Feuerwehr-Drohnen: Was Blaulicht-Drohnen besser können

Nicht nur wenn es brennt, sondern auch bei Bergungen und Sucheinsätzen sind die Feuerwehren oft erste Ansprechpartner. Der Erfolg dieser lebenswichtigen Aufgaben hängt davon ab, möglichst rasch die Lage vor Ort richtig einschätzen zu können. Drohnen spielen dabei zunehmend eine entscheidende Rolle.

Blaulicht-Drohnen bewähren sich

Von Michael Praschma

Neusiedler See, 1. März 2023: Ein Schilfbrand breitet sich rasch aus, zahlreiche Feuerwehren sind alarmiert und im Einsatz. Darunter auch die Wehr aus Pinkafeld. Seit knapp zwei Monaten verfügt sie im Rahmen eines Pilotprojekts über eine eigene Drohne, die hier ihre erste Bewährungsprobe erfährt. Der Einsatz beginnt nachts – kein Problem, das kann das Gerät. Martin Ulreich ist Zugskommandant bei der Feuerwehr Pinkafeld und gleichzeitig Leiter des Sachgebiets Drohnen beim Landesfeuerwehrverband. Er berichtet, dass es mithilfe der Drohne möglich war, das Gebiet schnell zu erkunden und wertvolle Informationen an die Einsatzleitung zu übermitteln – und zwar besser, als dies mit einem Hubschrauber möglich gewesen wäre.

Schneller, einfacher, günstiger

Bei vielen Einsätzen stehen Menschenleben auf dem Spiel. Oder erhebliche Sachwerte. Und in der Regel entscheidet Schnelligkeit darüber, ob bzw. wie gut eine Rettung oder die Bergung von Verletzten gelingt, ob Gebäude und andere Objekte komplett niederbrennen oder zumindest teilweise erhalten werden können. Für Feuerwehren ebenso wie für die Rettung und andere Blaulichtorganisationen hat dabei natürlich oberste Priorität, den Einsatzzweck zu erfüllen. Wird z.B. ein Hubschrauber benötigt, dann fordert die Einsatzleitung ihn auch an.

„Zweckmäßig“ kann dabei durchaus bedeuten, erhebliche Kosten in Kauf zu nehmen. Eine Bergrettung mit dem Hubschrauber etwa kann – ohne Notarztkosten! – bis zu 3500 Euro kosten. Stehen Menschenleben auf dem Spiel oder geht es um erhebliche Gefahrensituationen und ist ein Hubschraubereinsatz notwendig, werden die Verantwortlichen den Einsatz selbstverständlich einleiten. Allerdings sind Drohnen eben heute in manchen Fällen durchaus eine mögliche Alternative, mitunter in Situationen, wo der Hubschrauber z.B. aus Sicherheitsgründen nicht fliegen würde. Gründe dafür können etwa schlechte Sichtverhältnisse sein.

Ist eine Feuerwehr selbst mit einer Drohne ausgerüstet oder ist diese in der Nähe stationiert, kann sie schneller am Einsatzort sein, eventuell gezielter und variabler operieren und auf den Bedarf der Einsatzkräfte ausgerichtet werden – und dies zu einem Bruchteil der Kosten eines Hubschraubers.

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Breites Einsatzspektrum

Schon heute erproben und praktizieren die österreichischen Landesfeuerwehrverbände den Einsatz von Feuerwehrdrohnen. Die Kosten für Gerät und Ausstattung liegen bei 25.000 Euro und werden vom Land getragen. Auch einzelne Feuerwehren haben schon begonnen, ihre Möglichkeiten durch Drohnen zu optimieren.

Nach der Testphase soll z.B. jeder burgenländische Bezirk mit einer Drohne ausgestattet werden. Die dort eingesetzte Drohne DJI M30T wurde speziell für BOS (Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben) wie Feuerwehren, Rotes Kreuz, Berg- oder Wasserrettung entwickelt. Sie hat eine hochauflösende Weitwinkelkamera mit 200-fachem Zoom, eine hochwertige Wärmebildkamera sowie einen Laserdistanzmesser und kann auch bei schlechter Sicht fliegen.

Das Feld der Einsatzmöglichkeiten ist weit – und teils überraschend. In manchen Fällen fliegt die Feuerwehr auch zur Unterstützung anderer Blaulichtorganisationen:

  • nächtliche Suche nach einem ausgebrochenen Stier, der bereits Menschen verletzt hat,
  • Luftaufklärung, z.B. Lagedarstellung bei Bränden,
  • Luftaufnahmen zur Dokumentation nach einem Verkehrsunfall,
  • Vermisstensuche – oft zusätzlich zu Hubschraubern oder Hundestaffeln,
  • Vegetations- und Waldbrandbekämpfung,
  • allgemein die Erkundung schwer begeh- und befahrbarer Einsatzstellen,
  • Eindringen in Bereiche, die für Einsatzkräfte (etwa wegen Einsturzrisikos) zu gefährlich sind,
  • Ortung von verbliebenen Glutnestern nach Löschung,
  • Überwachung und Dokumentation von Einsätzen und Übungen sowie Unterstützung des Kampfmittelräumdiensts und der Wasserrettung.

Mit einer Suche bei YouTube, z.B. mit dem Suchbegriff „Feuerwehrdrohnen im Einsatz“ finden sich viele Videos zur Praxis des Einsatzes und zum verwendeten Gerät.

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Im Einsatzspektrum von BOS-Drohnen ist speziell die Wärmebildkamera hilfreich, die bei der Ortung von Glutnestern ebenso zum Einsatz kommt wie bei der Vermisstensuche. (Bild: Bezirksfeuerwehrverband Kufstein)

Rasche Professionalisierung

Vorreiter bei den Feuerwehrdrohnen war das Landesfeuerwehrkommando in Tirol. Dort hat man bereits 2018 begonnen, Drohnen hauptsächlich zur Personensuche und bei Bränden zu nutzen. Auf ein hohes fachliches Niveau wurde das durch ein Projekt mit der FH Kufstein gestellt, bei dem Wissenschaft, Industrie und Anwender von 2019 bis 2022 zusammenarbeiteten.

Impuls für dieses Projekt war ein Beinahe-Katastrophenfall: Ein Güterzug war in einem sehr unzugänglichen Gebiet entgleist, das nur aufwendig zu Fuß erreichbar war. In mehreren Waggons befand sich flüssiges Chlor, das eventuell ausgetreten war. In diesem Fall wäre vor Ort wegen des hochgiftigen Chlorgases schweres Atemschutzgerät erforderlich gewesen, außerdem unter Umständen eine Evakuierung tieferliegender Gebiete – auch großer Teile der Stadt Innsbruck. Naheliegend war also der Gedanke, Gassensoren nicht wie üblich mit Personen zum Unfallort zu bringen, sondern mittels einer Drohne.

Für dieses Szenario ergab das Projekt, dass eine First Response Unit (FRU) mit einer bestimmten Drohne – dem Modell DJI Matrice 300 RTK – in der Lage ist, geeignete Sensoren rasch zum Unfallort zu transportieren. Die Drohne kann dann durch ihre autarke Übertragungstechnologie Sensordaten zu einer Basisstation übertragen.

Fundierte Ausbildung

Drohnenpiloten werden inzwischen professionell ausgebildet, z.B bei Lehrgängen in Zusammenarbeit mit der Austro Control, dem ÖAMTC und einer Flugschule. Im Rahmen des Innenministeriums finden Ausbildungen für den Tag- und Nachtflug von zertifizierten Drohnenpiloten bzw. Operatoren mit praktischer Prüfungsabnahme statt; die Theorieprüfung übernimmt Austro Control. Die Ausbildung umfasst unter anderem Flugeinsatzübungen bei Tag und Nacht, Kenntnisse im Bereich Luftrecht, Meteorologie, Gerätekunde und Datenschutz, Übungen im Auswerten und Interpretieren von Wärmebildern sowie Pilotenüberprüfungen und Übungen spätestens alle 90 Tage.

DJI, der Drohnenlieferant für österreichische BOS-Organisationen, bietet inzwischen auch die Trainingssoftware für einen Drohnenflugsimulator an, der Drohnenpiloten risikolos Übung im Umgang mit dem Gerät vermittelt.

Kein rechtsfreier Raum

Die heute eingesetzten Feuerwehrdrohnen sind ein anderes Kaliber als die überall frei erhältlichen Spielzeuge, die unter bestimmten Bedingungen jedes Kind steigen lassen kann. Für professionelles Gerät gelten die gemeinsamen Vorschriften für die Zivilluftfahrt laut EU-(Grund-)Verordnung 2018/1139, und zwar auch für BOS-Organisationen, allerdings nicht für die Polizei; die folgt dem österreichischen Luftfahrtgesetz.

Ein EU-Drohnenregulativ regelt seit Ende 2020 die Registrierung von Drohnen und Piloten, außerdem deren Ausbildung. Eine Anpassung des Luftfahrtgesetzes harmonisiert inzwischen die Bestimmungen, sodass für BOS-Drohnen dasselbe wie für Polizeihubschrauber gilt – z.B. dass Nachtflüge als „Flüge auf Sicht“ gelten und es dafür keine zeitlichen Beschränkungen mehr gibt. Bei der Durchführung sind „sehr sorgfältig Checklisten abzuarbeiten, um einen Start zu ermöglichen. Die Checklisten umfassen z.B. die vom Hersteller geforderten Vorflugchecks genauso wie die Verständigungspflichten zu anderen Fluggerätebetreibern wie Hubschrauberstützpunkten, Behörden, Flugplatzbetreiber usw.“, sagt Andreas Oblasser von der Bezirksfeuerwehr in Kufstein.

Eine „Neu-Definition des Luftraums und ein eigenes Verkehrsmanagementsystem (UTM – Unmanned Aircraft System Traffic Management)“ ist nach Vorstellungen von Austro Control für den sicheren Drohnenbetrieb der Zukunft erforderlich. Zu diesem System gehören etwa die Übermittlung von Drohnenflugplänen, Warnungen vor gesperrten Lufträumen und die Freigabe spezieller Lufträume für den Einflug durch die Flugsicherung.

Umgesetzt werden diese Vorschriften in der Praxis durch Richtlinien von Landesfeuerwehrverbänden wie dem von Oberösterreich. Hier ist z.B. geregelt, wer eine Drohne steuern darf, wie die Sicherheit bei Nutzung desselben Luftraums durch bemannte Luftfahrzeuge gewährleistet ist oder wann gefährliche Stoffe transportiert werden dürfen.

Aktuelle Drohnenforschung

Über Drohnen forscht derzeit unter anderem die TU Graz. Löschdrohnen sind dabei eines der Forschungsfelder, aber auch rechtliche Gesichtspunkte beim Drohneneinsatz, z.B. um den Einsatz schwerer, spezialisierter Drohnen in Stadtgebieten zu ermöglichen. Technisch sind diese Geräte bereits ausgereift. Für solche Drohneneinsätze werden erhöhte Sicherheits- und Qualitätsstandards gefordert werden.

Um Training und Testung von Piloten, die bis jetzt je nach Bundesland und BOS individuell geregelt sind, kontrolliert und wiederholbar nachweisen zu können, forscht die FF TU Graz an der Implementierung eines speziellen Teststandards für die Anforderungen von Zivilschutzbehörden. Zusätzlich werden standardisierte Trainingsunterlagen erstellt und erprobt. Der Feuerwehrdrohneneinsatz hat noch Entwicklungspotenzial.

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Michael Praschma ist Texter, Lektor und Redakteur. Er beherrscht so unterschiedliche Gattungen wie Werbetext, Direct Marketing, Claims, Webtext, Ghostwriting, Manuals oder PR. Außerdem treibt er sich – schreibend und anderweitig engagiert – in Journalistik, Non-profit-Organisationen und Kulturwesen herum. Seine Kunden kommen aus verschiedensten Branchen. Am MittelstandsWiki schätzt er die Möglichkeit, mit eigenen Recherchen auf den Punkt zu bringen, was Verantwortliche in Unternehmen interessiert. → https://praschma.com/

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