1. BPI-Anwender-Roundtable, Teil 2

IT und Business müssen einander verstehen

Von Christoph Witte, Wittcomm

Bei der Balance zwischen Standardisierung auf der einen Seite und Flexibilität sowie der Berücksichtigung von landesspezifischen Variablen auf der anderen Seite soll das Projekt „Business to IT“ helfen. Beim 1. BPI-Roundtable erklärte Dr. Johannes Lorenz, wie dieses Konzept der Messe München, funktioniert: Mitarbeiter in zunächst ausgewählten Fachbereichen sollen letztlich mit mehr Prozesswissen zu einer passenderen IT-Unterstützung beitragen. „Die Frage für uns lautet: Wie bringen wir Business und IT näher zusammen?“

Das funktioniert z.B. über eine gemeinsame Sprache, mit der die Fachbereiche in den ausgewählten Bereichen ihre Prozesse und ihre Anforderungen beschreiben; außerdem sollen die Bereiche angeben, was sie sich von der Benutzeroberfläche erwarten. Dr. Johannes Lorenz: „Auf dieser Basis bekommen wir in der IT Lastenhefte, die drei wesentliche Informationen enthalten: die fachliche Beschreibung, die Anforderungen an die Oberfläche und die Informationsflüsse zu anderen Bereichen. Auf diese Weise kann die IT effektiver arbeiten, weil wir nicht irgendeine Lösung über den Zaun werfen, sondern sehr konkret wissen, was das Business will.“ Außerdem gebe die klare Beschreibung auch sehr deutliche Hinweise darauf, wo Abweichungen vom Standard nötig und wo sie nur Kosmetik sind.

Das Projekt Business to IT begann Anfang 2013. Die ersten Ergebnisse sind sehr vielversprechend. „So bekommen wir vom Business Lastenhefte, mit denen wir tatsächlich gute Pflichtenhefte schreiben können. Das Projekt Business to IT ist auch deshalb so wichtig, weil wir im nächsten Jahr unsere Messeabwicklungssoftware komplett erneuern wollen. Das hat am meisten Aussicht auf Erfolg, wenn Business und IT wissen, wovon sie reden.“

Prozessgestaltung und Erfolg hängen zusammen

Diesen unmittelbaren Zusammenhang zwischen Business- und IT-Seite beleuchtet auch die BPI-Branchenstudie zur mittelständischen Dienstleistungsbranche. Der Business Performance Index Mittelstand 2013 D/A/CH Dienstleistung schildert u.a., wie gut die Prozesse in mittelgroßen Dienstleistungsunternehmen mit Informationstechnik unterstützt werden. In dieser seit 2011 ebenfalls bereits zum dritten Mal erhobenen Studie wird deutlich, dass Dienstleistungsunternehmen in diesem Bereich teilweise noch Nachholbedarf haben.

Serie: BPI-Anwender-Roundtable 2013
Teil 1 stellt die Teilnehmer vor und unterstreicht die Relevanz der Prozessqualität für den Unternehmenserfolg. Teil 2 geht genauer auf die schwierige Balance zwischen Standardisierung und Offenheit ein. Die Ansätze sind vielversprechend.

Im Durchschnitt erreichen die befragten Unternehmen in Sachen IT-Unterstützung mit 64,2 von 100 möglichen Punkten zwar einen durchaus respektablen Wert, aber verschiedene Subbranchen schneiden deutlich schlechter ab. So kommt z.B. die Servicesparte Immobilien hier nur auf 59,3 Punkte. Das ist zu wenig, als dass IT nachhaltig zum Prozesserfolg und damit zum Unternehmenserfolg beitragen könnte. „Betrachtet man die Unternehmen, die in der BPI-Mittelstandsstudie in Sachen IT-Unterstützung die meisten Punkte erreichen, wird schnell sichtbar, dass sie auf eine IT setzen, mit der sie ihre Prozesse in den Bereichen mit Standardsoftware unterstützen, wo Skaleneffekte erzeugt werden können, und dort Individualität zulassen, wo Flexibilität gefragt ist“, erklärte Peter Burghardt von techconsult anlässlich der Vorstellung des Dienstleistungs-BPI.

Automatisierung stößt auf Sonderfälle

Was für die IT gilt, ist auch für die Prozesse selbst bedeutsam. Die richtige Mischung aus Standardisierung und Flexibilität bezeichnet Lorenz von der Messe München im Roundtable-Gespräch als „Königsklasse“. „Wir versuchen dabei, das Toyota-Prinzip umzusetzen: Bewährte Komponenten kommen unter eine neue Haube.“ Dabei will die Messe Standards gefunden finden, um konstante Qualität zu minimalen Kosten leisten zu können. Das dürfe allerdings nicht zum Korsett werden.

Diese Meinung vertritt auch Dr. Andreas Tremel, Geschäftsführer von InLoox. Das 1999 in München gegründete Unternehmen entwickelt professionelle, in Microsoft Outlook und Microsoft-Exchange-Server integrierte Unternehmensanwendungen, die Geschäftsprozesse vereinfachen und beschleunigen sollen. Flaggschiffprodukt ist das gleichnamige InLoox, eine Software für Projektmanagement, die mittlerweile bei 20 % der DAX-Unternehmen und bei mehr als 35.000 Anwendern weltweit im Einsatz ist. Das Kerngeschäft ist der Vertrieb von Softwarelizenzen und Services. Zu Letzteren zählen Beratung, Schulung, Implementierung, Support und Services für Software-Investitionen. Das Unternehmen agiert weltweit und ist über das InLoox-Partnernetzwerk regional für Kunden präsent.

Bei der Automatisierung des Bestellprozesses entstand allerdings ein Problem. „Als wir unseren Online-Store 2008 eröffneten“, berichtet Tremel, „waren wir zunächst von seiner Funktionalität begeistert. Mit ihm lässt sich z.B. Software automatisch weltweit verteilen. Als dann aber sehr schnell auffiel, dass sich individuell vereinbarte Staffelpreise im Billing-Baustein des Stores nicht abbilden ließen, trübte sich die Euphorie. „Irgendwann haben wir dann entschieden, Spezialitäten weiter von Fall zu Fall zu entscheiden und nicht bis ins kleinste Detail zu automatisieren.“ Mit diesem Beispiel will Tremel einen seiner Leitsätze illustrieren: „Man darf nicht alles stur in Algorithmen gießen, manchmal ist es besser zu improvisieren, um flexibel zu bleiben.“

Genug Spielraum zum Improvisieren

Die Möglichkeit zur Improvisation ist auch für Klüber Lubrication wichtig. „Bei Kundenwünschen sind wir gut im Improvisieren. Dafür haben wir den Spielraum in unseren Prozessen vorgesehen,“ sagt Elsner. Kein Pardon gebe es indes bei Rezepturen für chemische Produkte, Dokumentationen oder Frachtpapieren.

„Prozesse schaffen Ordnung und sorgen für Transparenz“. Wie sie aufzusetzen sind, dafür tragen die Fachbereichsleiter die Verantwortung. „Es ist ein Fehler, wenn eine IT-Abteilung sich soweit einbringt, dass sie Verantwortung für Prozesse in Fachbereichen übernimmt“, erklärt Elsner das bei Klüber herrschende Paradigma. Denn die Bereichsleiter im Vertrieb, in Produktion oder Logistik, „kennen doch ihr Geschäft“. Die IT könne nur im Sinne von Consulting und Unterstützung beim Betreiben helfen und vielleicht noch die Schnittstellen zwischen den Abläufen und Prozessen managen und verknüpfen. „Prozessverantwortung gehört glasklar in die Fachbereiche. Jeder IT-Leiter, der sich anmaßt, für die Prozesse im Unternehmen zuständig zu sein, macht einen Fehler,“ postuliert Elsner.

Dass in diesem Zusammenspiel von Business und IT durchaus noch Verbesserungspotenzial steckt, machen einmal mehr die Ergebnisse des Business Performance Index deutlich. In den Branchenstudien Fertigung und Dienstleistung wird auch nach Relevanz und Zufriedenheit mit dem Unternehmensbereich IT-Organisation gefragt. Darin zeigt sich: Von insgesamt neun Unternehmensbereichen platzieren die Fertiger ihre IT-Organisation auf einem eher mageren sechsten Rang. Bei den Dienstleistern schneidet die IT bei elf untersuchten Unternehmensbereichen mit einem sechsten Rang nur etwas besser ab.

Business Performance Index

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Jeder Mittelständler kann den BPI für sein Unter­nehmen als Benchmark-Werk­zeug nutzen. Dazu muss man lediglich den Frage­bogen unter www.business-performance-index.de aus­füllen. Die Ant­worten werden aus­ge­wertet und zeigen, wo das Unter­nehmen im Vergleich zum unmittel­baren Wett­bewerb (Branche, Sub­branche, Größen­klasse) steht. Damit lassen sich eigene Stärken und Schwächen analysieren. Die Unternehmens­daten bleiben selbst­verständlich anonym.

Eingehende Einzeldarstellungen gibt es im MittelstandsWiki zu den folgenden Ausgaben:

Weitere Informationen zum BPI insgesamt und zu den Einzel­berichten BPI Fertigung, BPI-Dienstleistung und BPI-Handel findet man unter www.business-performance-index.de. Dort stehen alle Berichte auch zum kostenfreien Download bereit.

Fazit: Getrennt marschieren, vereint schlagen

Insgesamt jedoch, so das Fazit der Roundtable-Teilnehmer, hat sich die Zusammenarbeit zwischen IT und den Fachbereichen in den letzten Jahren auch bei der Prozessgestaltung deutlich verändert. „Die Fachbereiche haben in den vergangenen Jahren sehr viel IT-Kompetenz aufgebaut. Sie wissen sehr viel mehr über die Möglichkeiten und Beschränkungen von IT. Deshalb können Prozesse nur im Zusammenspiel von IT und Business gestaltet und optimiert werden. IT-ler müssen die Geschäftsmodelle und -Praktiken verstehen, und der Fachbereich braucht IT-Kompetenz“, fomuliert Elsner stellvertretend für den Rest der Runde.

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