Logistik: Schwellenländer verschieben globale Warenströme

Die rasante wirtschaftliche Entwicklung der Schwellenländer werde den Welthandel bis 2030 grundlegend verändern und neu ordnen, warnt die Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft PricewaterhouseCoopers (PwC). Sowohl die Drehkreuze der globalen Warenströme als auch die Handelsrouten werden sich in den nächsten zwanzig Jahren zunehmend in die sogenannten Emerging Markets verlagern. Gleichzeitig werden dort auch neue Logistikkonzerne entstehen und den bereits etablierten Konzernen Marktanteile streitig machen. Das zeige die Studie Transportation & Logistics 2030.

Wie die gemeinsam mit dem Supply Chain Management Institut (SMI) an der European Business School (EBS) erarbeitete Studie weiter ergab, werden sich die Handelsvolumina in den kommenden zwanzig Jahren deutlich in Richtung der Schwellenländer verschieben. „Darauf müssen auch die global tätigen deutschen Logistikunternehmen reagieren“, mahnt Klaus-Dieter Ruske, Leiter des Geschäftsbereichs Transport und Logistik bei PwC. „Der Wettbewerb um die großen Transportaufträge der Zukunft, den Warenverkehr zwischen Asien und Afrika, wird in den nächsten Jahren entschieden. Die Karten werden neu gemischt.“

Ein großer Teil des Welthandels werde 2030 über die Schwellenländer abgewickelt werden, prophezeit Ruske. Diese engagierten sich auch zunehmend in rohstoffreichen Entwicklungsländern, um dort eine Logistikinfrastruktur aufzubauen. China treibe bereits intensiv Handel mit Brasilien, Malaysia und Indonesien und investiere in mehreren unterentwickelten Ländern Afrikas. Im Gegenzug – so Ruske weiter – verlieren Nordamerika und Westeuropa weiter an Bedeutung. Die neu entstehenden Handelswege dürften zukünftig Marktanteile gewinnen und die globale Lieferkette verändern.

Derzeit wächst der Handel zwischen Asien und den früheren Sowjetstaaten jährlich um 42 %. Auch die Transportmengen auf der Süd-Süd-Route zwischen Südamerika und Afrika legen deutlich zweistellig zu. „China hat schon heute sieben der zwanzig größten Häfen der Welt. In Zukunft werden auch Indien, Russland und Südafrika zu den Logistikriesen zählen“, warnt Ruske.

Für internationale Logistikkonzerne eröffnen sich durch die Neuausrichtung der Warenströme erhebliche Chancen. Global agierende Unternehmen haben die stark wachsenden Logistikmärkte in den Schwellenländern bereits in den Fokus genommen. Daneben nutzen auch mittelständische Unternehmen den Wandel für weiteres Wachstum. Ein erfolgversprechendes Modell sind dabei vor allem internationale Kooperationen.

Die in der Studie befragten Experten halten den Einstieg weiterer multinationaler Konzerne in diese Märkte für höchst wahrscheinlich (75 %). Dabei werde es nicht nur um eine Anbindung der Entwicklungsländer an den internationalen Handel gehen, sondern auch darum, sich die lokalen Märkte zu erschließen, glaubt Dr. Heiko von der Gracht, Direktor des Centers für Zukunftsforschung und Wissensmanagement am SMI. „Viele deutsche Logistikdienstleister haben die Emerging Markets als attraktives Wachstumsfeld fest im Blick“. Von der Gracht warnt: „Westliche High-Tech-Logistik stößt dort jedoch schnell an ihre Grenzen. In den neuen Märkten können Rikscha und Handarbeit effektiver sein.“

Gleichzeitig werde der sich verschärfende Wettbewerb zu einer Konsolidierungswelle führen, prognostizieren die Experten (Wahrscheinlichkeit 69 %). Die Zahl der Logistikanbieter – sie liegt in den BRIC-Ländern (Brasilien, Russland, Indien und China) weit über 10.000 – werde stark zurückgehen. Immerhin liegen 69 % der im zweiten Quartal 2010 übernommenen Firmen schon jetzt in Asien und Ozeanien.

Dass die Logistiker der Schwellenländer weiteres Wachstum in den entwickelten Märkten Europas und Nordamerikas suchen, halten die Teilnehmer der Studie jedoch für unwahrscheinlich (Eintrittswahrscheinlichkeit 38 %). Vielmehr dürften sich diese auf ihre Heimatmärkte und die ebenso wachstumsstarken Nachbarländer konzentrieren. Dort können sie auf zweistellige Zuwächse zählen – während die entwickelten Industrienationen selten ein Wachstum von mehr als 5 % versprechen.

Freihandelszonen, die vor allem ausländische Direktinvestitionen ankurbeln, werden nach Ansicht der Experten auch den Schwellenländern erhebliches Wachstum ermöglichen (Eintrittswahrscheinlichkeit 66 %). Aktuell gibt es alleine in Indien Genehmigungsverfahren für 600 spezielle Wirtschaftszonen. Brasilien, China, Mexiko, Russland, Südafrika und die Türkei haben bereits Freihandelszonen eingerichtet.

Parallel dazu wird die Privatisierung voranschreiten. Der Internationale Währungsfonds und die Weltbank treiben diesen Trend voran, indem sie Kredite an die Bedingung struktureller Veränderungen knüpfen. China als eine der am schnellsten wachsenden Wirtschaftsregionen weltweit hat den Schwenk von der Staatswirtschaft zu einer Mischwirtschaft mit einem hohen Privatanteil geschafft. Die Rolle des Staates wird sich bis 2030 in vielen Ländern vom großen Wirtschaftsakteur zum Regulator wandeln (Eintrittswahrscheinlichkeit 57 %). „Eine konsequente Privatisierungsstrategie und die Einrichtung von Freihandelszonen werden dem Handel und der Logistikwirtschaft in diesen Ländern zusätzlichen Schub verleihen“, prognostiziert Ruske.

Für die Studie Transportation & Logistics 2030 wurden 90 Logistik-Experten aus 28 Ländern aller Kontinente befragt.

(PwC / ml)