Klimaschutz: Biokraftstoffe für Luftfahrt ohne Alternative

Das weltweite Luftverkehrsaufkommen wird sich bei einem durchschnittlichen jährlichen Wachstum von 4,5 % in den kommenden 15 Jahren verdoppeln und bis 2050 sogar versechsfachen. Derzeit verursacht die Luftfahrt zwar nur 2 % der weltweiten CO2-Emis­sionen. Bei den erwarteten technologischen Fortschritten und prognostizierten Wachs­tums­raten wird dieser Anteil in den kommenden Jahrzehnten jedoch unverhält­nismäßig zunehmen. Einziger Ausweg sei der Einsatz von Biokraftstoff, mahnen deshalb Experten in der aktuellen Studie Sustainable Aviation (Nachhaltige Luftfahrt) der internationalen Strategieberatung Booz & Company und des Weltwirtschaftsforums (WEF).

Hauptursache für das Aufblähen des Flugverkehrs seien stark steigende Fracht- und Passagierzahlen für und von den Destinationen Asien – dort vor allem Indien und China – sowie im Nahen Osten, so die Studienautoren, die es nicht bei einer pessimistischen Prognose bewenden lassen. Sie stellen in ihrer Studie konzertierte Strategien zur Reduktion klimaschädigender CO2-Emissionen und für ein nachhaltiges Wachstums im Luftverkehr vor.

Die Wissenschaftler kritisieren vor allem die lange Nutzungsdauer der Flugzeuge von 30 bis 40 Jahren. Sie führe dazu, dass sich Effizienzsteigerungen trotz signifikanter technologischer Innovationen bei neuen Flugzeugtypen nur langsam auf die Gesamtweltflotte auswirken. Daher sei von einer jährlichen Steigerung des weltweiten Kohlendioxidausstoßes im Flugverkehr um 3 % auszugehen. Das aber bedeute, dass sich bis 2050 trotz der angenommenen Effizienzsteigerungen die CO2-Emissionen dieses Transportsektors mehr als verdreifachen dürften.

Diese Prognosen stehen im krassen Gegensatz zu den ambitionierten kollektiven Klimaschutzzielen, zu denen sich die internationale Luftfahrtbranche 2009 selbst verpflichtet hat. Aufbauend auf einer angestrebten 1,5-prozentigen Treibstoff- und CO2-Effizienzsteigerung pro Jahr bis 2020 möchte die Industrie ab 2020 CO2-neutral wachsen. Für das Jahr 2050 wird gar eine 50%-Netto-Verringerung der Emissionen gegenüber 2005 angestrebt.

„Um sich aus diesem strategischen Dilemma zu befreien, führt für die internationale Luftfahrtindustrie kein Weg vorbei an Biokraftstoffen“, so Jürgen Ringbeck, Partner und Luftverkehrsexperte bei Booz & Company. „Auch wenn andere Hebel kurz- und mittelfristig weitere Effizienzgewinne bewirken können, besitzen nur hochentwickelte Treibstoffe aus Biomasse das Potenzial, die langfristigen und ambitionierten Industrieziele zu erreichen.“ Nur mit ihnen lässt sich das Problem der langen Flugzeugnutzungszyklen umgehen, da sie auch der bestehenden Flotte beigemischt werden können.

Allerdings befindet sich laut Studie diese Form der Bioenergie für den Luftverkehr in einem sehr frühen Entwicklungsstadium, das noch erhebliche Risiken birgt. Für die Erreichung der Industrieziele sind im Jahr 2050 13,6 Millionen Barrel nachhaltige Biokraftstoffe der zweiten Generation erforderlich. Diese weisen 80 bis 90 % geringere Lebenszyklus-CO2-Emissionen auf als herkömmliches Kerosin. Dies würde einer Substitution durch Biokraftstoffe in Höhe von rund 90 % entsprechen.

Die Studie beschreibt das Ausmaß der notwendigen CO2-Reduktion und die Potenziale der betroffenen Bereiche. Um die Ziele zu erreichen, müssen der Flugbetrieb sowie die Infrastruktur im Bereich der Flugsicherung und der Flughäfen optimiert werden. Wichtig seien auch höhere Investitionen in Forschung und Entwicklung energieeffizienter Flugzeugtypen und Biokraftstoffe. Darüber hinaus bedürfe es marktbasierter Mechanismen wie Emissionshandel und -kompensation.

Nach Meinung der Experten von Booz & Company spielen für den Markterfolg der ökologischen Flugzeugtreibstoffe als langfristig wichtigstem CO2-Reduktionshebel auch der regulatorische Rahmen, neuartige Kooperationen, innovative Finanzierungskonzepte und eine gezielte Information der Verbraucher eine zentrale Rolle. „Der Umbau des Sektors erfordert massive Investitionen, um einen Quantensprung bei der Technologie und einen nachhaltigen Ausbau der Produktion zu erreichen. Die notwendigen Marktdynamiken entwickeln sich allerdings nur, wenn Industrie und Politik gezielt und gemeinsam fördern sowie die richtigen Anreize setzen“, so Ringbeck.

Für den Industriestandort Deutschland ergeben sich durch diesen fundamentalen Strukturwandel erhebliche ökonomische Chancen, sich durch geeignete Förder- und Produktionskonzepte für Agrotreibstoffe erfolgreich zu positionieren. Für einen zukunftsweisenden Ansatz sei aber auch ein gemeinsamer Kraftakt aller Beteiligten auf globaler Ebene und entlang der gesamten Wertschöpfungskette erforderlich, so Ringbeck.

Zusätzlich liegen – so die Studienautoren – kurz- und mittelfristig auch große Potenziale im konsequenten Ausbau der Infrastruktur in den Bereichen des Luftverkehrsmanagements und der Flughäfen. Dieser sei insbesondere in Regionen mit hohem Wachstum dringend erforderlich, andernfalls drohe eine zusätzliche Verschlechterung der CO2-Effizienz des Sektors durch das steigende Verkehrsaufkommen.

Die Studie weist positiven Anreizen ein deutlich höheres Potenzial für die weitere Reduktion des Klimakillers zu, als den aktuell diskutierten staatlichen Umweltabgaben und Steuern. Diese würden letztendlich der Industrie lediglich in erheblichem Umfang Gelder entziehen, die diese für Investitionen in CO2-reduzierende Maßnahmen aber dringend benötigen.

Auch marktbasierte Mechanismen wie Emissionshandel und -kompensation seien nicht optimal. Sie böten zwar die Möglichkeit, Emissionen kosteneffizient zu reduzieren, solange CO2-Einsparungen in anderen Sektoren günstiger zu realisieren sind. Allerdings müssten auch hier die Auswirkungen des Mittelabflusses aus dem Luftverkehrssektor und damit verbundene negative makroökonomische Auswirkungen kritisch betrachtet werden.

Das mahnende Fazit der Studie: Bei der Umsetzung dieser marktbasierten Mechanismen sei eine intensivere Zusammenarbeit der Fluggesellschaften und ihres Dachverbandes Air Transport Association (IATA) mit den nationalen Regierungen und der International Civil Aviation Organization (ICAO) zwingend erforderlich. Nur so könnten die ambitionierten Klimaziele für den Luftverkehr auf globaler Ebene und nachhaltig erreicht werden. (Booz & Company/ml)