Energie in der Industrie: Modellfabrik ermittelt Energiesparpotenziale

Während der jüngsten Hitzewelle stieg in vielen Unternehmen der Energieverbrauch für die erforderliche Kühlung in schwindelerregende Höhen. Das lässt nun viele Unternehmer über Einsparmöglichkeiten nachdenken. Strategien für eine energieeffizientere Industrie­pro­duk­tion sind deshalb das hochaktuelle Ziel des Projekts „Hessen – Innovationen für Energie- und Ressourceneffizienz“ (HIER!), das von der Universität Kassel und der Firma Limón betreut wird. Kernstück des Projekts ist eine bundesweit einzigartige Modellfabrik, die heute erstmals der Öffentlichkeit präsentiert wurde.

Das Land Hessen unterstützt das auf drei Jahre angelegte Projekt HIER! mit insgesamt 1,2 Mio. Euro. In der Modellfabrik lässt sich durch Simulationsverfahren zeigen und berechnen, mit welchen Maßnahmen Energie effizienter eingesetzt werden kann, welche Lösung die wirtschaftlichste ist und wie hoch die eingesparten Kosten am Ende sind. Zur Optimierung von Kühlprozessen können z.B. beliebige Produktions- und Klimabedingungen simuliert, Wechselwirkungen gezeigt und verschiedene Lösungsalternativen durchgespielt werden. Entwickelt wurde die Anlage vom Fachgebiet Umweltgerechte Produkte und Prozesse (UPP) der Universität Kassel gemeinsam mit den Energieeffizienz-Experten von Limón – einer Ausgründung des Fachgebiets UPP.

Ein enormes Einsparpotenzial sehen die Kasseler Experten beispielsweise bei industriell eingesetzter Druckluft, deren Energieverlust extrem hoch ist und die rund 7 % des Strombedarfs in Deutschland verschlingt – so viel wie die Deutsche Bahn. Mit Blick auf die miserable Effizienz beim Einsatz von Druckluft in der Produktion werden in der Modellfabrik effizientere druckluftlose Alternativen demonstriert. Dass diese auch in der Praxis funktionieren, wird in naher Zukunft eine gemeinsam mit VW geplante Produktionsstraße bei VW in Baunatal zeigen, an der mit Hilfe von Elektromotoren statt mit Druckluft gearbeitet werden wird.

Ein weiteres enormes Einsparpotenzial steckt in der meist nicht genutzten Abwärme bei Produktionsprozessen. In vielen Fällen könnte diese Wärme abgezogen und für andere Produktionsprozesse genutzt werden. Auch das kann in der Modellfabrik simuliert und demonstriert werden. In etlichen Produktionsbereichen könnte eine spezielle, von Limón in Zusammenarbeit mit UPP entwickelte Lackierung von Maschinen und Anlagen die abstrahlende Hitze und damit einen großen Energieverlust deutlich – laut Limón je nach Oberflächentemperatur um bis zu rund 30 % – verringern.

Doch die Erkenntnisse aus dem Projekt kommen nicht nur der Wirtschaft zugute, sondern auch den Klimazielen der Politik. „Die formulierten Einsparziele werden bisher bei weitem nicht erreicht – auch, weil die vorhandenen Möglichkeiten effizienter Energienutzung leider noch zu wenig bekannt sind“, bedauert Prof. Dr. Jens Hesselbach, Leiter des UPP-Fachgebiets an der Universität Kassel den aktuellen Stand des Klimaschutzes. Zentrales Ziel des HIER!-Projektes sei deshalb unter anderem eine zügige Verbreitung des vorhandenen Know-hows in produzierenden Unternehmen durch Information, Aus- und Weiterbildung. Darüber hinaus wollen die Experten konkrete Hilfen anbieten, wenn Firmen ihre Energieeffizienz steigern wollen.

Die Kasseler Modellfabrik wird in naher Zukunft noch erweitert: Nach und nach sollen weitere Anlagen zur Erforschung und Demonstration von effizientem Energieeinsatz in Unternehmen gebaut werden.  (Universität Kassel / ml)

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