Ingenieurberufe: Wo der Fach­kräfte­mangel nur ein Mythos ist

Vor Fachkräftemangel in der deutschen Wirtschaft warnen die Verbände schon lange. Die Politik müsse für Ausbildung und Qualifizierung mehr tun, so lautet eine oft gehörte Forderung. Laut dem Verein der Deutschen Ingenieure (VDI) müssen binnen 15 Jahren über 700.000 Ingenieursstellen in Deutschland neu besetzt werden. Seit dem Jahr 2009 ist die Zahl der Studienanfänger in Technikfächern allerdings um über 40 % gestiegen. Ist der Fachkräftemangel also nur ein Mythos? Zumindest in Firmen an attraktiven Standorten scheint dies so zu sein.

So ist das Auto ein Symbol für deutsche Ingenieurskunst, deutsche Innovationskraft und deutsche Wirtschaft. Stellvertretend steht es für Technik made in Germany, die weltweit einen blendenden Ruf genießt und so auch durch Export zu Wohlstand verhilft. Diesen Vorsprung allerdings halte Deutschland nur mit den richtigen und mit ausreichend Köpfen. Ein Fachkräftemangel bedrohe diese Stellung ernsthaft, warnen Verbände seit Jahren. Dies sei im Ausland bereits vergleichend zu beobachten, sagt Dr. Heinz-Jürgen Büchner, Branchenanalyst bei der IKB Industriebank:

„Das Halten von Personal ist ein ganz entscheidender Faktor. Wenn Sie in die USA gehen, werden Sie keinen gescheiten Gießereifacharbeiter finden. Sie müssen permanent das Personal guiden. Und vor dem Hintergrund ist die Produktivität dort in der Regel auch sehr niedrig.“

Die Firma Pierburg im niederrheinischen Neuss ist dazu das Gegenbeispiel. Praktisch kein Auto weltweit kommt ohne ein kleines mechatronisches Bauteil dieses Marktführers auf die Straße. Innovation und ein attraktiver Standort führen zu ständig 50 motivierten Azubis und gutem Nachwuchs auf Ingenieursebene. Standort und Name allerdings reichen dafür nur bedingt, relativiert Dr. Jochen Luft:

„Wir haben Kooperationen mit Schulen und Hochschulen. Und wir sind natürlich auch sehr stark auf Messen und Informationsveranstaltungen vertreten, wo wir gezielt junge Menschen ansprechen, um sie für die einzelnen Berufe zu begeistern.“

Verbände sind derzeit mindestens leicht verwundert, dass sich Jobs in doch recht zukunftssicheren Industrien nicht quasi wie von selbst besetzen. Vieles liege an der falschen Vorstellung, dass Metall und Mechanik schmutzig seien. Hans Jürgen Kerkhoff, Präsident der Wirtschaftsvereinigung Stahl und Vorsitzender des Stahlinstituts VDEh, hat den Eindruck, immer dafür werben zu müssen, dass „industrielle Wertschöpfung werthaltiges Tun ist“. Er ist optimistisch, dass dieses „Werben um die Köpfe erfolgreich sein wird für eine weiterhin gute Werkstoffbasis am Industriestandort Deutschland“.

Einig sind sich Verbände und Industrie, dass nur durch gesunden Ehrgeiz und kreative, gut ausgebildete Fachkräfte das Niveau in Deutschland gehalten werden kann. Die düsteren Prognosen zum Fachkräftemangel rühren also von einer gewissen Furcht, müssen aber nicht zwangsläufig falsch sein. So richtig bewahrheitet haben sie sich aber auch nicht. (Quelle: m4-tv.com/mtx)