Passiv-Häuser: Weltweit erstes Passiv-Hochhaus eingeweiht

„Bugginger Straße 50, Freiburg“ – was nach einer unspektakulären Adresse in der deutschen Provinz klingt, markiert in Wirklichkeit ei­nen Meilenstein in der Energieeffizienz: Über sechzehn Stock­wer­ke hoch ragt unter dieser Adresse nach eineinhalbjähriger Sanierung das weltweit erste Passiv-Hochhaus in den Himmel. Durch die Sa­nie­rung und mit Unterstützung des Fraunhofer-Instituts für Solare Energiesysteme (ISE) konnte der Primärenergiebedarf für Behei­zung, Trinkwassererwärmung, Lüftung, Beleuchtung und Haus­halts­strom um 40 % gesenkt werden. Damit dürfte der Bau weltweit ein technologisches Vorbild werden. Mit der Einweihung des Gebäudes ist die Arbeit der Fraunhofer-Forscher aber keineswegs zu Ende.

Die Wissenschaftler wollen bis 2013 ihre Arbeit fortsetzen und den Energieverbrauch des Gebäudes im realen Betrieb erfassen. Die Ergebnisse haben, wie das gesamte Projekt, Modellcharakter und sollen zukünftig in vergleichbare energetische Sanierungsvorhaben einfließen.

Um ein dicht besiedeltes Gebiet mit unterschiedlichen Häusertypen in ein klimaneutrales Quartier umzuwandeln, sind energieeffiziente Gebäude, die lokale Nutzung von Solarenergie und eine energieeffiziente Gesamtversorgung auf Basis erneuerbarer Energien entscheidend. Der Freiburger Stadtteil Weingarten, in dem das Hochhaus steht, bietet ideale Voraussetzungen ein solches zukunftsweisendes Konzept zu entwickeln und umzusetzen.

Mit dem Freiburger Passiv-Hochhaus existiert erstmals ein Hochhaus, dessen Heizwärmebedarf nach einer Sanierung deutlich unter 20 Kilowattstunden pro Quadratmeter und Jahr (kWh/m²a) gesunken und mit dem eines neu gebauten Passivhauses vergleichbar ist. Der Heizwärmebedarf nach der Sanierung liegt bei einem Fünftel des ursprünglichen Werts und wurde damit um 80 % gesenkt.

Basis des Sanierungskonzepts ist die Integration der alten Balkonflächen in den Wohnraum. Das Gebäude wurde damit kompakter. Das vermindert die Wärmeverluste im Verhältnis zur Nutzfläche deutlich. Die dadurch bedingten höheren Raumtiefen machten Untersuchungen zur Tageslichtversorgung notwendig. Zusammen mit Berechnungen des Energiebedarfs und des sommerlichen Wärmeschutzes wurden für die Planer Vorgaben zur optimalen Zonierung der Grundrisse und Gestaltung der Fassade erarbeitet, um einen möglichst hohen Komfort bei geringem Energiebedarf zu gewährleisten.

Große, sturzfreie Fensterflächen lassen das Tageslicht tief in die Räume eindringen. Der außenliegende Sonnenschutz sorgt im Sommer dafür, dass die Räume dennoch nicht zu warm werden.

Zur Reduktion des Energiebedarfs wurden Fassade, Dach und Decken gedämmt sowie Dreifachverglasungen eingebaut. Besondere Aufmerksamkeit galt der Vermeidung von Wärmebrücken. Durch Aerogeldämmung konnten die Fraunhofer-Forscher Wärmebrückeneffekte an besonders kritischen Stellen minimieren.

Eine Lüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung versorgt die Wohnung kontinuierlich mit frischer Luft. Auf dem Dach ist eine Photovoltaikanlage mit einer Leistung von knapp 24 kW installiert.

Für die Senkung des Primärenergiebedarfs ist auch die Senkung des Haushaltstroms ausschlaggebend. Über die Verbrauchsentwicklung werden die Bewohner der Messgeschosse ständig informiert. Die Wärmebereitstellung des Stadtteils Weingarten basiert auf Kraftwärmekopplung (KWK), einer sehr guten und effizienten Versorgung, die in Zukunft durch eine weitere Erhöhung des KWK-Anteils verbessert werden kann. Aufgrund der optimierten Gebäudedämmung sinkt der Bedarf und wird im Jahresverlauf gleichmäßiger. Der Einsatz gasbetriebener Kessel kann daher reduziert werden.

Ziel des Gesamtprojekts ist es, für bestehende und künftige Stadtquartiere den Weg zu einer effizienteren und langfristig klimaneutralen Energieversorgung aufzuzeigen. Das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie förderte das Hochhausprojekt im Rahmen des Schwerpunkts Energieeffiziente Stadt.

(Fraunhofer ISE / ml)