Anfechtung eines Arbeitsvertrags: Wann Arbeitsverträge anfechtbar sind

Wenn der Mitarbeiter bei der Bewerbung verschweigt, dass er gesundheitlich nicht zur Arbeit in der Lage ist, auf die er sich bewirbt. Dann kann das Unternehmen den Arbeitsvertrag wegen arglistiger Täuschung anfechten. Allerdings, betont Sabine Wagner, darf man die Anfechtung nicht auf die lange Bank schieben.

Wer sich dienstunfähig bewirbt, handelt arglistig

Von Sabine Wagner

Bewirbt sich ein Arbeitnehmer bewusst auf eine Stelle, für die er gesundheitlich nicht geeignet ist, dann täuscht er seinen zukünftigen Arbeitgeber über persönliche Eigenschaften, die für das Arbeitsverhältnis von Bedeutung sind. Kommt es auf Grund dieser Täuschung zum Abschluss eines Arbeitsvertrages und stellt sich bei Antritt der Arbeit heraus, dass der neue Mitarbeiter diese Arbeit aus gesundheitlichen Gründen nicht machen kann, so ist der Arbeitgeber berechtigt, den Arbeitsvertrag anzufechten (§ 123 Abs. 1 BGB in Verbindung mit § 143 Abs. 1 BGB).

Die Anfechtung beendet den Arbeitsvertrag mit sofortiger Wirkung, d.h. mit Erhalt der Anfechtungserklärung. Wichtig: Die Anfechtungserklärung sollte grundsätzlich immer schriftlich erfolgen und mit Nachweis des Zugangs!

Ärztliches Attest in der Hinterhand

Genau einen solchen Fall hat das Hessische Landesarbeitsgericht mit Urteil vom 21. September 2011 (Az. 8 Sa 109/11) entschieden:

Ein Mann hatte sich auf eine Stelle im Nacht- und Wechselschichtbetrieb beworben, obwohl er wusste, dass Nachtschichten bei ihm aus gesundheitlichen Gründen ausgeschlossen sind. Kurz nach Aufnahme der Arbeit legte dieser Mitarbeiter seinem Arbeitgeber zwei ärztliche Bescheinigungen vor, aus denen sich ergab, dass aus ärztlicher Sicht dringend auf die Nachtarbeit zu verzichten ist. Beide Bescheinigungen datierten vor dem Datum des Abschlusses des Arbeitsvertrages.
Der Arbeitgeber erklärte die Anfechtung des Arbeitsvertrages wegen arglistiger Täuschung über die Einsatzfähigkeit des Arbeitnehmers. Der Arbeitnehmer klagte hiergegen ohne Erfolg.

Das Gericht sah es als erwiesen an, dass der Kläger auf Grund der beiden ärztlichen Bescheinigungen wusste, dass er sich nicht auf eine Stelle bewerben kann, die u.a. Nachtschichten umfasst. Der Arbeitgeber wurde so über die Nachtschichttauglichkeit getäuscht und arglistig zum Abschluss des Arbeitsvertrages bestimmt. Für ihn ist es aus Gründen der Planbarkeit sowie der Gleichbehandlung wichtig, dass seine Mitarbeiter bei diesen Tätigkeiten alle ausnahmslos schicht- und nachtschichttauglich sind.

Fazit: Anfechtung verfällt durch Duldung

Unternehmer sollten wissen, dass in solchen Fällen rasch zu handeln ist. Denn nach § 144 BGB ist eine Anfechtung ausgeschlossen, wenn der Arbeitsvertrag vom anfechtungsberechtigten Arbeitgeber bestätigt wird. Hierfür reicht bereits schlüssiges Verhalten (die Juristen nennen es „konkludentes Verhalten“). Am Beispiel: Hätte im vorliegenden Fall der Arbeitgeber den neuen Mitarbeiter zunächst nur im Wechselschichtbetrieb eingesetzt und den Arbeitsvertrag erst Wochen oder Monate später angefochten, weil er z.B. mittlerweile einen anderen seiner Mitarbeiter an diese Stelle versetzen kann, dann würde der Kläger seitens des Gerichts Recht bekommen. Er hätte dann durch sein Verhalten den nachtschichtuntauglichen Mitarbeiter und dessen Arbeitsvertrag akzeptiert.

Von Bedeutung kann in diesem Rahmen auch werden, dass der Arbeitnehmer sich gegebenenfalls schadensersatzpflichtig macht, nämlich gemäß § 823 BGB in Verbindung mit § 263 StGB (Betrug) bzw. § 826 BGB (sittenwidrige vorsätzliche Schädigung).

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