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Pflegezeit

Zehn Tage Vorwarnung für ein halbes Jahr Auszeit

Von Sabine Philipp

Seit dem 1. Juli 2008 dürfen Angestellte unter bestimmten Umständen sechs Monate unbezahlten Urlaub nehmen, um nahe Angehörige zu pflegen. Das besagt das neue Gesetz zur strukturellen Weiterentwicklung der Pflegeversicherung, kurz Pflege-Weiterentwicklungsgesetz (PfWG).

Wichtig!
Dieser Beitrag ist durch das Gesetz zur besseren Vereinbarkeit von Familie, Pflege und Beruf (2015) teilweise überholt.

Meist kommt es ganz überraschend. Der Vater erholt sich nach einem Sturz nicht mehr und muss in ein Pflegeheim. Für solche überraschenden Fälle haben Ihre Mitarbeiter einen Anspruch auf eine kleine Pflegezeit von bis zu zehn Tagen, um alles zu organisieren. Und sie dürfen sie sofort nehmen, wenn kein anderer naher Angehöriger einspringen kann. Man muss Sie aber sofort benachrichtigen.

Kleine und große Pflegezeit

Die zehntägige Pflegezeit dürfen auch Angestellte in kleinen Betrieben nehmen. Bei der großen Pflegezeit sieht das anders aus. Hier haben Ihre Mitarbeiter nur dann Anspruch, wenn Ihre Firma mehr als 15 Beschäftigte hat. Bei der großen Pflegezeit darf Ihr Angestellter bis zu sechs Monaten unbezahlten Urlaub nehmen, um einen nahen Angehörigen zu pflegen. Er hat sie mindestens zehn Tage vorher schriftlich anzukündigen und gleichzeitig mitzuteilen, wie lange und in welchem Umfang er die Auszeit nehmen möchte (§ 3 Abs. 3 PfWG). Er kann nämlich auch nur eine teilweise Freistellung verlangen. Den Wunsch nach voller Freistellung können Sie Ihrem Mitarbeiter nicht verweigern; die Teilfreistellung dürfen Sie aber aus dringenden betrieblichen Gründen ablehnen (§ 3 Abs. 4 PfWG).

Wichtig: Diese Übersicht dient lediglich der Orientierung und ersetzt keinesfalls die fach­männische Beratung durch Rechts­experten. Die Inhalte wurden sorg­fältig recherchiert, dennoch sind Ab­weichungen vom tat­sächlichen Sach­verhalt nicht auszuschließen.

Wenn es doch kürzer wird

Ihr Mitarbeiter darf die Pflegezeit eigentlich nur dann vorzeitig beenden, wenn Sie zustimmen. Das gilt bis auf folgende Ausnahmen:

  • Wenn die zu pflegende Person verstirbt,
  • wenn sie in eine stationäre Pflegeeinrichtung aufgenommen wird oder
  • wenn es dem Mitarbeiter unmöglich ist bzw. für ihn unzumutbar, den Angehörigen weiterhin zu Hause zu pflegen.

In solchen Fällen gilt aber eine Übergangsfrist von vier Wochen.

Wenn Sie eine befristete Arbeitskraft als Ersatz für Ihren Mitarbeiter eingestellt haben, dürfen Sie ihr in diesem Fall kündigen – unter Einhaltung einer Zweiwochenfrist.

Falls Ihr Arbeitnehmer umgekehrt die Pflegezeit für einen kürzeren Zeitraum angemeldet hat und dann doch bis zur Höchstdauer verlängern will, darf er das nur, wenn Sie damit einverstanden sind. Oder wenn ein vorgesehener Wechsel in der Person des Pflegenden aus einem wichtigen Grund nicht erfolgen kann.

Unkündbar mit Ausnahmen

Während der Pflegezeit dürfen Sie Ihrem Mitarbeiter nicht kündigen (§ 5 PfWG). Es gibt aber immer Sonderfälle, in denen eine Zusammenarbeit nicht mehr möglich ist. Dann dürfen Sie auch eine Ausnahme machen. Allerdings brauchen Sie dafür das O.k. von der für den Arbeitsschutz zuständigen obersten Landesbehörde bzw. der von ihr bestimmten Stelle.

Für alle nahen Angehörigen

Ihr Mitarbeiter darf erst dann die Pflegezeit nehmen, wenn der Angehörige mindestens Pflegestufe I erreicht hat. Oder wenn demenzbedingte Fähigkeitsstörungen, geistige Behinderungen oder psychische Erkrankungen vorliegen, die dauerhaft zu einer erheblichen Einschränkung der Alltagskompetenz führen.

Grundsätzlich kann Ihr Mitarbeiter die Auszeit für jeden nahen Angehörigen nehmen, sprich: wenn erst der Großvater erkrankt und kurz darauf die Mutter zum Pflegefall wird, darf er beide Male ein halbes Jahr unbezahlten Urlaub fordern. Unter die nahen Angehörigen fallen nach § 7 Abs. 3 PfWG neben Eltern und Großeltern auch Ehegatten, Lebenspartner, Partner einer eheähnlichen Gemeinschaft, Geschwister, Kinder, Adoptiv- und Pflegekinder, Enkelkinder, Schwiegereltern, Schwiegerkinder sowie die Adoptiv- oder Pflegekinder des Ehegatten bzw. Lebenspartners.

Die Pflegezeit gibt es aber nur, wenn diese Personen in häuslicher Umgebung gepflegt werden. Und natürlich muss Ihr Mitarbeiter die Pflegebedürftigkeit durch eine Bescheinigung der Pflegekasse oder des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung nachweisen.

Fazit: Kein Gehalt, aber Mehrkosten

Während der Pflegezeit müssen Sie Ihrem Mitarbeiter keinen Lohn bezahlen. Die Beiträge zur Arbeitslosen und Rentenversicherung werden von der zuständigen Pflegekasse übernommen, wenn der Mitarbeiter mindestens 14 Stunden pro Woche einspringt. Krankenversicherungstechnisch hat sich der Mitarbeiter freiwillig oder über Angehörige zu versichern. Allerdings müssen diese und andere gute Gaben auch refinanziert werden. In der Folge steigt der Pflegeversicherungssatz auf 1,95 %, was natürlich auch Ihren Arbeitgeberanteil erhöht.

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