Eine neue Untersuchung zeigt, dass die Unternehmen bei der Umsetzung von Industrie-4.0-Initiativen noch nicht aus den Startlöchern sind.
Die deutsche Sektion des Marktforschungsinstituts IDC hat im August 2015 insgesamt 201 vorwiegend mittelständische Unternehmen zum Thema Industrie 4.0 befragt. Voraussetzung für die Teilnahme war, dass sich die Befragten bereits mit diesem Thema auseinandergesetzt hatten oder ihnen zumindest der Begriff bekannt war.
Anwender sehen die Vorteile vorsichtig
Dabei zeigt sich ein sehr gemischtes Bild. Sieht man sich die Ergebnisse aus den einzelnen Branchen an, so beschäftigen sich derzeit vor allem die Maschinen- und Anlagenbauer mit Industrie 4.0 und den Vorteilen, die sie aus der Digitalisierung ziehen können. So gaben 28 % an, dass sie sich intensiv mit dem Konzept auseinandergesetzt hätten; in den übrigen Branchen waren das lediglich 6 %. Die Fabrikausstatter sehen die Chance, ihr traditionelles Produktgeschäft um neue Services zu erweitern und zusätzliche Umsatzquellen zu erschließen. Diese Aufgeschlossenheit gegenüber den aktuellen Entwicklungen sucht man bei vielen Unternehmen aus anderen Branchen vergebens.
Auf die Frage nach den größten Vorteilen von Industrie 4.0 wurden denn auch in erster Linie altbekannte Argumente genannt: Betriebs- und Produktionskosten senken, den Grad der Automatisierung steigern, die steigende Produktionskomplexität bewältigen und die flexibler machen. Das ganze Potenzial, das die Digitalisierung bereithält, war der Mehrheit der Befragten jedoch nicht klar. Lediglich 18 % nannten als Vorteil beispielsweise die Möglichkeit, stärker auf Kundenwünsche eingehen zu können, nur 14 % sahen eine Chance darin, sich neue Umsatzquellen zu erschließen und ebenfalls 14 % konnten sich vorstellen, sich mit der neuen Technologie stärker gegenüber dem Wettbewerb zu differenzieren.
Das Interesse der Unternehmen nimmt zu
Immerhin hat es sich jedoch herumgesprochen, dass da etwas Neues entsteht, das für die Unternehmen von größter Wichtigkeit sein könnte. Die Untersuchung zeigt, dass die große Präsenz des Themas auf Messen und in den Medien im vergangenen Jahr auch bei den Firmen zu einem erhöhten Interesse geführt hat. Gegenüber einer ähnlichen Befragung vor einem Jahr stieg der Anteil der Unternehmen, die sich laut eigenen Angaben intensiv mit dem Thema auseinandergesetzt hatten, von 8 auf 18 %.
Bei der praktischen Umsetzung hapert es jedoch noch. 45 % der Befragten gaben an, sie seien noch in der Evaluierungsphase, rund ein Drittel erklärte, in Pilotprojekten oder im operativen Betrieb bereits Erfahrungen mit Industrie 4.0 zu sammeln. Und auch die Anwendungen selbst schöpfen bei Weitem noch nicht die Möglichkeiten der Digitalisierung aus. Auf die Frage nach der Art der Use Cases wurde durchgängig die Überwachung von Produkten und Prozessen angegeben. An der Spitze stand mit 43 % die Nutzung von Industrie-4.0-Technologie für Produkttests und die Qualitätskontrolle.
IT-Sicherheit heißt künftig Firmensicherheit
Dabei ist den Unternehmen bewusst, dass sich mit der Digitalisierung vieles ändern wird. Mit der Integration von Office- und Produktions-IT wird vor allem die Bedeutung der IT-Abteilungen innerhalb der Unternehmen wachsen. Ihre Mitarbeiter müssen nicht nur für eine nahtlose Verbindung sorgen, sondern auch die wachsenden Datenmengen beherrschen und sich um die Sicherheit der Daten kümmern. Gleichzeitig wird Cloud Computing zu einem immer wichtigeren Bestandteil der Unternehmens-IT: 39 % der Befragten schreiben der Cloud eine Enabler-Funktion für Industrie 4.0 zu. Allerdings sehen die Autoren der IDC-Studie nach wie vor beim Mittelstand eine gewisse Skepsis, was den Einsatz von Cloud-Konzepten anbelangt.
Ein Grund dafür sind offensichtlich Sicherheitsbedenken. So geben 54 % der Teilnehmer an, dass es in ihrem Unternehmen in den vergangenen zwölf Monaten durch einen Zugriff von außen zu mindestens einem Sicherheitsvorfall gekommen sei. 32 % berichten von einer Manipulation der Fertigung, 25 % von Unterbrechungen in der Produktion, 21 % von Compliance-Verstößen gegen Gesetze und Vorschriften, 17 % vom Diebstahl geistigen Eigentums und 15 % sogar von Personenschäden.
Das größte Sicherheitsrisiko ist auch in diesem Umfeld der Mensch – in 35 % der Fälle war ein Fehlverhalten der Mitarbeiter die Ursache. Häufig genannt werden jedoch auch die hohe Komplexität bei der Absicherung, noch nicht ausgereifte Produkte und Lösungen sowie fehlendes internes Know-how. Die IT-Abteilungen halten dagegen, beispielsweise mit dem Einsatz von Firewalls, Antivirenprogrammen und Intrusion-Detection-Systemen. Doch wird Technologie allein nicht ausreichen, um die digitalisierten Produktionsprozesse abzusichern. Die technischen Maßnahmen müssen um Sicherheitstrainings für die Mitarbeiter, um Schulungen und die Zuweisung von Verantwortlichkeiten ergänzt werden.
Der IT kommt die Schlüsselrolle zu
Die Umsetzung von Industrie-4.0-Konzepten in den Unternehmen steckt derzeit in einer Warteschleife. Die Studie zeigt, dass die Firmen sich vor allem eine stärkere Unterstützung der Software-Hersteller wünschen. 39 % verlangen auf eine entsprechende Frage hin ausgereiftere Technologien, 26 % vermissen Konzepte zur Gewährleistung der IT-Sicherheit. Doch immerhin ist das Vertrauen da, dass die Software- und Hardware-Industrie entsprechende Lösungen entwickeln wird: Mehr als die Hälfte der befragten Unternehmen wünschte sich einen IT-Anbieter als Partner für die Umsetzung von Industrie 4.0. (Quelle: IDC/rf)