Freikühlung: Warum Rechen­­zentrums­­anbieter an den Polar­­kreis ziehen

Eine ganz­jährig relativ stabile Temperatur­differenz von fünf Grad zwischen RZ und Um­gebung ist per­fekt für ein direktes oder in­direktes Frei­kühl­system, das mit der Außen­luft arbeitet. Wer bei der Klimati­sierung auf große Geräte und Kom­pressoren ver­zichten kann, spart sauber Energiekosten.

Freikühlung für alle!

Von Christian Kallenbach, Director Business Development, Verne Global

Während die Leistungsdichte in modernen Rechenzentren kontinuierlich zunimmt, wächst im gleichen Maße auch der Energiebedarf für die Stromversorgung und für eine effiziente Kühlung der Systeme. Analysen haben wiederholt gezeigt, dass durchschnittlich nur etwas mehr als die Hälfte des Energiebedarfs auf die eigentliche IT zurückgeht. Den anderen Teil verbraucht die versorgende Infrastruktur: unterbrechungsfreie Stromversorgung (USV) und vor allem die Klimatisierung. In Zahlen: Laut Bitkom-Leitfaden „Energieeffizienz in Rechenzentren“ (2015) lassen sich beispielsweise für ein deutsches Rechenzentrum mit 1000 m² Fläche nur 59 % des gesamten Stromverbrauchs der IT-Landschaft aus Servern, Netzwerk und Storage zurechnen. Aus energetischer Sicht sollten Rechenzentrumsbetreiber ihr Augenmerk besonders auf die Kühlung richten. Denn darauf entfallen laut Bitkom bis zu 22 % des Gesamtenergieverbrauchs. Entsprechend groß ist das Sparpotenzial, das in diesem Faktor steckt: Mit dem richtigen Standort und der passenden Technologie lassen sich deutlich Energie und Kosten sparen.

RZ-Standort im frischen Norden

Die Freikühlung durch die Umgebungsluft hat sich erst in den letzten Jahren zu einem stärker nachgefragten Anlagensystem entwickelt. Grundsätzlich ist freie Kühlung möglich, sobald die Außentemperatur circa ein Grad unter der Rücklauftemperatur liegt. Ideal ist es allerdings, wenn die Außentemperatur etwa fünf Grad darunter liegt. Denn ist die Außenluft zu kalt, muss ein gewisser Anteil aus dem Rechenzentrum beigemischt werden, damit die Luft für die Server korrekt temperiert ist. Ist die Außenluft zu warm, muss zusätzlich mechanisch gekühlt werden. Dann springen mit Wasser oder Kältemittel betriebene Kühlsysteme für Leistungsspitzen in den heißen Sommermonaten ein. Die Zulufttemperatur wird heute gemäß ASHRAE-Empfehlung TC 9.9 (2011) zwischen 18 und 27˚ C eingeregelt, woraus Rücklufttemperaturen von 25 bis 40˚ C resultieren.

An Standorten mit sehr hohen Jahresdurchschnittstemperaturen ist die direkte freie Kühlung daher wenig sinnvoll. Tatsächlich passen die Temperaturen in nur wenigen Ländern für echte Freikühlung – die sich dann aber kräftig auszahlt und nur geringe operative Kosten aufwirft. Es bieten sich vor allem Standorte im Norden Europas an, wo Freikühlung das ganze Jahr über möglich ist. Island beispielsweise hat ein konstant kühles Klima – die Durchschnittstemperatur liegt zwischen 5 und 13˚ C winters wie sommers – und speist seine Energie bereits aus hundertprozentig erneuerbaren Energien. Immer mehr, vor allem große Unternehmen, darunter Facebook und BMW, haben diesen Trend erkannt und siedeln ihr Rechenzentrum in Ländern nahe dem Polarkreis an oder lagern HPC-intensive Anwendungen (High Performance Computing) dorthin aus, wo sich die Server mit kalter Luft kühlen lassen. Das rechnet sich und verbessert die CO2-Bilanz der Unternehmen.

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365 Tage im Jahr luftgekühlt: das rund 178.000 m² große Colocation-RZ von Verne Global am Standort Keflavík auf Island. (Bild: Fred Rollison Photography – Verne Global)

Direkte und indirekte Freikühlung

Man unterscheidet zwischen direkter und indirekter Freikühlung. Direkte Freikühlung funktioniert nach einem einfachen Prinzip: Kalte Luft von außen dringt in das Rechenzentrum ein, wird gefiltert und direkt zur Kühlung verwendet – ähnlich wie bei einer Durchzugslüftung. Dabei wird die durch die IT-Komponenten erwärmte Luft durch kältere Außenluft ersetzt. Die Abwärme muss dann noch aus dem Serverraum oder Data Center abgeführt werden. Technisch gesehen handelt es sich um einen Hitzetransfer beziehungsweise Luftaustausch. Schwierig an dieser Lösung ist aber nicht allein die richtige Temperatur, sondern auch die Luftfeuchtigkeit. Zu trockene oder zu feuchte Luft kann, ebenso wie zu viel Hitze oder Kälte, die Leistung der Server und deren Lebensdauer negativ beeinflussen. Hier kommt die indirekte Freikühlung ins Spiel.

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Unternehmen wie Facebook und BMW lagern ihre Rechenzentren an den Polarkreis aus. Island etwa hat ein konstant kühles Klima – die Durchschnittstemperatur liegt ganzjährig zwischen 5 und 13 ˚C. (Bild: Fred Rollison Photography – Verne Global)

Bei der indirekten Kühlung besteht – anders als bei der direkten freien Kühlung – kein direkter Kontakt zwischen dem Kühlmedium und der Raumluft. Der Hitzeaustausch erfolgt über ein Medium, üblicherweise eine Flüssigkeit. Hier lassen sich verschiedene Varianten unterscheiden. Beispielsweise kann die Kühlung über einen Kaltwasserkreislauf erfolgen, oder die Wärme wird an einen zweiten kalten Luftstrom abgeführt. Im Allgemeinen interagiert die Außenluft über Wärmetauscher zunächst mit einem Wasser-Glykol-Gemisch und kühlt so den IT-Raum indirekt. Die erwärmte Flüssigkeit wird zur Rückkühleinrichtung geleitet, von wo die Hitze nach außen abtransportiert wird. Das Glykol verhindert das Gefrieren des Wassers außerhalb des Gebäudes, wo die Außentemperaturen auch mal unter den Gefrierpunkt sinken können.

Hybride Freikühlung mit Steuerung

Eine dritte Variante ermöglicht sogar einen Wechsel zwischen beiden Methoden, von direkt zu indirekt und umgekehrt. Bei der hybriden Freikühlung ist ein Klimagerät mit zwei Loops ausgestattet, die auf beide Betriebsmodi ausgelegt sind. Die interne Kontrolle wählt die optimale Kühlung und wechselt automatisch den Modus innerhalb des Geräts. Für die Steuerung der hybriden Freikühlung ist auch die Integration von PLC-Controllern (Programmable Logic Controller) möglich. Diese spielen für das automatische Umschalten von der direkten zur indirekten Freikühlung eine wichtige Rolle: Als programmierbare Anlagensteuerung erhalten sie durch Sensoren eine Rückmeldung über die Außentemperatur und wählen bei entsprechenden Grenzwerten automatisch die jeweils effizienteste Kühlmethode.

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Schwarz auf Weiß
Dieser Beitrag erschien zuerst in unserer Magazin­reihe „Rechen­zentren und Infra­struktur“. Einen Über­blick mit freien Download-Links zu sämtlichen Einzelheften bekommen Sie online im Pressezentrum des MittelstandsWiki.

Warum der Wechsel von direkter zu indirekter Freikühlung (oder umgekehrt) notwendig ist, ist leicht zu erklären: Nicht alle Applikationen und IT-Komponenten sind gleich sensibel und benötigen dieselbe strenge Kontrolle von Temperatur und Luftfeuchtigkeit – und dementsprechend dieselbe Kühlung. Hier bietet sich eine Einteilung der Hardware innerhalb desselben Campus an, je nach Bedürfnis der Komponente, nach Latenz und kritischen Daten. Je ausgefeilter das Rechenzentrum designt ist, desto mehr kann die Lösung dem jeweiligen Kunden angepasst werden. Unterm Strich lassen sich auf diese Weise bis zu 50 % der Kosten beim Cooling einsparen.

Grundsätzlich kann die Kühlung auf Raum- oder auf Rack-Ebene erfolgen. Für besonders hohe Leistungsdichten, zum Beispiel bei HPC-Hochleistungsracks, gibt es die Möglichkeit, das Kühlmedium näher an die Wärmequelle, sprich: die IT-Komponenten heranzuführen. Bei der Rack-Variante wird die warme Luft direkt innerhalb des Schranks durch ein Kältegerät gekühlt, das in die Seitenwände und/oder den Boden integriert wird. Rack-Kühlung ist allerdings sehr teuer und nicht immer unbedingt erforderlich. Gut ausgestattete Rechenzentren können mit dem richtigen Design und bei passendem Klima auch 20 oder 30 kW allein mit Luft kühlen und für höhere Packungsdichten relativ leicht maßgeschneiderte Optionen erarbeiten lassen.

Colocation am Polarkreis

Höhere Stromkosten, gesteigertes Umweltbewusstsein und CO2-Auflagen zwingen Rechenzentrumsbetreiber dazu, ihre bisherigen Klimastrategien zu überdenken. Klar ist: Bei der Kühlung anzusetzen, ist der Königsweg, die Energieeffizienz im Rechenzentrum zu steigern. Speziell die direkte und indirekte Freikühlung, die ohne zusätzliche Klimageräte oder Kompressoren auskommt, birgt ein enormes Sparpotenzial. Wenn ein eigenes Rechenzentrum in nordischen Ländern keine Option ist, eröffnen Colocation-Anbieter auch kleinen und großen Unternehmen die Vorteile klimatisch günstiger Länder.

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Verne Global betreibt auf Island ein ISO-27001-zertifiziertes Colocation-Rechenzentrum mit kundenspezifischen Einrichtungen, das von Grund auf umweltfreundlich und nachhaltig ausgelegt ist: Das Data Center wird zu 100 % mit erneuerbarer Energie versorgt (Geothermie und Wasserkraft), die Kühlung mit Außenluft das ganze Jahr über bewirkt zusätzliche CO2-Einsparungen, und das auf Energieeffizienz ausgerichtete RZ-Design ermöglicht eine nachhaltige Anwendungsoptimierung und Skalierbarkeit bei hoher Dichte.


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