Elektronische Beschaffung in Kommunen: Wo die Stadtverwaltung Erfurt einkauft

Im eigenen Onlineshop natürlich. Die thü­rin­gische Landeshauptstadt hat bei ihrer vorausschauenden E-Procurement-Lösung ebenso Wert auf Nachhaltigkeit und Regionalität gelegt wie darauf, dass sich beliebige Angebote einpflegen lassen. Der jährliche Umsatz beträgt derzeit 700.000 Euro, Tendenz steigend.

Die Stadtverwaltung Erfurt kauft im eigenen Onlineshop

Von Denise Böttcher, Landeshauptstadt Erfurt

Bereits seit Dezember 2011 wird in der Stadtverwaltung Erfurt elektronisch gestützt eingekauft. Alle autorisierten Mitarbeiter nutzen dazu ein auf die Bedürfnisse der Stadtverwaltung angepasstes Einkaufssystem (EKS), kurzum: einen eigenen Onlineshop.

Mit dem Wechsel von der altgewohnten papiergestützten Beschaffung zum elektronischen Einkauf hatte Erfurt gleich mehrere Ziele anvisiert: Zum einen sollten die Prozesse optimiert und die gesamte Beschaffung wirtschaftlicher werden – dies aber zweitens vor dem Hintergrund nachhaltigen Wirtschaftens, wozu drittens der Faktor Regionalität gehört. Insofern ist EKS Erfurt auch als „Beitrag der Beschaffer zum Thema Wirtschaftsförderung“ zu verstehen – und als konkreter Schritt der städtischen Agenda 21, mit der Erfurt sich bereits 1998 zu einer nachhaltigen Stadtentwicklung selbstverpflichtet hat.

Eine unabhängige Lösung mit Weitblick

Gleichwohl gab es anfangs spürbaren Widerstand, und es waren viele Bedenken zu überwinden, von der Verwaltung bis hinein in die Reihen des Stadtrats. Ein Hauptargument wollte zwischen Wirtschaftlichkeit und Nachhaltigkeit einen Widerspruch ausgemacht haben: Regional galt als teuer, Nachhaltigkeit erst recht. Derartige Bedenken sind mittlerweile fast vollkommen ausgeräumt. Dazu haben rasch spürbare Bündelungseffekte ebenso beigetragen wie die Effizienz der digitalen Einkaufsprozesse bei zugleich niedrigeren Prozesskosten und die Vorteile einer transparenten Datenwirtschaft.

Damit wären bereits drei der Kriterien erfüllt, die Erfurt im Vorfeld für ein erfolgreiches kommunales E-Procurement-System aufgestellt hatte. Die eleganteren Prozesse sollten außerdem dazu führen, dass mehr Zeit für die eigentlichen Fachaufgaben der Ämter bleibt. Wichtig waren der Stadt auch verbindliche und einheitliche Standards für alle Nutzer, wie gesagt unter Berücksichtigung umweltfreundlicher, ökologischer und sozialgerechter Kriterien. Das gesamte operative Tagegeschäft – Bestellungen, Anfragen und Reklamationen – sollte vollelektronisch gesteuert und abgebildet werden können. Die konsolidierten Daten sollten außerdem das Reporting und die Erstellung neuer Leistungsverzeichnisse erleichtern.

Insgesamt wollte Erfurt eine eigene und unabhängige Onlineplattform für die Stadtverwaltung, in die sich beliebig Kernsortimente, Rahmen- und Dienstleistungsverträge implementieren lassen. Und dann war da auch noch die weitere Entwicklung. Dass mittlerweile die OZG-Leistung „Elektronischer Bestellprozess“ verpflichtend unterwegs ist, war vor 2011 in dieser Form kaum abzusehen. Es beweist Weitblick, dass Erfurt damals schon eine eigene E-Vergabe auf die Geleise gesetzt hat.

Auf effiziente Datenwirtschaft ausgerichtet

Markterkundung, Projektbeschreibung etc. geschahen unter Beteiligung der relevanten Stakeholder in Organisation, Kämmerei, Rechnungsprüfungsamt und Verdingungsstelle. Nach einem öffentlichen Teilnahmewettbewerb einschließlich Produktpräsentation der beteiligten Anbieter erfolgte dann eine beschränkte Ausschreibung. Am Ende hat Erfurt für seine Zwecke das Einkaufsportal des Dienstleisters TEK-SERVICE AG aus Lörrach gewählt.

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Einstieg in das Erfurter Beschaffungssystem (Bild: Landeshauptstadt Erfurt – TEK-SERVICE AG)

In diesem Shop-System sind alle im Vorfeld durchgeführten Vergaben für gleichartige Bedarfe in Form von elektronischen Katalogen implementiert. Derzeitig gibt es 17 Kataloge mit 3000 gelisteten Artikeln. Sie reichen vom klassischen Büromaterial wie Kopier- und Druckerpapier, Tinte und Toner, über Waschraumhygiene- und Reinigungsbedarf sowie Arbeits- und Wetterschutzbekleidung bis hin zu Backwaren für die kommunalen Kitas. Über eine OCI-Schnittstelle (Open Catalog Interface) sind weitere Kataloge verlinkt, die zur speziellen Bedarfsdeckung etwa bei Werkzeugen, Industrie- und Erste-Hilfe-Bedarf dienen.

Genutzt werden diese Kataloge von ca. 200 Bestellern aller Organisationseinheiten der Verwaltung, der Schulen und Außenstellen sowie der Eigenbetriebe der Stadt. Fehlende Produkte können per Artikelanfrage über das System nachgefragt werden. Die Lieferanten unterbreiten dann ein Angebot, dass nach Bestätigung oder Ablehnung durch die Zentrale Beschaffungsstelle in den Katalog aufgenommen wird. Reklamationen werden ebenfalls über das System bearbeitet und bis zur Lösung verfolgt. Der jährliche Umsatz beträgt derzeit 700.000 Euro, Tendenz steigend.

Alle vorhandenen und neu generierten Daten dienen zur Steuerung des strategischen Einkaufs und werden ebenso für die finanzielle Planung der Kostenstellen herangezogen. Des Weiteren haben sie großen Einfluss auf nachfolgende Vergaben, besonders wichtig sind sie für die Ermittlung des Finanzbedarfs und die Erarbeitung neuer, belastbarer Leistungsverzeichnisse, die seitdem die Grundlage für regelmäßige Ausschreibungen bzw. Vergaben bilden.

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Nachhaltigkeit first: Umweltfreundliche Artikel sind deutlich markiert. (Bild: Landeshauptstadt Erfurt – TEK-SERVICE AG)

Für sämtliche Produkte werden neben den relevanten Produktdaten (und Besonderheiten, falls vorhanden) auch hilfreiche Zusatzinformationen wie Zertifikate, Audits sowie Siegel und Umweltzeichen für die User sichtbar gemacht. Hierzu gehören auch Nachweise sozialer Gerechtigkeit als wichtige Informationen für Besteller und Anwender. Die betreffenden Produkte sind mit einem U für Umweltverträglichkeit bzw. einem S für soziale Gerechtigkeit gekennzeichnet. Alle Kataloge, Informationen, Vertragsbedingungen stehen allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Intranet auch als PDF zur Verfügung.

Eigene Einkaufskriterien, gesundes Pausenbrot

Mittlerweile ist das Einkaufsportal der Stadtverwaltung Erfurt bestens eingefahren, es integriert örtliche Einzelhändler (Buchhändler) ebenso wie Handwerksbetriebe (Bäckereien). Von den 3000 gelisteten Artikeln, sind derzeit 1800 nach Umweltschutzkriterien gekennzeichnet. Davon profitieren nicht nur die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Verwaltung, sondern ganz konkret auch die Bürgerinnen und Bürger.

Zum Beispiel hat das Erfurter Einkaufsteam örtliche Bäcker zu handwerklich gefertigten Backwaren aus Getreide von regionalen Bauern und nahe gelegener Mühle verpflichet. Industrieteiglinge sind ausdrücklich nicht zulässig. Entsprechende Bäckereikataloge wurden in das Erfurter Einkaufsportal übernommen. Unter dem Motto „Gesundes Brot für unsere Erfurter Kinder“ rufen heute Besteller aus Kindergarten, Kindertagesstätten und Schulinternat zweimal pro Woche ihre Bestellungen bei zugeordneten örtlichen Bäckern ab. Ebenso wird Literatur über spezielle Schnittstellen beim örtlichen Buchhandel bestellt. Diese Beispiele zeigen, dass durch die Digitalisierung des Einkaufes Effizienz- und Optimierungsziele sehr gut mit Nachhaltigkeit und Regionalität vereinbar sind.

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