwendungen seien auch nicht durch den gewährten Behinderten- und Pflege-Pauschbetrag abgegolten worden. Der Behinderten-Pauschbetrag nach § 33b Abs. 1 bis 3 EStG gelte nach der Rechtsprechung des BFH nur laufende und typische Mehraufwendungen des Behinderten ab, so dass zusätzliche Krankheitskosten nicht von der Abgeltungswirkung des Pauschbetrags erfasst werden. Dies gelte erst recht für den Pauschbetrag, der nur die durch die Pflege einer Person veranlassten Aufwendungen erfasst.

Entgegen der Auffassung des Finanzgerichts seien die reinen Umbaukosten im Streitfall zudem zwangsläufig erwachsen (§ 33 Abs. 2 Satz 1 EStG). Aufwendungen infolge Körperbehinderung seien ebenso wie Krankheitskosten von jeher ein Anwendungsfall der Zwangsläufigkeit aus tatsächlichen Gründen. Nach Auffassung des Bundesfinanzhofs gelte dies insbesondere auch für die umstrittenen Umbaukosten, die nicht anders zu behandeln seien, als die Aufwendungen für den Treppenlift eines Querschnittsgelähmten (BFH-Urteil vom 30. Oktober 2008 III R 97/06, BFH/NV 2009, 728). Durch den nicht vorhersehbaren Schlaganfall und die daraus folgende schwerwiegende Behinderung sei eine Zwangslage entstanden, die die behinderungsgerechten Umbaumaßnahmen unausweichlich machte.

Dass das Finanzamt und das Finanzgericht den Steuerpflichtigen in dieser Situation auf die möglicherweise langwierige Suche nach einer geeigneten Mietwohnung verwiesen, konnten die Richter des BFH nicht nachvollziehen. Eine tatsächliche Zwangslage sei gerade dadurch gekennzeichnet, dass sie eine schnelle Reaktion erfordere. So gesehen hatten die Ehegatten aus Richtersicht keine Entscheidungsfreiheit. Daher sei der Fall auch nicht mit anderen Streitfällen vergleichbar, in denen es um die Belastung durch vorsorgliche behindertengerechte Umbauten gegangen sei (u. a. BFH-Urteil III R 72/96)

Die Zwangsläufigkeit der Umbaumaßnahmen werde im Streitfall schließlich auch nicht durch steuerrechtlich irrelevante private Motive infrage gestellt, die bei der Umgestaltung des Hauses mitgewirkt haben könnten – wie vom Finanzgericht unterstellt. Die durch die eingetretene Behinderung veranlassten Umbauten hätten so stark unter dem Gebot der sich aus der Situation ergebenden Zwangsläufigkeit ergeben, dass eine nicht auf der Behinderung beruhende Motivation auszuschließen sei.

Die Richter des BFH führten weiter aus: Dem Abzug der zwangsläufigen Aufwendungen im Streitfall stehe auch nicht ein angeblicher Gegenwert entgegen. Unter den gegebenen Umständen könne es nicht darauf ankommen, ob die behinderungsbedingten Umbaumaßnahmen zu einem realen Gegenwert oder einer Wertsteigerung der Immobilie geführt hätten. Ein Gegenwert, der allein auf der möglichen Nutzung der Umbauten durch nichtbehinderte Familienangehörige beruhen soll, sei kein realer Gegenwert und ungeeignet, den steuerlichen Abzug zu verweigern. Im Streitfall jedenfalls standen die behinderungsbedingten Aufwendungen nach Meinung der BFH-Richter so stark unter dem Gebot der sich aus der Situation ergebenden Zwangsläufigkeit, dass die Erlangung eines etwaigen Gegenwertes in Anbetracht der Gesamtumstände in den Hintergrund trete.

(BFH/ml)

Urteile/Beschlüsse zum Fall:

  • Hessisches Finanzgericht, Urteil vom 24. Mai 2007:
    9 K 1043/03
  • Bundesfinanzhof, Urteil vom 22. Oktober 2009:
    VI R 7/09