Cloud Computing für die Logistik, Teil 1

Warehouse Management als Online-Service

Von Sabine Philipp

Die Logistikbranche scheint Cloud Computing relativ offen gegenüberzustehen. Nach der aktuellen Marktanalyse des Fraunhofer IML „Cloud Computing für Logistik“ können sich bereits heute 64 % der befragten Unternehmenslenker vorstellen, Logistiksoftware nach dem SaaS-Prinzip über das Internet anzumieten und auf externen Servern zu nutzen.

Befragt wurden 103 Anbieter und 70 potenzielle Anwender aus den Bereichen Logistikdienstleistung, Handel und Industrie. Als besonders aufgeschlossen erwiesen sich dabei die kleinen und mittleren Unternehmen, von denen sich 73 % vorstellen können, Cloud-Leistungen zu nutzen. Von den befragten Großunternehmen mit mehr als 250 Mitarbeitern oder einem Umsatz von über 50 Mio. Euro konnten das nur 52 %.

Die Offenheit Mittelstands mag auch daran liegen, dass dessen IT- Budgets meist überschaubar sind. So verfügen nur 30 % der dieser Anwender über ein Warehouse Management System (WMS), während 57 % der Großunternehmen eine derartige Software nutzen. ERP-Systeme werden gar nur von 27 % eingesetzt (Großunternehmen: 76 %).

Abruf über den Online-Verteiler

Dabei sind die Kosten für die Programme nur die eine Seite. „Die wenigsten Kleinunternehmen verfügen über eine ausreichende IT-Infrastruktur und über Spezialisten, die die Programme pflegen könnten“, erklärt Oliver Wolf, Leiter der Abteilung Software Engineering beim Fraunhofer-Institut für Materialfluss und Logistik IML. In die Verantwortung des Diplom-Informatikers fällt ebenfalls die Logistics Mall.

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Diplom-Informatiker Oliver Wolf stu­dierte nach seiner Aus­bil­dung zum Industrie­kauf­mann Wirt­schafts­in­for­matik in Pader­born und Dort­mund. Seit 1996 ar­beitet er am Fraun­hofer-Institut für Ma­terial­fluss und Lo­gistik IML, wo er heute die Ab­teilung Soft­ware En­gineer­ing leitet. Da­neben lehrt Wolf als Gast­dozent an ver­schie­denen Hoch­schulen wie der Uni­ver­sität St. Gallen.

Dieses Projekt der Fraunhofer-Institute für Materialfluss und Logistik (IML) und für Software- und Systemtechnik (ISST) hat das Ziel, einen zentralen Marktplatz für Logistiklösungen aus der Wolke zu schaffen. Zertifizierungen, klar definierte Schnittstellen und ein zentraler Ansprechpartner sollen dazu beitragen, die Technologie zu etablieren und Vertrauen zu schaffen. Denn gerade in der Logistik- und Intralogistikbranche können Unternehmen von der Flexibilität, die dem System innewohnt, profitieren, denn das Geschäft ist oft starken Schwankungen unterworfen.

Projekt Logistics Mall
In ihrer ersten Ausbau­stufe ist die Logistics Mall bereits online. „Auf dem virtuellen Markt­platz möchten wir Logistik­software über eine Benutzer­oberfläche zur Ver­fügung stellen, die mit­einander bedarfs­orientiert kom­biniert und ge­bucht werden kann“, erklärt Wolf. Das Ziel besteht darin, einen ganz­heitlichen logistischen Pro­zess in einem System zu rea­lisieren, ange­fangen von der Soft­ware für Lager­logistik über Pro­gramme für Ware­house Manage­ment bis hin zu Dokumenten­management­systemen und SAP Business One. Dabei soll es möglich sein, Funk­tionen unter­schied­licher An­bieter zu einem indivi­duellen Gesamt­paket zusammen­zustellen und trans­aktions­basiert zu mieten.

Volles Programm zur Miete

Häufig werden bestimmte Anwendungen nur einmal im Monat bzw. zu bestimmten Stoßzeiten benötigt. Dann müssen aber mitunter mehrere Aushilfen oder Zeitarbeiter damit ausgestattet werden. Und wenn die Arbeit dann getan ist, sitzt der Unternehmer auf teuren Lizenzen, die er nicht mehr benötigt. Für Cloud-Lösungen spricht hier, dass die Lösungen – je nach Anbieter – für einen bestimmten Zeitraum gemietet werden können. Das verhindert unnötige Ausgaben und schafft Liquidität. Ein weiterer Vorteil ist, dass die Mitarbeiter jeweils mit den aktuellsten Versionen arbeiten und so schneller von Innovationen profitieren können.

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Schwarz auf Weiß
Dieser Beitrag erschien zuerst in unserem Magazin zur CeMAT 2014. Einen Über­blick mit freien Down­load-Links zu sämt­lichen Einzel­heften bekommen Sie online im Presse­zentrum des MittelstandsWiki.

Der Liquiditätsvorteil betrifft aber nicht nur die Ausgaben für Software, sondern auch für die gesamte Rechenleistung. Denn auch der Bedarf an benötigter Hardware-Power kann großen Schwankungen unterliegen. Wolf nennt hier exemplarisch die Berechnung von Kaufverhaltensanalysen und von Touren sowie die Erstellung des Tagesabschlusses, die Produktionsplanung und die Lohn- und Gehaltsbuchhaltung. „Leider müssen die Systeme so ausgelegt sein, dass sie in den Hochzeiten die volle Leistung erbringen“, so Oliver Wolf. „Ansonsten können die Vorgänge nicht zügig abgearbeitet werden.“

Außerhalb dieser Stoßzeiten ist der Rechnerpark in vielen Fällen überdimensioniert, kostet unnötig Energie und verursacht Wartungskosten. Deshalb kann es klug sein, neben den Programmen auch Rechenleistung zu mieten. Wenn dadurch am Ende weniger Hardware herumsteht, so bringt das eine Reihe weiterer Vorteile.

Serie: Cloud Computing für die Logistik
Teil 1 sichtet den Be­darf und be­gleitet den Start des Fraun­hofer-Projekts Logistics Mall. Teil 2 sagt, welche Sicher­heits­fragen im Ver­trag aus­drücklich ge­regelt sein müssen.

Mehr Leistung, weniger Blech

Dadurch, dass der eigentlich Rechenvorgang auf den Servern des Cloud-Anbieters läuft, müssen die Rechner in der Firma nicht mehr so stark ausgelegt sein. In der Folge schrumpft der Serverpark im Unternehmen, wodurch das Unternehmen niedrigere Stromkosten für den Betrieb und die Kühlung hat. Ein positiver Nebeneffekt: Auch der Administrator hat es leichter, da der Cloud-Anbieter die Programme zentral verwaltet und sich je nach Vertrag um Updates und um die Sicherheit kümmert.

Und gerade in Sicherheitsfragen können kleine Unternehmen laut Fraunhofer-Studie „Cloud Computing Sicherheit“ von speziellen Cloud-Sicherheitslösungen und dem Wissensvorsprung erfahrener Anbieter profitieren. Ein weiterer Pluspunkt dieser extern-zentralen Verwaltung ist der vereinfachte Datenzugriff von außerhalb des Unternehmens; mobile Mitarbeiter können auf diese Weise sehr viel leichter eingebunden werden.

Woran Sie einen zuverlässigen Anbieter erkennen und welche Vorsichtsmaßnahmen von Beginn an zu treffen sind, führt Teil 2 dieser Serie aus.

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