Smart-City-Beispiele in Österreich: Wo Öster­reich energie­smarte Sied­lungen baut

Während Deutsch­land um eine Smart-City-Strategie ringt, sieht sich Austria als Vor­reiter­nation. Nicht nur Wien, sondern auch Salz­burg, Graz oder Klagen­furt haben eigene Smart-City-Ini­tia­ti­ven auf­ge­legt. Neben zeit­ge­mäßen Mo­bi­li­täts­konzepten stehen fast über­all energie­sparende Bau­weisen im Vordergrund.

Meister im Passivhausbau

Von Friedrich List

Weit oben auf der Smart-City-Prioritätenliste stehen der Klimawandel und das Senken der menschenverschuldeten Emissionen. Städte sind zurzeit für über 70 % der CO₂-Emissionen verantwortlich. Und sie verbrauchen fast 76 % der Energie. Zugleich müssen sich die Städte selbst an die Folgen des Klimawandels anpassen. Das alles stellt besondere Anforderungen an den Städtebau und speziell die energetische Ausstattung bzw. Sanierung von Gebäuden. In Österreich wurden in den vergangenen Jahren über 45 Millionen Euro in energieeffiziente Gebäudetechnologien investiert. Dadurch konnten sich Unternehmen in der Alpenrepublik die globale Technologieführerschaft beim Bau von Passivhäusern sichern.

Nationale Smart-City-Initiative

2010 ging in Österreich eine Smart-City-Initiative an den Start, die die Entwicklung und den Einsatz innovativer Technologien in einzelnen Stadtteilen und Quartieren, aber auch kleineren Siedlungen und ganzen Städten fördert. Die Initiative soll die Akteure vor Ort dabei unterstützen, den Übergang zu einer klimaverträglichen und energiesparenden Lebensweise zu finden. Außerdem wollen die Verantwortlichen zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen und hoffen, den Wirtschaftsstandort Österreich auf diese Weise attraktiver zu machen. Bislang hat es acht Ausschreibungsrunden gegeben. Beteiligt haben sich 39 Städte und sechs Regionen. Dazu gehören Wien und alle Landeshauptstädte, aber auch Ballungsräume wie das Rheintal mit 29 Gemeinden in Vorarlberg, Zell am See und Hallein in Salzburg, Amstetten und Korneuburg in Niederösterreich sowie Pinkafeld und Oberwart im Burgenland. Gefördert wurden insgesamt 92 Projekte in Bereichen wie Gebäude, Ver- und Entsorgung, urbane Mobilität, System Stadt oder Grün- und Freiraum.

2013 folgte das Forschungs- und Technologieprogramm Stadt der Zukunft. Hier stehen Gebäude und städtische Energieversorgung, Stadtteile und Quartiere sowie die Stadt selbst mit ihren Verbindungen zum Umland im Mittelpunkt. Im Rahmen dieses Programms haben bisher vier Ausschreibungsrunden stattgefunden.

Beide Programme sollen einander ergänzen. Die Smart-Cities-Initiative des österreichischen Klima- und Energiefonds konzentriert sich auf umfassende Stadtkonzepte sowie Strategien und Demonstrationsvorhaben. Dagegen ist Stadt der Zukunft ein Programm, in dessen Rahmen neue Technologien und Planungsprozesse entstehen sollen.

Serie: Smart City

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Teil 1 gibt eine erste Einführung und stellt als Beispiele die Konzepte in Hamburg, Berlin und Göttingen vor. Teil 2 geht nach Bayern und berichtet, was sich in den Münchner Modellvierteln tut. Teil 3 wechselt über die Grenze nach Österreich – dort hat man nämlich bereits eine nationale Smart-City-Strategie und ist führend im Passivhausbau. Teil 4 stürzt sich dann mitten in die Metropolregion Ruhrgebiet und berichtet unter anderem von der digitalsten Stadt Deutschlands. Den deutschen Südwesten nimmt sich zuletzt Teil 5 dieser Serie vor. Ein Extrabeitrag hat außerdem Beispiele dafür zusammengetragen, was Green IT zur Smart City beitragen kann. (Bild: zapp2photo – Fotolia)

Rahmenstrategie 2050 für Wien

Im März 2017 setzte die Unternehmensberatung Roland Berger Wien auf den ersten Platz ihres Rankings für smarte Städte. Andere und aktuellere Indexe sehen eher Städte in Asien und den USA als Spitzenreiter, platzieren aber europäische Metropolen ebenfalls nahe an der Spitze. Europa gilt sogar als eine der aktivsten Großregionen in Sachen Smart City. Wien konnte im Roland-Berger-Index an die Spitze kommen, weil die Hauptstadt eine breit angelegte Strategie verfolgt, die sich an Kriterien wie Ressourcenschonung, Lebensqualität und Innovation orientiert.

Dabei ist den Verantwortlichen klar, dass Wien auch weiterhin wachsen wird. Die Rahmenstrategie 2050 will denn auch dieses Wachstum mit einem steigenden Anteil an erneuerbaren Energien, neuen Mobilitätskonzepten und energieeffizientem Bauen verbinden. Zugleich soll die Smart City Wien eine Stadt für alle Bewohner sein, trotz der wachsenden wirtschaftlichen Ungleichheiten.

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Im Sommer 2018 fuhren die ersten autonome Elektrobusse der Wiener Linien in der Seestadt Aspern – vorerst nur im Probemodus. (Bild: Wiener Linien – Manfred Helmer)

Bis 2050 soll der CO₂-Ausstoß in Wien um 80 % sinken. Die Hälfte der Energie soll aus erneuerbaren Quellen kommen. Auch der Individualverkehr soll von heute 28 % auf 15 % sinken, indem Fahrräder und öffentliche Verkehrsmittel die Pkw ersetzen. Außerdem sollen bis 2050 alle Autos alternative Antriebe nutzen. Zudem will die Stadt den Energieverbrauch pro Kopf für Heizen, Kühlen und Warmwasser jedes Jahr um 1 % senken. Deswegen macht die Stadt den Niedrigenergiestandard für Neubauten wie für Sanierungen von Häusern verbindlich. Außerdem hat Wien vor, seinen Grünanteil von 50 % halten.

Modellhaft wird das im 22. Bezirk, in Aspern, deutlich. Die Verantwortlichen planen hier einen neuen Stadtteil für rund 20.000 Menschen. In den nächsten 20 Jahren soll in einem der größten Entwicklungsprojekte eine Stadt der kurzen Wege entstehen, deren Bewohner ganz ohne Auto auskommen. Das soll durch die Gestaltung des öffentlichen Raums und den Nahverkehr ermöglicht werden. Außerdem entstehen in Aspern seit 2011 Versuchsbauten für nachhaltiges Selberbauen, regenerative Energielösungen sowie zeitgemäße Formen von Gartenbau. Möglicherweise kommt der Gemeinschaftsgarten in der Smart City zu neuen Ehren.

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Bereits im Oktober 2017 ließ die Pilotfabrik Industrie 4.0 der TU Wien im Technologiezentrum Seestadt Aspern die industrielle Forschung anlaufen. Einer der Schwerpunkte ist die Mensch-Maschine-Kollaboration. (Bild: Matthias Heisler – TU Wien)

Masterplan 2025 in Salzburg

Die Stadt Salzburg gab sich 2012 einen Masterplan 2025, der ähnlich wie das Wiener Konzept einen niedrigeren CO₂-Ausstoß, umweltverträgliche Mobilitätslösungen, ökologisches Bauen und den Umstieg auf regenerative Energien vorsieht. Der Energieverbrauch soll denn auch bis 2050 im Vergleich zu 2010 um 30 % sinken. Gleichzeitig soll dann rund ein Drittel aller Energie aus erneuerbaren Quellen kommen. Zum Masterplan gehört auch ein sogenanntes Smart Grid, ein intelligentes Netz von Verbrauchern auf der einen Seite, Wärme- und Stromerzeugern auf der anderen. Es soll ab 2025 Standard sein.

Eines der Leuchtturmprojekte des Masterplans ist Salzburgs erstes Plusenergiehaus, die Sporthalle Liefering. Sie ist voll solar beheizt und deckt auch ihren Strombedarf aus einer Fotovoltaikanlage. Im Sommer versorgt die Überschussenergie benachbarte Gebäude mit. Außerdem enthalten die Lüftungsanlagen Vorrichtungen zur Wärmerückgewinnung und sorgen so für weitere Einsparung.

Für Elektrizität sorgt das 2013 in Betrieb genommene Kraftwerk Sohlstufe Lehen. Es liegt in der Salzach zwischen den Stadtteilen Lehen und Itzling. Das Laufwasserkraftwerk versorgt 23.000 Haushalte und verbessert außerdem den Hochwasserschutz. Das Kraftwerk erhielt 2014 den Europäischen Betonbaupreis.

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Schwarz auf Weiß
Dieser Beitrag erschien zuerst in unserer Heise-Beilagenreihe „IT-Unternehmen aus Österreich stellen sich vor“. Einen Überblick mit freien Download-Links zu sämtlichen Einzelheften bekommen Sie online im Pressezentrum des MittelstandsWiki.

Im Stadtteil Lehen entstand außerdem das Stadtwerk Lehen mit rund 300 Wohnungen, Geschäfts- und Büroflächen, Kindergarten und Studentenheim sowie dem „Life Science“-Komplex. Hier verwirklichten die Verantwortlichen zum ersten Mal ein nachhaltiges Energiekonzept für einen ganzen Stadtteil. Dazu gehören 2000 m² Sonnenkollektorfläche, eine über 250 m² große Fotovoltaikfläche, ein 200.000 l fassender Pufferspeicher und ein Niedrigtemperaturmikronetz zur Wärmeversorgung. Im Stadtteil Itzling könnte die Modernisierung der Goethesiedlung außerdem ein weiteres Leuchtturmprojekt werden. Eine Studie hat ergeben, dass es möglich ist, hier eine so gut wie CO₂-neutrale Energieversorgung aufzubauen. Auch weitere Quartiere Salzburgs werden in absehbarer Zukunft mit Blick auf emissionsarme Energieversorgung modernisiert.

Im Teilbereich Mobilität sieht der Masterplan den weitgehenden Ersatz des Individualverkehrs durch einen Mix aus Radfahren, Fußwegen, öffentlichen Verkehrsmitteln und kommerziell verfügbaren Leihfahrzeugen vor. Fahrzeuge sollen entweder elektrisch oder mit anderen nachhaltigen Energieträgern wie Biogas betrieben werden. Den innerstädtischen Lieferverkehr sollen Elektrofahrzeuge übernehmen. Dagegen würden kommunale Fahrzeuge wie Busse oder Müllsammelfahrzeuge beispielsweise mit Biogas betrieben.

Vom Stadtkonzept zur Smart Region

Smart-City-Strategien verfolgen auch die Landeshauptstädte, etwa Graz oder Innsbruck. Andere große Städte, etwa Klagenfurt oder Villach in Kärnten, arbeiten ebenso daran, intelligente Zukunftsstädte zu werden. Dazu gehört die zeitgemäße Modernisierung der historischen Bausubstanz, aber auch die ökologisch angemessene Errichtung neuer Stadtquartiere. Bei der Neugestaltung der Energie- und Wärmeversorgung stehen nachhaltige Energiequellen im Vordergrund. Hier soll das Zusammenspiel von Wärmedämmung, durch intelligente Software gemanagte Versorgungsnetze und Technologien wie der Fotovoltaik gewährleistet werden, dass der CO₂-Ausstoß langfristig sinkt oder sogar gegen null geht.

Die Verantwortlichen legen großen Wert auf Mobilität der Bewohner, aber es soll nicht länger der von Verbrennern aller Art geprägte Individualverkehr dominieren, sondern eine Kombination verschiedener Systeme und Lösungen. Das können Leihfahrzeuge oder Leihfahrräder sein, aber auch öffentliche Verkehrsmittel, deren Energie aus erneuerbaren Quellen kommt.

Neben dem Zentrum Wien und den größeren Städten haben sich viele Regionen und Kommunen auf den Weg in die nachhaltige, vernetzte und daher „smarte“ Zukunft gemacht. So hat sich Vorarlberg zum Ziel gesetzt, seinen Energiebedarf ab 2050 komplett aus erneuerbaren Energien zu decken. Die meisten Vorarlberger leben im Rheintal mit seinen 29 Gemeinden. Das Projekt SmartCity Rheintal umfasst emissionsfreie Elemente in den drei Stadt- oder Ortsteilen in Bregenz, Hard und Feldkirch und soll so einen Beitrag zur Umstellung auf erneuerbare Energien leisten. Ähnliche Ziele verfolgt die Stadt Marchtrenk, die zwischen Linz und Wels liegt. Hier prognostizieren Experten die Entwicklung zu einem urbanen Ballungszentrum. Im Projekt sMARchTrenk entstand nun ein Konzept zur zeitgemäßen Ausgestaltung der Region. Dazu gehört ein smarter Stadtteil, in dem neben nachhaltigen Mobilitätslösungen auch Energiesparsysteme zur Versorgung mit Strom und Wärme eingesetzt werden.

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Friedrich List ist Journalist und Buch­autor in Hamburg. Seit Anfang des Jahr­hunderts schreibt er über Themen aus Computer­welt und IT, aber auch aus Forschung, Fliegerei und Raum­fahrt, u.a. für Heise-Print- und Online-Publikationen. Für ihn ist SEO genauso interessant wie Alexander Gersts nächster Flug zur Inter­nationalen Raum­station. Außerdem erzählt er auch gerne Geschichten aus seiner Heimatstadt.

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