Bürgerkonto, Teil 1: Wann sich Bürger per Stammdaten-Account anmelden

Beim Einwohnermeldeamt einloggen und rasch den Umzug in die Wege leiten. Oder die Haushaltshilfe anmelden. Oder überhaupt alles, was die Kommunikation mit Behörden betrifft. Das sollte ein Bürgerkonto können, wie es der Bundesregierung vorschwebt. Der Weg dahin ist aber steinig und noch ziemlich weit.

Eingeloggt bei Bund, Ländern und Kommunen

Von Sabine Philipp

„Die Bürgerinnen und Bürger sollen auf Wunsch die Möglichkeit haben, einen einheitlichen Stammdaten-Account, ein sogenanntes Bürgerkonto zu verwenden, um die Kommunikation mit der Verwaltung zusätzlich zu vereinfachen.“ So steht es im Koalitionsvertrag, was bedeutet, dass das Vorhaben noch in dieser Legislaturperiode umgesetzt werden soll. Über den Sinn und die konkrete Umsetzung gibt es unterschiedliche Meinungen.

Vorüberlegungen zur Infrastruktur

Das Bundesministerium des Innern (BMI) ist bereits aktiv. Wie ein Sprecher erklärt, prüfen das BMI und die Länder im Rahmen einer gemeinsamen Arbeitsgruppe die Möglichkeiten. Im Mittelpunkt steht zurzeit das Bemühen um einheitliche organisatorische und technische Rahmenbedingungen für Bürgerkonten und deren künftige Ausgestaltung. Dabei berücksichtige man auch bereits bestehende Bürgerkontostrukturen in den Ländern.

Denn die Idee ist nicht neu. „Es gibt bereits Produkte von Fachverfahrensherstellern, die man unter diesem Oberbegriff zusammenfassen könnte“, erklärt Jens Fromm, Leiter des Kompetenzzentrums Öffentliche IT (ÖFIT) am Fraunhofer-Institut für Offene Kommunikationssysteme FOKUS. Er ist sich sicher, dass wir in unserem föderalen System verschiedene Bürgerkonten haben werden. Den Anfang dazu sieht er in den Internet-Portalen der Kommunen: „Die meisten Verwaltungsprozesse, die für den Bürger relevant sind, fallen auf Ebene der Kommune an. Sie ist der erste Ansprechpartner und sozusagen das Fenster zur Verwaltung.“ Nun ist es aber nicht gerade förderlich, wenn jede einzelne Kommune eine eigene Bürgerkonto-Infrastruktur aufbaut. Das ist zu teuer, und es bleibt fraglich, ob sie die Sicherheitsanforderungen erfüllen kann. Was also tun?

Jens Fromm leitet das durch das Bundesministerium des Innern geförderte Kompetenzzentrum Öffentliche IT (ÖFIT) am Fraunhofer-Institut für Offene Kommunikationssysteme FOKUS. Er beschäftigt sich insbesondere mit den Themengebieten öffentliche IT, E-Government, IT-Infrastrukturen, elektronische Identitäten und Interoperabilität. Zusätzlich leitet er das Common Criteria Certification Lab am Fraunhofer FOKUS, das Zertifizierungsverfahren unter Aufsicht des Bundesamts für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) begleitet.

Modulare Lösung in Baden-Württemberg

Einen sehr interessanten Ansatz fährt das baden-württembergische staatlich-kommunale Serviceportal www.service-bw.de. Mit einem Relaunch zum 1. Januar 2016 – wenn auch das EGovG BW Gültigkeit erlangt – möchte das Innenministerium den Landesbehörden und den Kommunalbehörden das Angebot einer Ebenen übergreifenden E-Government-Architektur machen. Kommunen sollen dann das eigene Internet-Angebot mit E-Government-Komponenten anreichern können, heißt es aus dem Innenministerium Baden-Württemberg. Das Land hat vor allem die kleineren Kommunen im Blick. Ihnen möchte man einen kostengünstigen Einstieg in das Thema E-Government bieten.

Die über service-bw angebotene Identifizierungskomponente mit Bürgerkonto könnte dann als Service über die eigene Webseite genutzt werden. Die Lösung soll auch einen Dokumentensafe und eine Nachrichtenfunktion zur sicheren Kommunikation umfassen. Die Identifizierung des Users erfolgt dem Ministerium zufolge zentral über die Komponente des Landes, sodass es in Baden-Württemberg letztlich nur ein Bürgerkonto für jeden Bürger gibt, das er allerdings über verschiedene Internet-Angebote ansprechen kann. Die Identifizierung soll über die eID des elektronischen Personalausweises erfolgen können.

Serie: Bürgerkonto
Teil 1 berichtet, wie weit die Vorüberlegungen gediehen sind, und stößt auf die ersten Schwierigkeiten. Teil 2 überlegt, wo ein übergreifend hinterlegter Datensatz für Bürger attraktiv sein könnte. Der Weg bis zu einem einheitlichen Standard scheint jedenfalls noch weit.

Bedarf klären, Nutzen stiften

Trotz guter Ansätze: Viele Player bleiben kritisch. Auf dem Databund-Forum 2014 war das Bürgerkonto das große Streitthema. Zu teuer, zu aufwendig, zu viele offene Baustellen, lauteten die Einwände vieler Teilnehmer. Jens Fromm, der im September zum Thema referiert hatte, benennt rückblickend eine zentrale Baustelle: „Ein Kritikpunkt war, dass man wieder ein Projekt startet, ohne vorher abzuklären, ob bei den Bürgern Bedarf besteht.“ Auf der einen Seite gebe es bestimmte Situationen und Lebenslagen, in denen ein solches Konto sinnvoll sei. „Ein solcher Fall tritt z.B. ein, wenn jemand Nachwuchs bekommt und in den folgenden Monaten verstärkt mit der Verwaltung kommunizieren wird.“ Ebenso könne eine solche Lösung sinnvoll für Unternehmen sein, weil sie häufiger Daten mit Ämtern austauschen. Aber: „Wer einmal einen Antrag für einen Parkanwohnerausweis stellt und danach nichts mehr mit der Verwaltung zu tun hat, braucht nicht unbedingt ein Bürgerkonto.“

Um die Akzeptanz von Bürgerkonten in der Bevölkerung zu steigern, sieht Fromm es als wichtig an, Anreize zu setzen. Dass das funktionieren kann, zeigt ein Beispiel aus Österreich. Was dort gewirkt hat und warum wieder einmal Standards und Schnittstellen die Hauptschwierigkeit sind, erklärt Teil 2 dieser Serie.

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