Keine Angst vor den Chinesen, Teil 1: An China führt kein Weg vorbei

Das Bild Chinas im Westen war immer von Vorurteilen geprägt. Derzeit gilt China vielen als postkommunistischer Wirtschaftsrambo, der vor allem den europäischen Mittelstand zu erdrücken droht. Aber stimmt das? Unsere Autorin Sabine Philipp ging der Sache auf den Grund.

Was im Reich der Mitte möglich ist

Von Sabine Philipp

An China führt heute kein Weg vorbei. Doch den langen Marsch der Volksrepublik Richtung Marktwirtschaft begleiten Meldungen, in denen die „gelbe Gefahr“ eine Neuauflage erlebt: „Die Chinesen kommen!“ Diesmal nicht als militärstrategisches Feindbild, sondern als beinharte Konkurrenten im globalen Wettbewerb. Aber Bangemachen gilt nicht. Was zählt, ist einzig, wie mittelständische Unternehmen bei dieser Konkurrenz bestehen können und China am Ende zu ihrem Vorteil nutzen.

Gefärbt von Vorurteilen und Klischees war das Bild, das man sich von China macht, seit jeher. Der Westen fühlt sich einerseits angezogen von pittoresker Kung-Fu-Exotik, andererseits ist ihm die Masse an Menschen nicht ganz geheuer. Schlagzeilen machen besonders die Ablösung Deutschlands als Exportweltmeister und zahlreiche Fälle von Produktpiraterie und Know-how-Diebstahl.

Dreht man diese Defensivperspektive um, sieht China so aus: Abgesehen von günstigen Standortbedingungen ist das Reich der Mitte ein riesiger Absatzmarkt. Allerdings unterschätzen viele den Zeit- und Kostenaufwand, der nötig ist, um in China erfolgreich zu sein. Neben der richtigen Planung sind mitunter beträchtliche Investitionen, viel Geduld und ein langer Atem nötig.

Wo Arbeit wenig kostet

Ob sich die Volksrepublik als Produktionsstandort für ein Unternehmen rechnet, hängt in erster Linie von der Branche ab. Über den Daumen gepeilt lässt sich sagen: Wenn Sie Produkte herstellen, die sehr arbeitsintensiv sind, können Sie von den niedrigen Löhnen profitieren; falls nicht, werden die Transportkosten die Ersparnis schnell aufzehren. Eine verschärft präzise Kalkulation mit möglichst zuverlässigen Daten und einer genauen Analyse der Transportwege ist daher Grundvoraussetzung.

Serie: Keine Angst vor den Chinesen
Teil 1 sagt, worauf KMU beim China-Engagement achten müssen. Teil 2 untersucht, was der Produktionsstandort wert ist. Teil 3 gibt Tipps für den Behördengang im Kader-Kapitalismus. Teil 4 zeigt, welche Chancen der Absatzmarkt bietet. Teil 5 ist ein Crashkurs zu Schlangen, Sitten und Gebräuchen. Eigene Beiträge warnen außer­dem vor den gängig­sten Fallen im Chinageschäft und befas­sen sich mit dem Patentschutz für China.

Bedenken Sie dabei, dass Sie die Produktion selbst organisieren und kontrollieren müssen, was ebenfalls Zeit und Geld kostet. Und noch eines: Selbst wenn die chinesischen Stundenlöhne niedrig sind – auch dort gibt es keine Arbeit zum Nulltarif. Es hat sich bereits mehrfach gezeigt, dass die Qualität sofort zurückgeht, wenn Unternehmen eine gewisse Schmerzgrenze unterschreiten.

Was Unternehmen im Einzelnen bei der Produktion im Reich der Mitte beachten sollten, erläutert Teil 2 dieser Serie.

Gesundes Misstrauen tut gut

Natürlich gab und gibt es Ideenklau in China. Das größte Risiko tragen Sie bei Joint Ventures in Verbindung mit einem einheimischen Partner vor Ort. Früher waren Joint Ventures sogar Pflicht, und es gab gar keine andere Möglichkeit, in China zu agieren. Inzwischen ist es viel leichter geworden, Tochterunternehmen zu gründen und selbst zu produzieren. Und natürlich gibt es auch ein Patentamt, dessen Dienste Sie unbedingt nutzen sollten. Was es als Gründer in China und im Umgang mit den dortigen Behörden sonst noch zu beachten gilt, schildert Teil 3 unserer Serie.

Man muss zu den Stichworten Produktpiraterie bzw. „Wissenstransfer“ aber gerechterweise sagen, dass China das nicht erfunden hat. Solche Probleme können Sie auch mit Partnern anderer Nationalitäten bekommen. Außerdem gibt es tatsächlich einen Fall, in dem ein Joint Venture sogar sehr sinnvoll ist, nämlich beim Vertrieb.

Deutsche Qualität ist gefragt

Nüchtern betrachtet ist China ein riesiger Wirtschaftraum. Städte wie Chongqing haben rund 33 Mio. Einwohner – und mit den Städten wächst die Mittelschicht. Die ist bereit, für hochwertige Ware richtig viel Geld auszugeben. Ausländische Qualitätsprodukte sind Statussymbole, vor allem, wenn sie aus Deutschland kommen. Denn „Made in Germany“ genießt auch im fernen China einen hervorragenden Ruf.

Für Unternehmen, die Produkte im oberen Segment produzieren, ist China also ein interessanter Handelsplatz. Billigartikel lassen sich hingegen nur schlecht absetzen. Der einfache Grund: Davon haben die Chinesen selber genug.

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Autorin Sabine Philipp war vor Ort, um sich persönlich ein Bild zu machen.

Ausführliche Hinweise zum Thema Vertrieb in China finden Sie in Teil 4 unserer Serie.

Die Vorbereitung entscheidet

Egal, ob Sie verkaufen oder produzieren wollen – stürzen Sie sich bitte nicht übereifrig in das große Abenteuer, sonst ist das Scheitern so gut wie vorprogrammiert. Start-up-Gründer, die kaum das Geld für den Rückflug aufbringen, sollten es lieber sein lassen. Denn kaum ein anderer Schritt, den ein Unternehmen tun kann, erfordert ähnlich sorgfältige Vorbereitung. Sammeln Sie zielgerichtet Informationen, auch wenn das nicht immer leicht ist, halten Sie die Augen offen und sparen Sie nicht bei der Datengewinnung in der Planungsphase.

Falls Sie einen spezialisierten Berater hinzuziehen, achten Sie auf Sprachkompetenz und verlangen Sie unbedingt jüngste Referenzen aus Projekten, die unter den aktuellen Gegebenheiten begleitet wurden.

Inwiefern China ein ganz anderer Kulturkreis mit eigenen Gesetzen und Sitten ist, führt als abschließender Exkurs Teil 5 vor Augen.

Fazit: Keine Angst vor den Chinesen!

Seien wir ehrlich: Viele Ressentiments rühren daher, dass die Chinesen Konkurrenten sind. Als Exportweltmeister werden sie uns bald überholen. Mit dieser Realität müssen wir leben. An Stammtischen dürfen die Deutschen die beleidigte Leberwurst spielen. Unternehmer im Wettbewerb müssen herausfinden, welche Investitionen und welche Kooperationsformen vor Ort tragfähig sind. Der erste Teil dieser Serie nimmt sich daher die Standortfaktoren und Produktionsbedingungen in China vor.

Nützliche Links

Ein wichtiger Ansprechpartner bei China-Unternehmungen ist die Deutsch-Chinesische Wirtschaftsvereinigung e.V. (DCW). Sie arbeitet eng mit der IHK Köln zusammen, die sich auf dieses Gebiet spezialisiert hat, das zweitmonatliche China-Telegramm versendet und im ihrem Länderschwerpunkt China auch viele weiterführende Adressen verzeichnet. Wertvolle Hilfe bekommen Sie auch bei der BHK International; der Service-Dienstleister zur Erschließung ausländischer Märkte koordiniert zahlreiche Projekte. Ansonsten unterhalten die deutschen Auslandshandelskammern Büros in Shanghai, Peking, Guangzhou (Kanton) und Hongkong. China selbst hat sogar eine Webpräsenz in deutscher Sprache.