Scheinselbstständigkeit: Die derzeitige Rechts­lage ver­un­sichert Free­lancer und Auftraggeber

In einer Kleinen Anfrage hatten die FDP-Abgeordneten Dr. h.c. Thomas Sattelberger, Johannes Vogel, Michael Theurer und weitere die Situation auf dem Markt für IT-Freelancer beklagt. Als Reaktion auf die unbefriedigende Antwort der Bundesregierung haben der Personaldienstleister Gulp und der Verband der Gründer und Selbstständigen Deutschland (VGSD) eine eigene Befragung gestartet.

In ihrer Anfrage hatten die Abgeordneten zunächst ein relativ düsteres Bild des Freelancer-Markts gezeichnet:

„Hochqualifizierte und hoch dotierte IT-Freelancer und ähnliche Know-how-Träger werden von der Deutschen Rentenversicherung zunehmend einer sogenannten Scheinselbstständigkeit zugeordnet und ihre Auftraggeber teils mit hohen Strafzahlungen belegt. Gleichzeitig sind viele Unternehmen nach Kenntnis der Fragesteller zunehmend verunsichert, Aufträge an Selbstständige zu vergeben. Denn die Gefahr, bei unklarer Rechtslage nachzahlen zu müssen bzw. gegebenenfalls sogar strafrechtlich verfolgt zu werden, ist ihnen zu hoch. Insbesondere agile Projektformen wie etwa sog. Scrum-Verfahren, in denen zahlreiche IT-Projekte durchgeführt werden, passen nicht mehr zu den engen Abgrenzungskriterien des Arbeitsrechts sowie des Sozialversicherungsrechts.“

In ihrer Antwort darauf verweist die Bundesregierung einmal mehr auf die Clearingstelle der Deutschen Rentenversicherung. Deren Statusfeststellungsverfahren ist allerdings weder dazu geeignet, auch nur mittelfristig Handlungssicherheit zu geben, noch wird es unter Selbstständigen als realistisch angesehen. Oft genug hat sich das Zeitfenster eines Projekts bis zum Abschluss des Verfahrens schon wieder geschlossen. Insgesamt könnte man die Antworten mit einem „Nö, das passt schon“ zusammenfassen: „Die Bundesregierung teilt die Einschätzung der Fragesteller nicht“, heißt es etwa dazu, „dass die aktuelle Gesetzeslage zum Brain Drain innovativer Köpfe führen kann“. Worauf sich die Bundesregierung dabei stützt, bleibt offen, denn eine „Statistik zur Abwanderung speziell selbständiger IT-Fachkräfte liegt der Bundesregierung nicht vor.“ Und: „Der Bundesregierung liegen keine Daten zur Abwanderung von Know-how und zur Verlagerung von IT-Projekten ins Ausland aufgrund der einschlägigen Gesetzeslage vor.“

Die Ergebnisse der Umfrage von Gulp und VGSD unter 1940 Selbstständigen von Ende 2018 dürften jedoch auch mit einer gewissen Vorsicht zu genießen sein:

„59 % der Befragten gaben an, Aufträge oder ganze Projekte verloren zu haben. Über 90 % sahen den Grund für die vorzeitige Beendigung von Aufträgen und Projekten in Deutschland in der bestehenden Rechtsunsicherheit. Fast die Hälfte aller Befragten erwägt aus diesen Gründen die Auswanderung aus Deutschland.“

Bei den beendeten Aufträgen verzeichnet die Befragung bei 27 % eine Verlagerung ins Ausland, bei ganzen Projekten gar zu 38 %. Als Gründe für den Projekt- bzw. Auftragsverlust nennen ganze 90 % die Rechtsunsicherheit, gefolgt vom bürokratischen Aufwand (49 %). Die Anschlussfrage „Erwägen Sie, aufgrund der Rechtsunsicherheit in Deutschland im Ausland tätig zu werden?“ beantworten 13 % mit ja (fest entschlossen oder in den nächsten Jahren), für weitere 35 % ist die berufliche Emigration eine Option, insgesamt stellt sich also für 48 % der IT-Selbstständigen der Standort Deutschland als problematisch dar, für den Rest (52 %) ist das Ausland derzeit kein Thema.