Geschäftsmodell verändern: Wann es Zeit ist, das Geschäftsmodell zu verändern

So wie Unternehmen entstehen, verschwinden sie auch wieder. Warum sind hiervor eigentlich weder kleine noch große Firmen geschützt? Die aktuellen Entwicklungen in den Branchen IT-Handel und -Dienstleistungen sowie Medien bieten Beispiele dafür, worauf es bei Korrekturen am Geschäftsmodell ankommt.

Der Betrieb läuft doch – noch

Von Andreas Franken, Franken-Consulting

So wie Unternehmen entstehen, verschwinden sie auch wieder. Warum sind hiervor eigentlich weder kleine noch große Firmen geschützt? Die aktuellen Entwicklungen in den Branchen IT-Handel und -Dienstleistungen sowie Medien bieten Beispiele dafür, worauf es bei Korrekturen am Geschäftsmodell ankommt. Der Irrtum ist menschlich und auch kluge Zeitgenossen haben sich in so mancher Annahme dann und wann geirrt, wie die nachstehenden Beispiele eindrucksvoll belegen:

  • Der Präsident der Michigan Savings Bank, 1903: „Das Pferd wird es immer geben, Automobile hingegen sind lediglich eine vorübergehende Modeerscheinung.“
  • Lord Kelvon, Mathematiker und Erfinder, 1897: „Das Radio hat absolut keine Zukunft.“
  • Lee De Forest, Vater des Radios, 1926: „Auf das Fernsehen sollten wir keine Träume vergeuden, weil es sich einfach nicht finanzieren lässt.“
  • Ken Olson, Präsident von Digital Equipment Corp., 1977: „Es gibt keinen Grund dafür, dass jemand einen Computer zu Hause haben wollte.“
  • Ian Sharp, Sharp Associates, 1979: „E-Mail ist ein absolut unverkäufliches Produkt.“
  • Bill Gates, 1981: „640k sollten genug für jeden sein.“
  • Albert Einstein, 1932: „Es gibt nicht das geringste Anzeichen, dass wir jemals Atomenergie entwickeln können.“

Mit dem Wissen von heute erscheinen die damaligen Glaubensgrundsätze geradezu lächerlich, aber hinterher ist man bekanntlich immer schlauer. Bemerkenswert ist dennoch, dass viele Veränderungen trotz der testierten Unmöglichkeit der jeweiligen Experten ihrer Zeit stattgefunden haben. Wer nun glaubt, dass die Menschen sich nur damals geirrt haben und wir alle heutzutage viel klüger sind, der liegt mit dieser Einschätzung wahrscheinlich ebenfalls neben der Realität. Nicht nur in der Wissenschaft, sondern auch in Unternehmen irrt sich das jeweilige Management permanent, mal mehr und mal weniger.

Zwischen Existenzkampf und Rekordrenditen

Die (Geschäfts-)Welt ändert sich permanent und damit auch die Nachfrage nach Produkten und Dienstleistungen. Die jeweils aktuelle Nachfrage ist es, die Geschäftsmodelle leben oder sterben lässt. Dieser Logik folgend müssen Geschäftsmodelle dem Nachfrageverhalten der Kunden permanent angepasst werden.

Verändertes Nachfrageverhalten ist allerdings nicht die einzige Einflussgröße, die sich auf die Rentabilität eines Geschäftsmodells auswirkt. Hinzu kommen das Verhalten der Wettbewerber, Gesetzesänderungen, die Verfügbarkeit von Ressourcen wie z.B. Personal oder Kapital und natürlich Erfindungen bzw. technologische Weiterentwicklungen.

IT-Branche: Standardprodukte und komplexe Services

Der reine Handel mit Standard-IT-Produkten leidet unter Niedrigstmargen und vielfach ist die Erlössituation von IT-Händlern unbefriedigend. Die Rahmenbedingungen sind durch immer größer werdende Preistransparenz, einfache Imitierbarkeit der Geschäftsmodelle und oftmals fehlende Wettbewerbsvorteile gekennzeichnet. Um in diesem hart umkämpften Geschäftsfeld zu überleben, sind sehr kluge (neue) Konzepte vonnöten.

Im Gegenteil hierzu erfreuen sich Anbieter erklärungsbedürftiger Dienstleistungs- und Lösungsangebote, wie z.B. die größeren Systemhäuser, in einem allgemein sehr positiven konjunkturellen Umfeld stetig wachsender Rentabilität. Viele Firmenkunden investieren große Budgets in die Optimierung ihrer Geschäftsprozesse. IT-Dienstleister, welche die jeweiligen komplexen internen Abläufe ihrer Firmenkunden verstehen und mithilfe von modernen und effizienten IT-Lösungen optimieren oder auch komplett redesignen können, werden geschätzt und auch adäquat vergütet.

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Andreas Franken ist als Unternehmensberater spezialisiert auf die Themen Strategie, Marketing und Vertrieb. Seine Berufserfahrung erstreckt sich über mehr als 30 Jahre, und er veröffentlicht regelmäßig Fachartikel zu Managementthemen. Zur eigenständigen Optimierung von Unternehmen bietet er seinen Neun-Punkte-Plan zum kostenlosen Download.


Andreas Franken, Franken-Consulting, Ortbeckstraße 5, 45894 Gelsenkirchen; Telefon 0209-3187586, Telefax 0209-3187581, af@franken-consulting.org, www.franken-consulting.org

Aber auch die Systemhausgeschäftsmodelle unterliegen dem Einfluss von Rahmenbedingungen, die sich zunehmend verändern. Man denke nur an die wachsenden Anforderungen an das Handling der technologischen Komplexität, die Gewinnung und das Halten geeigneter Mitarbeiter sowie die Notwendigkeit der nachhaltigen Bindung von Kunden – auch zur Vorbeugung von zukünftigen konjunkturellen Schwankungen.

Eine der strategisch bedeutsamen Fragen an ITK-Unternehmen lautet daher: Sind Sie ein Produktverkäufer oder ein Lösungsanbieter?

Aus der Beantwortung der Frage leiten sich viele weitere Maßnahmen ab, denn der reine Produktverkäufer muss seine Handelskompetenz so weiterentwickeln, dass er komparative Wettbewerbsvorteile schafft, um im Vergleich mit anderen Händlern bestehen zu können. Der Dienstleister hingegen muss seine Zielgruppen prozesstechnisch verstehen und in der Lage sein, durch seine Lösungsangebote klare Mehrwerte anzubieten. Er muss zudem die wachsende Komplexität seines Geschäftsmodells managen und dafür Sorge tragen, dass ihm die guten Mitarbeiter nicht ausgehen bzw. abhandenkommen.

In beiden Fällen sind die Anforderungen an die einzelnen Akteure groß, wenn man ein nachhaltig erfolgreiches Geschäftsmodell etablieren möchte. Anbieter, die beide Themenfelder bedienen, müssen einen besonderen Spagat meistern. Zwar ist die Vermarktung von margenschwacher IT-Basistechnologie ein Mittel, um mit Kunden in Kontakt zu treten bzw. zu bleiben, aber es wäre z.B. fatal, wenn ein teuer bezahlter IT-Profi Artikel verkaufen würde, die eigentlich zu deutlich niedrigeren Vertriebskosten durch weniger qualifiziertes Personal oder medial über den Webshop vermarktet werden sollten. Hierdurch würden Kapazitäten verschwendet, was bei der aktuellen Personalknappheit ein großer Fehler wäre. Abgesehen hiervon ist das Risiko, sich als „Alles-aus-einer-Hand-Anbieter“ strategisch zu verzetteln, noch in vielen anderen Bereichen groß.

Anforderungen nach Unternehmensphase

Grundsätzlich entwickelt sich jedes Geschäftsmodell in der grafischen Darstellung wie ein auf dem Kopf stehendes U. Diese Entwicklung lässt sich in vier Phasen einteilen:

  1. Die Phase der Gründung, die zumeist eine direkte Reaktion auf aktuelle Marktgegebenheiten darstellt: Hier ist als Manager der visionäre Gründertyp gefragt.
  2. Die Phase des Wachstums, die ein Maximum aus der Gründungsidee generieren soll: Hier ist der versierte, erfahrene Top-Manager gefragt, der Organisationen aufbauen und Märkte erschließen kann.
  3. Die Phase der Administration, die im Wesentlichen durch Selbstverwaltung geprägt ist: Manager in dieser Phase sind oft Meister des Operativen und haben eine klare Vorstellung davon, wie ihr Geschäft funktioniert.
  4. Die Phase der Krise, Sanierung oder Abwicklung, die unweigerlich folgt, wenn man in der Administrationsphase versäumt hat, das Unternehmen bzw. das Geschäftsmodell rechtzeitig auf sich verändernde Marktbedingungen anzupassen: Ein Sanierer ist zumeist darauf konzentriert, die Kosten zu senken und selten geeignet, das Geschäftsmodell (komplett) neu zu erfinden – was zu diesem Zeitpunkt schon längst hätte getan werden müssen.

Manager mit Stärken und Schwächen

Die Darstellung macht deutlich, dass jede Unternehmensphase einen eigenen Managertyp benötigt und dass es selten einen „Manager für alles“ gibt. Es gibt zwar Ausnahmemanager, wie es Steve Jobs einer war, die ihre Unternehmen immer wieder neu erfinden und die permanente Verbesserung institutionalisieren, aber die Zahl der Alleskönner ist eher gering.

Für gewöhnlich ist der Manager mit Spezialbegabung(en) anzutreffen, der so stark ins Tagesgeschäft eingebunden ist, dass ihm die Sensibilität einfach fehlt, die nötig wäre, die Zeichen zur Einleitung von Veränderungen rechtzeitig zu erkennen, um daraus dann die richtigen Schlüsse zu ziehen sowie Konzepte zu entwickeln und umzusetzen. Dieser Mangel ist auch dem Umstand geschuldet, dass neben dem Tagesgeschäft die Kapazitäten für einen weitreichenden „Blick über den Tellerrand“ fehlen. Also versucht die Führung in fast allen Unternehmen, das aktuelle Geschäftsmodell durch kleine Anpassungen zu retten, anstatt sich frei für eine neue Perspektive zu machen.

Medienbranche: Axel Springer und Jeff Bezos

Ein gutes Beispiel ist die Verlagsindustrie. Sie hat mit sinkenden Auflagen zu kämpfen und ist – abgesehen von einigen Spezialbereichen – nicht in der Lage, der existenzbedrohenden Schwierigkeiten, die der Verkauf von Content bereitet, Herr zu werden. Wenige Print-Formate wie die Bild-Zeitung funktionieren unverändert, wogegen viele andere mehr oder weniger stark schwächeln.

Interessant ist, dass der Axel-Springer-Konzern in Teilbereichen „aufgegeben hat“ und kürzlich einige seiner Portfolio-Firmen veräußerte. Springer erweckt hierdurch den Eindruck, dass man die Geschäftsmodelle der veräußerten Unternehmen für – vorsichtig formuliert – uninteressant bzw. nicht ausbaufähig hält. Vor dem Hintergrund, dass es bisher zu den Kernkompetenzen von Springer zählte, Content zu produzieren und zu verkaufen, ist dieses Vorgehen besonders erwähnenswert.

Quasi zeitgleich wurde bekannt, dass Jeff Bezos, der Gründer von Amazon, die Washington Post kauft: Ein komplett „Branchenfremder“ wagt sich hier in ein Metier, das die „Branchenkenner“ zunehmend aufgeben. Bezos hat über Amazon Zugang zu vielen Millionen Kunden weltweit, und es bleibt abzuwarten, mit welchen Konzepten er den wertvollen Content der Washington Post zukünftig verkaufen wird. Eines ist sicher: Er wird sich beim Erwerb des traditionsreichen Unternehmens etwas gedacht haben.

Neue Vermarktungs- und Bezahlmodelle

Mit derselben Logik, derzufolge Software einmal entwickelt und dann vielfach verkauft wird, lässt sich wahrscheinlich auch Content vermarkten. Zudem lassen sich über die digitale Vermarktung anders als bei früheren Verfahren viele Kostenpositionen deutlich reduzieren. Logischerweise ist es lukrativer, 200.000 Stück eines Artikels zu je 20 Cent zu verkaufen als 10.000 Stück desselben Artikels zu je 1,99 Euro – insbesondere dann, wenn bei der 20-Cent-Variante die Kosten pro Stück unter der 1,99-Euro-Variante liegen. Dies gilt für Software wie für Content. Zu einem Bundle mit anderen Produkt- und Leistungsangeboten zusammengefasst könnten sich auf diese Weise große Stückzahlen verbunden mit interessanten Skaleneffekten realisieren lassen.

Es ist ja nicht so, dass Menschen keinen Content lesen wollen. Richtig ist vielmehr, dass sie möglichst wenig dafür bezahlen möchten. Mit dem PC, Tablet oder Smartphone kann man sich bereits seit einigen Jahren mit kostenlosem Content auf dem Laufenden halten.

Wie sieht es aber aus, wenn der Content etwas spezieller oder qualitativ höherwertig sein soll? Bereits heute gibt es Beispiele dafür, dass Kunden unverändert bereit sind, für eine gute journalistische Leistung zu bezahlen.

Es sind also neue Geschäftsmodelle mit neuen Bezahlsystemen zu entwickeln. Vielleicht sind es Themen-Bundles zu kleinen Geldbeträgen, die niemandem wehtun, die zukünftig nachgefragt werden. Zumindest wären sie leichter zu verkaufen als die tradierten Abos mit ihren hohen Prämien- und Vertriebskosten. Lassen wir uns überraschen, welche Content-Angebote Herr Bezos demnächst vorlegen wird!

Fazit: Das Geschäft neu erfinden

Die meisten Manager werden leider erst dann aktiv, wenn der Leidensdruck nicht mehr zu ignorieren ist. Dann ist es meist zu spät. Warten Sie nicht auf bessere Zeiten und hoffen Sie auch nicht darauf, dass Ihr Geschäftsmodell von selbst wieder rentabel wird, wenn Sie sich bereits in Schieflage befinden oder eine solche absehbar ist. Je eher Sie veränderungsbereit werden, umso mehr Optionen bleiben Ihnen für wichtige Anpassungen Ihres Geschäftsmodells.

Bitte bedenken Sie auch, dass Unternehmensorganisationen nötigen Veränderungen grundsätzlich skeptisch gegenüberstehen und erst dann veränderungsbereit werden, wenn bestehende Probleme wirklich nicht mehr zu beschönigen sind. Darum ist gerade die eigene Organisation oft ein schlechter Ratgeber, wenn es um Veränderungen geht. Denn sie ist der Bewahrer des Status quo.

Und vor allen Dingen: Glauben Sie nicht alles, was Ihnen die Experten dieser Zeit weismachen wollenen. Die Zukunft wird belegen, dass so manche Weisheit von heute bereits morgen lächerlich ist.

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