HPC-Kühlung: Was stark nachverdichtete IT kühl genug hält

Technologien wie die Block­chain mit ihren rechen­intensiven Krypto­algorithmen, umfang­reiche Big-Data-Analysen sowie das IoT mit seinen Echt­zeit­daten­strömen bringen die bestehen­den IT-Infra­strukturen an ihre Leistungs­grenzen. Mehr Rechen­power pro Quadrat­meter erfordert meist auch neue Kühllösungen.

Handlungsbedarf am Hotspot

Von Bernd Hanstein, Rittal

Viele Unternehmen benötigen 2019 mehr IT-Kapazität, ob aus der Cloud oder durch den Ausbau des eigenen Rechenzentrums. Dort müssen sich die IT-Leiter dann regelmäßig mit Themen auseinandersetzen, die sonst eher Betreiber von HPC-Datacentern (High Performance Computing) betreffen. Dazu zählt nicht zuletzt eine höhere Leistungsdichte in Serverschränken, womit wiederum veränderte Anforderungen an die IT-Kühlung einhergehen. Aber auch verteilte Edge-Datacenter machen es notwendig, die Energieeffizienz präzise zu analysieren.

Die Energiekostenfrage

Zwei Aspekte sind bei der Auswahl des Kühlkonzepts heute entscheidend: Ausfallsicherheit und Energieeffizienz. So kann es sich – vor allem in Deutschland – lohnen, den Energieverbrauch der IT-Kühlung zu analysieren. Die Erfahrung zeigt, dass bis zu 30 % der gesamten Energiekosten eines Rechenzentrums auf die Kühlsysteme entfallen können. Wer also seine IT-Landschaft effizient und nachhaltig ausbauen möchte, sollte bei der Modernisierung der Kühlung ansetzen.

Bei kleineren Installationen bis 30 kW IT-Leistung empfehlen sich kältemittelbasierte DX-Klimalösungen (Direct Expansion), die mit invertergeregelten Kompressoren und EC-Lüftern arbeiten. Solche Lösungen passen sich dynamisch an die benötigte Last an und tragen somit dazu bei, die Energiekosten zu reduzieren. Bei den Klimabedingungen, die in Deutschland vorherrschen, können sich unter Umständen auch Systeme mit direkter Freikühlung rentieren. Diese können zum Beispiel mit einer adiabatischen Kühlung ergänzt werden, die eine Konditionierung der Kühlluft bei hohen Außentemperaturen übernimmt.

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Natürliche Kühlung nach Bedarf: Das LCP DX/FC Hybrid verfügt sowohl über einen Kältemittelkreislauf als auch über einen separaten Wasserkreislauf. Bei niedrigeren Temperaturen wird automatisch die indirekte freie Kühlung genutzt. Die Basis für die kostengünstige Lösung ist ein externer Hybridverflüssiger, in dem ein Freikühler integriert ist. (Bild: Rittal)

Der Vorteil einer DX-Lösung liegt zunächst in den Kosten: Der Investitionsaufwand ist im Vergleich beispielsweise zu einer wasserbasierten Kühlung geringer. Eine DX-Installation besteht aus einem Split-Gerät mit einem Kompressor und einem Klimagerät für die Kälteerzeugung. Die Kälte wird hierbei über einen geschlossenen Kältemittelkreislauf mit Verdampfer, Kompressor, Kondensator und Expansionsventil erzeugt. Die Installation des Geräts erfolgt an der Rück-, Seitenwand oder als Dachaufbaugerät eines IT-Racks, sodass nur geringe Leistungsverluste aufgrund der Luftführung auftreten.

Etwas aufwendiger zu installieren sind Lösungen mit Kaltwassersätzen und Chiller oder AHUs (Air Handling Units) wie Luft-Luft-Wärmetauscher. Dies liegt in erster Linie am Umfang der Installationsarbeiten. Solche Lösungen sind zudem erst ab einer gewissen Größe bzw. Leistungsdichte der IT-Umgebung wirtschaftlich sinnvoll. Hierbei sind die Investitionskosten zwar höher, aber die Betriebskosten fallen geringer aus. Unternehmen müssen daher individuell ausrechnen, welche Kühltechnologie für ihr Rechenzentrum wirtschaftlich sinnvoll ist.

F-Gase-Verordnung

Die EU arbeitet derzeit darauf hin, den Einsatz von bestimmten Kältemitteln aus Gründen des Umweltschutzes zu reduzieren. Dennoch müssen RZ-Betreiber nicht befürchten, dass manche in IT-Klimageräten häufig genutzten Kältemittel dieses Jahr verboten werden. Eine Investitionssicherheit ist auch bei heute verkauften Klimageräten gegeben. Zudem arbeiten die Hersteller von Kühlgeräten kontinuierlich daran, umweltverträgliche Kältemittel zu entwickeln. Was wir am Markt aktuell erleben, ist eine künstliche Verknappung von bestimmten Kältemitteln, wodurch die Preise der Endgeräte steigen. Damit soll auf die Verwender Druck aufgebaut werden, auf umweltfreundlichere Kältemittel umzusteigen.

Die Diskussion um Kältemittel wird im Jahr 2019 sicher weitergehen. Vorreiter dieser Entwicklung ist Japan, aber auch innerhalb der EU sind Initiativen für umweltfreundliche Kältemittel gestartet. Rittal unterstützt diese Entwicklung ebenfalls und forscht an entsprechenden Lösungen. Darüber hinaus ist es technologisch möglich, Wasser als Kältemittel zu verwenden. Diese Lösung ist jedoch technisch extrem aufwendig, da mit geringen Dampfdrücken gearbeitet werden muss, um den Siedepunkt zu senken. Außerdem wären leistungsstarke Turboverdichter notwendig, sodass die Lösung insgesamt recht komplex wird.

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Lefdal Mine Datacenter: Kaltes Fjordwasser bietet die Basis für eine wasserbasierte IT-Kühlung. Das ausschließlich über regenerative Energien betriebene Rechenzentrum in Norwegen bietet aktuell Stellfläche für 300 Container mit 45 MW Kühlleistung. (Bild: Rittal)

Metriken für die Effizienzanalyse

Wer den Modernisierungsbedarf im eigenen RZ ermitteln möchte, definiert am besten spezifische Kennzahlen, um darüber Verbrauchsdaten zu ermitteln. Diese bilden dann die Basis, mit der IT-Leiter die Wirtschaftlichkeit ihres Rechenzentrums bewerten können. Basierend darauf lassen sich gezielt Projekte zur IT-Modernisierung aufsetzen.

Eine Rechenzentrumsnorm wie die DIN 50600 hilft hier leider nicht weiter. Sie ist generell neutral gegenüber Technologien und hilft beispielsweise dabei, über Verfügbarkeitsklassen eine bestimmte Ausfallsicherheit zu erreichen. Auch andere Normen geben kaum Hilfestellung bei der Konzeption von wirtschaftlichen Kühlkonzepten. Die Umsetzung erfolgt daher in der Praxis nach wie vor Mithilfe von spezialisierten RZ-Experten, die die geeigneten Konzepte und Technologien auswählen und berechnen, wie eine IT-Umgebung möglichst energieeffizient und ausfallsicher arbeitet.

Auch die Verwendung der PUE-Kennzahl (Power Usage Effectiveness) als einer Art Universalmetrik für die Energieeffizienz im Rechenzentrum sollten CIOs kritisch hinterfragen. Die PUE ist immer nur eine aktuelle Momentaufnahme und gibt einen Effizienzwert bei einer bestimmten Leistung des Rechenzentrums wieder. Zudem schwankt die Kennzahl je nach Jahreszeit und Außentemperatur, wenn externe Kühlsysteme zum Einsatz kommen. Das Gleiche gilt für die partielle PUE, die sich nur auf Teilgewerke beschränkt. Auch erlaubt die PUE keine Aussage über den tatsächlichen Verbrauch im Rechenzentrum und deckt auch die Wärmerückgewinnung nicht ab.

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Schwarz auf Weiß
Dieser Beitrag erschien zuerst in unserer Magazin­reihe „Rechen­zentren und Infra­struktur“. Einen Über­blick mit freien Down­load-Links zu sämt­lichen Einzel­heften bekommen Sie online im Presse­zentrum des MittelstandsWiki.

Die von Google veröffentlichten Effizienzwerte der Rechenzentren zeigen anschaulich, wie die PUE im Jahresverlauf schwankt. Ein Blick auf den Gesamtverlauf zeigt aber auch, dass über die Jahre hinweg eine Effizienzsteigerung erreicht wurde. Was die PUE jedoch nicht zeigt, ist der tatsächliche Stromverbrauch und woher der Strom kommt. Wer also einen nachhaltigen IT-Betrieb anstrebt, benötigt noch eine CO₂-Kennziffer. Auf den Seiten des Bundesumweltministeriums wird ein Faktor veröffentlicht, um den Strommix aus regenerativer Energie und anderen Quellen zu kalkulieren. Vergleichbare Berechnungen können Experten auch für andere Länder erstellen, da für viele Industrienationen der Energiemix veröffentlicht wird.

CIOs sollten über einen Satz an Metriken ihre Energieeffizienz langfristig optimieren. Wichtige Kennzahlen sind zum Beispiel die Effizienz einer Kältemaschine und einer USV-Anlage. Wer adiabatische Kühlung verwendet, wird mit dem PUE wenig anfangen können, da der Wasserverbrauch nicht berücksichtigt wird. Daher ist mit der WUE (Water Usage Effectiveness) eine entsprechende Kennzahl notwendig, mit der die Verwendung von Wasser im Verhältnis zum Stromverbrauch der IT-Komponenten gesetzt wird. Der jährliche Wasserverbrauch steht damit in Relation zur Gesamtleistung der aktiven IT-Komponenten. Die Einheit des WUE ist l/kWh (Liter pro Kilowattstunde). Mit derartigen Metriken können Unternehmen gezielt den Energieverbrauch im Rechenzentrum analysieren, um anschließend einzelne Verbräuche zu optimieren.

Punktkühlung pro Rack

Ein anderes Problem entsteht durch die zum Teil enorm gesteigerte Leistungsdichte, wenn einzelne IT-Schränke plötzlich randvoll mit leistungsstarken Blade-Servern bestückt werden, weil Unternehmen unter dem Druck der digitalen Transformation oft sehr rasch ihre IT-Kapazität aufstocken müssen und dafür ihre Serverschränke bis zur Kapazitätsgrenze ausbauen. Hat ein Unternehmen zum Beispiel überwiegend 3-kW-IT-Racks im Einsatz und zusätzlich ein voll ausgebautes Rack mit Blade-Servern im Rechenzentrum laufen, kann dort eine zu kühlende Leistung von 30 kW oder mehr entstehen. Ein solcher Hotspot benötigt dann eine zusätzliche punktuelle Kühlung. Um dieses Rack zu kühlen, lohnt sich jedoch nicht der Umbau des gesamten Rechenzentrums. Daher wird in diesem Fall der IT-Schrank meist mit einer DX-Lösung gekühlt, die direkt am Rack montiert werden kann. Sind mehrere Hotspots vorhanden, kann auch eine Kaltwasserkühlung mit Warm-/Kaltgangschottung für mehrere Racks wirtschaftlich rentabel sein, wobei hierbei mit höheren Installationskosten zu rechnen ist.

Darüber hinaus kann es eine Option sein, bestimmte Teile der IT-Infrastruktur in die Cloud auszulagern. Dies sollte man zum Beispiel bei älteren IT-Systemen mit veralteten Kühltechnologien in Betracht ziehen. Unternehmen verringern damit die laufenden Betriebskosten und können sich die Kosten für einen Hardware-Refresh im eigenen Rechenzentrum sparen. RZ-Experten können relativ zuverlässig ausrechnen, ab welcher Leistung und bei welchen Betriebskosten ein Umzug in die Cloud sinnvoll ist.

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Bernd Hanstein ist Hauptabteilungsleiter Produktmanagement IT bei Rittal. Das Unternehmen der inhabergeführten Friedhelm Loh Group mit Sitz im hessischen Herborn ist ein weltweit führender Systemanbieter für Schaltschränke, Stromverteilung, Klimatisierung, IT-Infrastruktur sowie Software und Service. Systemlösungen von Rittal kommen in nahezu allen Branchen, vorwiegend in der Automobilindustrie, in der Energieerzeugung, im Maschinen- und Anlagenbau sowie in der ITK-Branche zum Einsatz. Zum Leistungsspektrum gehören Infrastrukturlösungen für modulare und energieeffiziente Rechenzentren mit innovativen Sicherheitskonzepten zur physischen Daten- und Systemsicherung.


Rittal GmbH & Co. KG, Auf dem Stützelberg, 35745 Herborn, Tel.: 02772-505-0, info@rittal.de, www.rittal.de

Herausforderung am Edge

Kühltechnisch interessant ist außerdem die derzeitige Entwicklung Richtung Edge-Datacenter. Durch den dezentralen Aufbau von IT-Infrastrukturen werden viele kleinere Kühlsysteme benötigt. Wer beispielsweise deutschlandweit 5000 Edge-Container betreibt, wird mehr Energie benötigen, als wenn er diese IT-Systeme in einem zentralen Rechenzentrum laufen ließe. Es liegt in der Natur von verteilten Systemen, dass sie im Vergleich zu einem Hyperscale-RZ weniger energieeffizient zu betreiben sind. Umso wichtiger wird es 2019 für CIOs sein, dass sie kontinuierlich über eine Reihe von Metriken die Effizienz im Rechenzentrum erfassen und daraus ihre eigenen Kennzahlen generieren, um auch verteilte Edge-Datacenter in ihrem Verbrauch zu optimieren.

Eine weitere Möglichkeit die Energiebilanz zu optimieren, besteht darin, gezielt einzelne IT-Services von Rechenzentren zu beziehen, die zu 100 % mit regenerativen Energien arbeiten und somit auch meist auch günstigere Preise anbieten können. Ein Beispiel dafür wäre das gemeinsam mit Rittal entwickelte Lefdal Mine Datacenter in Norwegen, das letztlich mit Wasserkraft betrieben wird und außerdem die Umgebungskälte des Fjords nutzen kann.

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